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Des Teufels Steg: Seite 8

Nachdem Wolfgang sich einigermaßen beruhigt hatte, trank er seinen Kaffee, schwarz und mit viel Zucker. Das heiße, cremige Getränk munterte ihn ein wenig auf, er fühlte sich nicht mehr so hundeelend. Die große Frage, die es zu beantworten gab, klang auf den ersten Blick einfach, geradezu primitiv: Was nun? Gleichwohl geriet der bescheidene Handelsvertreter umso tiefer ins Grübeln, je länger er darüber nachdachte und je inbrünstiger er hoffte, eine simple Antwort auf die denkbar einfache Frage zu finden. Die Natur hatte ihn vielleicht nicht mit dem Gehirn eines großen Denkers ausgestattet, aber er stand an einem wichtigen Scheideweg in seinem nicht mehr allzu jungen Leben, so viel war ihm durchaus bewusst. Davon, wie er sich innerhalb der nächsten Stunden entscheiden würde, hing im Wesentlichen sein weiterer Lebensweg ab. Die Entscheidung war existenziell wichtig. Und sie war weiß Gott nicht einfach.

Wohl oder übel, aber als Erstes musste er den Vorschuss-Scheck im Büro holen, alles andere konnte noch bis später warten. Die Bank hatte heute nur noch bis Mittag auf, er hätte sich langsam auf den Weg machen sollen, um es zu schaffen, sonst hätte er für die Reise in den Harz kein Geld gehabt – es war Wochenende. Nun gab es aber ein Problem: Wie sollte Wolfgang mit seinem ramponierten Gesicht im Büro auftauchen? Dort würde er heute keine Verkäufer antreffen, da war er sich ziemlich sicher, aber Stachowski pflegte samstags, irgendwelche Planungen zu machen, und Alex, der vor ihm auf Schritt und Tritt zu schleimen versuchte und so tat, als ob er sich selbstlos um das Wohl der Firma sorgte, war vermutlich auch dort. Den beiden wollte Wolfgang rein gar nichts erklären müssen. Doch sein Selbsterhaltungssinn sagte ihm, dass er dringend handeln musste, wenn er sein Leben nicht völlig ruinieren wollte. Und er vertraute darauf, was er aus den Tiefen seiner Seele hörte, schon einige Male hatte ihn sein Instinkt vor schlimmen Erfahrungen bewahrt.

Er duschte auf die Schnelle und zog sich frische Sachen an. Auf Marthas Schminktisch fand er eine Tube Abdeckcreme und trug sie auf seine Verletzungen im Gesicht auf, das Ergebnis sah gar nicht so übel aus. Die Tube legte er alsdann in seine Tasche, Martha würde es ihm vergeben, so hoffte er, denn er brauchte die Creme in den kommenden Tagen dringender als sie. Zum Schluss steckte er sich einen Pfefferminzbonbon in den Mund, damit ihm seine Alkoholfahne nicht vorauseilte, und verließ die Wohnung.

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Das Geheimnis des vernebelten Passes

Das Geheimnis des vernebelten Passes

Reiseroman von Nikolaus Warkentin
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Im Hof wartete schon die nächste Überraschung auf den gebeutelten Weinverkäufer. Sein Wagen stand nicht auf dem Parkplatz. Hatte vielleicht Martha irgendwas damit zu tun, fragte er sich und verwarf gleich selbst den plötzlich entstandenen Verdacht: Nein, dermaßen gemein war sie nicht, das konnte er sich kaum vorstellen! Vielmehr vermutete er, dass der Fiesta seit gestern Abend vor der Wirtschaft stand, wo er ihn geparkt hatte, denn nach dem Kneipenbesuch hatte er aus nachvollziehbaren Gründen nirgendwo mehr hingefahren sein können. Er machte sich auf den Weg. Zum Glück war das Etablissement nicht mehr als eine halbe Stunde Fußmarsch entfernt.

 

Als Wolfgang abends wieder die Wohnung betrat, hatte er in seinem Kopf so etwas Ähnliches wie einen Plan, zumindest für die kommende Woche. Wie es danach weitergehen sollte, so weit konnte er im Augenblick nicht denken. Er hatte sich überlegt, dass er noch eine Nacht bei Martha in der Wohnung schlafen würde und morgen Früh Richtung Harz aufbrechen. Es war nun doch eine beachtliche Strecke und er war sich nicht sicher, ob sein Auto, wenn man den schrottreifen Ford Fiesta, seinen alten Weggefährten, noch so bezeichnen durfte, so viele Kilometer am Stück fahren konnte. Wolfgang nahm an, dass der Wagen durchaus auf halbem Wege auf einmal streiken konnte, zumal er diesmal eine Menge Gewicht mit an Bord nehmen musste. Die Last hätte dem treuen Helfer das Rückgrat brechen können: Zwei geräumige aluminiumbeschlagene Probenkoffer mit je zehn verschiedenen Weinen, die er sich heute bei Stachowski geholt hatte und die schon im Kofferraum standen, sein großer Reisekoffer, den Martha im Flur abgestellt hatte und den er gleich packen musste, und noch sein ganzer Krimskrams, der überall irgendwo in der Wohnung umherlag und noch gesucht werden musste – im Laufe der Jahre sammelte sich so einiges an, man merkte es im Alltag kaum, aber es konnte viel sein. Er hatte entschieden, dass er diese Verkaufsreise in den Harz noch auf jeden Fall machen würde.

Der Grund war einfach: Er brauchte eine Bleibe! Und er brauchte etwas Geld! Er brauchte beides gleichzeitig. Sonst hätte man die Woche noch hier in der Wohnung verbringen können, solange Martha auf Reisen war, aber er konnte unmöglich den Vorschuss-Scheck einlösen und die Mittel verprassen, ohne Stachowski eine Hotelrechnung aus dem Gebiet zu präsentieren, so verkommen war er noch nicht.

Er zog allen Ernstes in Erwägung, seinen Dienst bei dem Weinhaus nach dieser Harzreise zu quittieren. Es war im Grunde genommen kein Dienstverhältnis, es gab nicht sonderlich viel zu kündigen, er war nur ein armseliger Scheinselbständiger. Er wurde wie ein Angestellter herumkommandiert, musste zu bestimmten Zeiten im Büro sein – es war wünschenswert, wie Stachowski es so schön formulierte – oder wurde »höflich gebeten«, eingehende Anrufe wie eine Sekretärin anzunehmen, bekam aber kein Gehalt dafür. Wie er letztendlich durchkam, interessierte keinen. Es brachte alles nichts ein. Mehr noch, er hatte keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, bereits einige Jahre war er nicht mehr krankenversichert und leistete auch keine Beiträge mehr zur Rentenversicherung. An dieser Stelle setzte er bei dem Thema einen dicken Punkt! Er wusste, wohin ihn diese Gedanken führen würden – in eine Depression. Das wollte er nicht.

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Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Wolfgang Breitscheid, ein Handelsreisender in Sachen Wein aus Hannover, findet sich plötzlich in der Zeit des Spätmittelalters wieder, während er eine ungeplante Verkaufsreise in den Harz unternimmt. Sein neuer Bekannter, ein Schriftsteller namens Richard Knöpfle, besitzt diese Fähigkeit nicht, aber während er nach dem unerwartet verschwundenen Weinvertreter sucht, stößt er auf eine Zusammenkunft von Rechtsradikalen aus Jena, die im Harz ein Hexenfeuerfest feiern. Derweil sich Richard mit der arischen Vereinigung auseinandersetzt, macht Wolfgang Bekanntschaft mit der Heiligen Inquisition. Es kommt zu einer entscheidenden Schlacht zwischen Gut & Böse und das Edle gewinnt – vorerst, denn das Übel ist nur schwer zu besiegen.
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 6.816
Online Seiten: 233
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PDF Seiten: 518
EPUB Downloads: 0
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 1107796
Druckwörter: 202846
Buchseiten: 711
Erschienen: March 2024

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