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Des Teufels Steg: Seite 2

»Es ist schon für alles gesorgt, Herr Breitscheid«, antwortete Stachowski sichtlich zufrieden mit Wolfgangs Einlenken. »Da! Sehen Sie mal!« Er nahm ein bekritzeltes Wochenterminplaner-Formular in die Hand und wedelte damit in der Luft. »Unsere Telefonistinnen waren fleißig.«

Wenngleich es Wolfgang überhaupt nicht passte, erwog er schweren Herzens, der Reise in das Harzvorland von Sachsen-Anhalt, die ihm gerade erpresserisch aufgezwungen wurde, zuzustimmen. Wie konnte er sich dagegen wehren? Gar nicht. Stachowski hatte ihn fest in der Hand. Wolfgang war vor ein paar Monaten vierundfünfzig geworden und sein sehnlichster Wunsch war, sich bei dieser Weinkellerei noch irgendwie sechs Jahre bis zum Rentenalter durchzuschlagen, um dann nie wieder etwas von all den Leuten zu hören, die ihn sein Leben lang benutzt hatten. Diesen Plan hätte er gleich einstampfen können, wäre er jetzt seine Kundenkartei, egal wie kümmerlich sie aussah, losgeworden. Er hätte schon heute seine sieben Sachen packen können und von hier verschwinden. Und dann? Dann war »Sense«, wie Wolfgang es formulierte.

»Na ja«, erwiderte er, »ich weiß, wie diese Termine gelegt werden … Du fährst zwanzig Kilometer von einem Dorf zum anderen und in zwei Stunden wieder zurück zum nächsten Termin. Und nach Feierabend noch fünfzig Kilometer zum Hotel. Da habe ich nur Fahrkosten. Was kann ich denn am Ende noch verdienen?«

Wolfgang war auch ein alter Fuchs und wusste, dass man das Eisen schmieden sollte, solange es heiß war. Er versuchte noch zum Schluss, für sich das Maximum an Vorteilen aus der unerfreulichen Situation herauszuholen. Der unglückliche Weinhändler sah den Verkaufsleiter an in der Erwartung, dass es aus seiner Richtung gleich blitzte und donnerte, und hörte schon beinah die Stimme von Stachowski, die ihm vorwurfsvoll etwas von immensen Kosten, die auf die Firma zukamen, erzählte, von der fehlenden Leistungsbereitschaft der Vertreter und davon, dass Wolfgang schon dafür dankbar hätte sein sollen, dass das Weinhaus für ihn die Termine auf eigene Kosten hatte vereinbaren lassen. Aber zu seiner großen Verwunderung war das Gegenteil der Fall: Das Gesicht von Stachowski erhellte sich und bekam einen gutmütigen Ausdruck.

»Ja, wir müssen damit leben, Herr Breitscheid«, verkündete er mit belehrender Stimme. »Die Frauen machen doch die Termine nicht entlang einer festgelegten Route, sondern abhängig davon, wann die Kunden können und wollen! Dafür, Herr Breitscheid … dafür kommt die Firma Ihnen entgegen und beteiligt sich an den Fahrkosten! Sie müssen aber ein Fahrtenbuch führen und nachher bei mir einreichen. Ist das nicht toll?«

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Das Geheimnis des vernebelten Passes

Das Geheimnis des vernebelten Passes

Reiseroman von Nikolaus Warkentin
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Toll war es allemal. Wolfgang konnte sich kaum daran erinnern, dass ihm jemals zuvor Fahrkosten erstattet worden waren. Das hatte es noch nie gegeben. Er war immer auf eigene Kosten durch die Gegend gereist, wenn er Weinproben bei den Kunden veranstalten sollte. Es war zwar nicht oft gewesen, denn den meisten Umsatz machte er am Telefon, aber trotzdem. Und vielleicht schnitten ja seine Telefonverkäufe so schlecht ab, weil er die meisten Kunden noch nie persönlich getroffen hatte, fragte er sich plötzlich und bejahte seine spontane Mutmaßung. Gewiss, um am Telefon etwas verkaufen zu können, brauchten die Kunden auch einen persönlichen Bezug zum Verkäufer. Auch eine andere Frage beschäftigte ihn: Warum ausgerechnet jetzt? Warum war Stachowski auf einmal so großzügig geworden? Giovanni beschwerte sich zwar dauernd, dass »Chefchen« wieder mal die eine oder andere Position in seiner Fahrkostenabrechnung gestrichen hatte, also bekam er auch einiges erstattet, aber Giovanni war schon viele Jahre dabei und gehörte in gewissem Maße zum näheren Kreis. Hieß es nun, dass der Chef auch Wolfgang etwas höher einstufen wollte? Möglicherweise. Das wollte er noch herausfinden.

»Das finde ich sehr gut!«, stimmte Wolfgang dem Büroleiter zu.

»Nicht wahr?«, erwiderte Stachowski. »Das kann ich mir denken. Sehen Sie, wie das Weinhaus um Sie besorgt ist, und Sie stellen sich quer! Man sollte es zu schätzen wissen, dass die Firma Ihre Kosten übernimmt, und Umsatz machen wie der Teufel, Herr Breitscheid! Reisen Sie mal am Montag nach … Wo war doch noch der erste Termin?« Er sah flüchtig auf den Terminplan. »… nach Thale und suchen Sie sich ein günstiges Hotel. Ich melde am Montag nach Wiesbaden, dass ein Mitarbeiter vor Ort ist. Vielleicht kriegen wir noch ein paar Termine für Sie zusammen.«

»Gegen Umsatz habe ich nichts. Aber ich sehe ein anderes Problem: Wie soll ich denn das Hotel bezahlen?«

Stachowski sah ihn verwundert an. »Die Unterkunft plus Spesen gehen auf die Firma. Das war schon immer so, Herr Breitscheid. Sie machten ja schon ein paar Weinmessen mit und mussten für die Unterbringung nichts bezahlen. Oder verwechsle ich irgendwas?«

»Das weiß ich. Aber die Erstattung fürs Hotel und meine Spesen bekomme ich erst im September, wenn nicht im Oktober, Herr Stachowski, und das Zimmer mit Verpflegung muss ich ja schon vor Ort bezahlen. Ich hätte dafür kein Geld! Ich hätte sogar ein Problem, überhaupt nach Thale zu kommen. Wegen dem Tanken. Es ist ein weiter Weg.«

»Also, Herr Breitscheid!«, gab Stachowski überheblich von sich. »Wollten Sie nicht am Montag in den Urlaub fahren? Ihre Urlaubskasse muss ja noch voll sein!«

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Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Wolfgang Breitscheid, ein Handelsreisender in Sachen Wein aus Hannover, findet sich plötzlich in der Zeit des Spätmittelalters wieder, während er eine ungeplante Verkaufsreise in den Harz unternimmt. Sein neuer Bekannter, ein Schriftsteller namens Richard Knöpfle, besitzt diese Fähigkeit nicht, aber während er nach dem unerwartet verschwundenen Weinvertreter sucht, stößt er auf eine Zusammenkunft von Rechtsradikalen aus Jena, die im Harz ein Hexenfeuerfest feiern. Derweil sich Richard mit der arischen Vereinigung auseinandersetzt, macht Wolfgang Bekanntschaft mit der Heiligen Inquisition. Es kommt zu einer entscheidenden Schlacht zwischen Gut & Böse und das Edle gewinnt – vorerst, denn das Übel ist nur schwer zu besiegen.
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
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Aufrufe: 5.213
Online Seiten: 233
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PDF Seiten: 518
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EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 1107796
Druckwörter: 202846
Buchseiten: 711
Erschienen: March 2024

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