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Des Teufels Steg: Seite 14
Cecilia hatte diese Geschichte nicht persönlich erlebt, sie kam erst später zur Welt, aber ihre Mutter, Ursel, die damals etwa so alt wie sie heute gewesen sein musste, konnte sich noch an alles erinnern und die Großmutter selbst hatte ihr oft genug davon erzählt. Dieses zänkische Weib Irmel, die damals noch als »fromme« Jungfrau eine regelrechte Hetzjagd auf Großmutter Gerlinde in Gang gesetzt hatte, lebte noch heute im Dorf und versuchte auf jede erdenkliche Art, Ursel und Cecilia zu schaden. Dauernd redete sie ihnen Übles nach. Sie gab sich als überzeugte Christin, die nichts anderes im Sinne hatte, als ihrem Herrn Jesus Christus zu dienen und die Welt vor dem Bösen zu schützen, aber zu jener Zeit hatte noch nichts Derartiges ihre Gedanken beschäftigt. Sie ging im Sommer wie andere Frauen zu der Lichtung im Wald, um Zauberkräuter bei Vollmond zu pflücken, und sie tat es allen anderen gleich, wenn die Dorfweiber abschließend ihre Cotten ablegten und um ihre Kräuterkörbe ausgelassen im Kreise tanzten, um die Naturgeister mit ihren Reizen wohlwollend zu stimmen und die gesammelten Kräuter noch wirkungsvoller werden zu lassen. Doch Irmel war ein listiges Mädchen. Der einzige Grund, weshalb sie sich am gemeinsamen Kräuterpflücken beteiligte, war folgender: Sie wollte um jeden Preis ein Kräutlein finden, mit dem sie ihren Liebsten, dem es meistens nach anderen Jungfrauen war, verzaubern konnte, damit er sie zum Weibe nahm. Die erfahrenen Frauen hüteten jedoch gut ihre Geheimnisse und weihten die Novizin nur Schritt für Schritt in die Wunder ihrer Kunst ein, sodass sich Irmel bald gezwungen sah, das Zauberkraut, das die gewünschten Kräfte besaß, auf eigene Faust zu suchen. Sie ging heimlich allein in den Wald, pflückte verschiedene Kräuter und versuchte zu Hause auf gut Glück daraus einen Zaubertrank zuzubereiten, deren Wirkung sie an Ewalt, ihrem Liebsten, unbemerkt ausprobierte. »Es ist nicht gut«, sagte Gerlinde zu den anderen Frauen des geheimen Zirkels, als sie von Irmels Bestrebungen Kenntnis erlangte. »Das Mädchen verwendet Kräuter, ohne zu wissen, welche Wirkung sie haben. Sie könnte mit ihren Tränken Kräfte entfesseln, die man lieber ruhen lässt.« Und so beschlossen die »Kräuterfrauen«, Irmel von ihrem Treiben abzubringen. Eines Nachts, als der volle Mond im Himmel stand, versteckten sie sich als Hexen und Dämonen verkleidet im dunklen Wald, um Irmel große Angst einzujagen und sie den Weg zu den Kräutergründen für lange Jahre vergessen zu lassen. Die Frauen hatten zwar nie die Absicht gehabt, das Mädchen zu Tode zu erschrecken, aber viel hatte nicht mehr gefehlt, mussten sie feststellen, als Irmel kreidebleich im Gesicht wurde und wie von Sinnen schrie. »Mein Herr Jesus, stehe mir bei!«, rief sie so laut, dass man ihren Schrei wahrscheinlich noch im Dorf hören konnte.
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Irmel war schon heftig erschrocken gewesen, als sie Gerlindes dämonische Maske, deren Augenschlitze mit einem Pulver aus leuchtenden Gräsern eingerieben waren, zu Gesicht bekommen hatte, und erst recht bekam sie es nun mit der Angst zu tun, als unter der Maske eine schrumpelige Hexenfratze zum Vorschein kam und mit verstellter Stimme auf die junge Frau einredete. »Du hast dich in meinen Zauberkreis gewagt, holde Jungfrau? So musst du mir nun folgen zum Tanzplatz auf den Berg. Dorten werde ich dich viele höllische Künste lehren und du wirst in meinem Dienste stehen!« Ehe die kostümierten Frauen sichs versahen, lief Irmel schon wild schreiend um ihr Leben über Stock und Stein durch den finsteren Wald. An dieser Stelle wäre die Geschichte auch schon zu Ende gewesen und Irmel wäre einfach nie wieder in ihrem Leben allein in den Wald gegangen, wenn das Erlebte das Mädchen nicht vollkommen verändert hätte. Ihren Hilferuf »Jesus, stehe mir bei« hatte sie absolut ernst gemeint und offenbar war ihr geholfen worden. Wie durch ein Wunder hatte sie sich über Nacht in eine unerbittliche und zu anderen Lebensansichten unduldsame Anhängerin des christlichen Glaubens verwandelt. Am nächsten Morgen pöbelte eine aufgebrachte Menge vor Gerlindes Haus. Sie verriegelte alle Türen und saß mit ihrer Tochter mucksmäuschenstill in der Schlafstube auf dem Bett. Draußen tobte der Mob. Am lautesten klang die Stimme von Irmel: »So sage ich euch, sie ist eine Hexe! Ich habe es selbst erlebt. Sie verwandelt sich nachts in eine Katze mit gelb leuchtenden Augen und überfällt fromme Jungfrauen im Wald. Mit List versucht sie, ihre Opfer von dem Weg der Tugend abzubringen. Mit höllischem Zauber bringt sie die ahnungslosen Mädchen zum Hexentanzplatz und macht sie selbst zu Hexen. In der Hölle soll sie schmoren!« »Ja … Ja … Ja…«, ging ein zustimmendes Raunen durch die Reihen der Versammelten. »Sie soll stattdessen schon auf Erden brennen!«, brüllte eine empörte Männerstimme aus dem Getümmel. »Fürwahr!«, unterstützte eine ärmlich aussehende Frau kreischend den Vorschlag. »Hexen sollen brennen! Ja!« »Ja, ja, ja«, echote es aus allen Richtungen. »Dieses hässliche Zauberweib kann es nicht mehr leugnen«, fuhr Irmel voller Eifer mit ihrer Geschichte fort, »sie ist eine wahrhaftige Hexe und steht mit dem Teufel im Bunde! Wie kann man sonst erklären, dass sie den Schlag gegen den Felsen überlebte? Herr unser Jesus ließ gestern Nacht eine wundersame unsichtbare Kraft diese Gerlinde in die Lüfte heben und gegen den Fels schleudern. Ich habe es gesehen! Sie müsste jetzt tot sein nach dem Aufprall, aber sie lebt. Da muss der Teufel die Finger im Spiel gehabt haben! Wollt ihr alle, dass sie auch weiterhin eure Töchter mit ihrem Zaubertrank vergiftet und den Teufelsglauben in unserer christlichen Gemeinde verbreitet? Wollt ihr das? »Nein, nein, nein!« Die Menschenmenge wogte zornig auf.
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KurzinhaltWolfgang Breitscheid, ein Handelsreisender in Sachen Wein aus Hannover, findet sich plötzlich in der Zeit des Spätmittelalters wieder, während er eine ungeplante Verkaufsreise in den Harz unternimmt. Sein neuer Bekannter, ein Schriftsteller namens Richard Knöpfle, besitzt diese Fähigkeit nicht, aber während er nach dem unerwartet verschwundenen Weinvertreter sucht, stößt er auf eine Zusammenkunft von Rechtsradikalen aus Jena, die im Harz ein Hexenfeuerfest feiern. Derweil sich Richard mit der arischen Vereinigung auseinandersetzt, macht Wolfgang Bekanntschaft mit der Heiligen Inquisition. Es kommt zu einer entscheidenden Schlacht zwischen Gut & Böse und das Edle gewinnt – vorerst, denn das Übel ist nur schwer zu besiegen.Über den Autor
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