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Der Brockenwicht: Seite 91
Jaja! Von wegen auf den rechten Weg, dachte ich mir im Stillen. Sicher, man konnte es auch Nacht werden lassen, wenn man jemanden in die Irre führen wollte, um ihm ein Versprechen abzuverlangen. Der Mann war erstaunlich gut informiert, und ich glaubte, ich wusste nun, wohin die Reise ging und auf welchem Wege er gleich zu seinem Angebot kommen würde, das ich seiner Ansicht nach nicht hätte ablehnen können. Ich versuchte krampfhaft, einen Vorwand zu finden, um hier schleunigst zu verschwinden, ohne den Mann zu Wort kommen zu lassen. Doch vergebens, er hatte meine Frau bereits in ein Gespräch verwickelt. »Nacht?«, fragte sie verwundert. »Aber wir …« »Gewiss«, fuhr der Mann unbeeindruckt fort. »Hat denn Ihr Mann Ihnen nichts von seiner Irrfahrt erzählt?« Er sah mich aus den Augenwinkeln an. Geli machte einen etwas verstörten Eindruck: »Ähm … doch … aber …«, gab sie von sich und richtete ihren hilfesuchenden Blick auf mich. »Ja, ich wünsche Ihnen auch einen guten Tag«, sagte ich betont trocken, denn begrüßt hatte uns der Typ bis jetzt nicht. »Ja, ich grüße Sie auch, Entschuldigung. Aber wenn man sich vorhin schon gesehen hat …« »Haben wir das?«, spielte ich den Dummen. Irgendwie musste ich ihn aus dem Konzept bringen. »Aber sicher doch, gnädiger Herr.« Er ließ sich nicht beirren. »Wie sind Sie mit Vornamen?« »Und Sie?«, entgegnete ich unverzüglich. Irgendwie musste ich diese Unterhaltung umdrehen und derjenige werden, der Fragen stellte, auf die mein Gegenüber Antworten suchte, und nicht anders herum.
(?)
»Wie ich sehe, hat Ihnen der Ausflug nicht so gut gefallen wie Ihrer Frau«, wich er abermals meiner Frage aus. »Doch«, änderte ich meine Taktik, »insbesondere das Brockenmuseum hat mich sehr beeindruckt. Sie waren ja auch dort, nicht wahr? Jetzt kann ich mich auch an Sie erinnern, wie Sie einige Coronaleugner angefeuert haben. Haben Sie eigentlich nicht einen Hut getragen? Wissen Sie, so einen ledernen Cowb…« »Ja«, unterbrach er mich, »stimmt, einen Westernhut. Den habe ich dummerweise oben liegen lassen, als ich hierher gerufen wurde.« Endlich hatte ich den Mann so weit gebracht, dass er sich schon fast rechtfertigen musste für den Verlust seiner Kopfbedeckung. Er sprach währenddessen weiter: »Es ist übrigens ein sehr wertvoller Hut. Auf der Innenseite steht sogar mein Name und meine Telefonnummer, für den Fall, dass ich ihn verlieren sollte wie heute! Aber mein Kollege passt auf den Hut auf, er hat mich schon vorhin informiert. Ich muss eher gleich noch mal nach oben, dann habe ich ihn wieder.« »Was ist denn an dem Hut so besonders?«, meldete sich meine Frau erneut zu Wort. Während ich sie noch vor einigen Minuten für ihre unverhältnismäßige Kontaktfreudigkeit in Stücke hätte reißen können, war ich ihr jetzt unermesslich dankbar für ihre direkte, naive Art. Mir waren nämlich die Fragen ausgegangen und ich wusste nicht mehr, mit welchem Thema ich den unliebsamen Kameraden beschäftigen und von seiner Aufgabe ablenken konnte. Er sollte doch lieber noch ein bisschen etwas über seinen verdammten Hut erzählen, während ich mich mit einer Lösung für unser Problem beschäftigen konnte! Und tatsächlich, der Teufelsjünger fing an, eine unendlich lange Geschichte vorzutragen, wie er in den Genuss eines individuellen Westernhutes gekommen war. Er berichtete etwas von dunklen, dichten Wäldern in den kanadischen Rocky Mountains, wo er eine Art Lehre bei einem dubiosen Einsiedler gemacht hatte, der in einer abgelegenen Hütte in den Bergen hauste und das Hutmacherhandwerk beherrschte – vermutlich irgendein Hexenmeister oder ein weiterer Mephistopheles aus der Neuen Welt. Ob seine Kollegen, die ausnahmslos ähnliche Hüte trugen, ebenfalls eine Lehre bei dem einsamen Hexer in der kanadischen Wildnis absolviert hatten? Und wie kamen sie alle zu ihren sehr bemerkenswerten Regenmänteln?
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KurzinhaltDie Welt des Guten und die Welt des Bösen. Wo liegt die Grenze, die dazwischen verläuft? Gibt es sie überhaupt oder ist es ein und dieselbe Welt, zwei Wirklichkeiten, die miteinander zu einer verschmolzen sind, wo sich die Realitäten überlagern und wie unsichtbare Zahnräder ineinandergreifen? Oder gibt es ein mysteriöses Portal, durch das man aus einer Welt in die andere gelangen kann? Wenn es wahr ist, so muss es irgendwo auf dem Blocksberg im Harzgebirge liegen, denn mindestens einmal im Jahr öffnet sich das geheimnisvolle Tor in die Unterwelt und der Fürst der Finsternis übernimmt die Macht auf dem sagenumwobenen Brocken. Ein Mann durchlebt während seiner Wanderung auf dem Heinrich-Heine-Weg im Harz die Walpurgisnacht aus Goethes Faust auf seine eigene Art. Ein seltsamer Kobold, ein durch seine Vorstellungskraft entstandenes Fabelwesen, begleitet ihn als treuer Beschützer auf seinem beschwerlichen Weg. Der Wanderer begegnet Leuten, die er nur flüchtig kannte oder schon seit Jahrzehnten nicht mehr sah. Sie scheinen aber alle nicht mehr von dieser Welt zu sein und sind aus irgendeinem Grund alle wieder da, um an der teuflischen Aufführung teilzunehmen. Er trifft auf bizarre Wesen, die nur der Hölle entsprungen sein können. Hexen kreisen in Scharen über seinem Kopf und schließlich bringt ihn der Höllenfürst dazu, einen Pakt mit ihm zu schließen, der noch ein langes Nachspiel haben wird, in das einige Unbeteiligte wie in einen Strudel des Verderbens mit hineingezogen werden. Es scheint zuweilen alles Fantasie zu sein, aber wer weiß: Vielleicht ist auch etwas Wahres dran?Über den Autor
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