Logo Leseecke
OPEN DIGITAL LITERATURE PROJECT
Der Brockenwicht: Seite 73

»Konntest du nicht warten, bis wir oben sind?«, brüllte ich wie von allen guten Geistern verlassen zum Gipfel hinauf.

Es war mir selbst nicht ganz klar, an wen ich mich mit meiner Frage gewandt hatte. An Gott? An den Teufel? An den Berg? Ich vermutete, an keinen davon, denn ich wusste nicht einmal genau, wo sich der Berggipfel aktuell befand, jeder Anhaltspunkt war in den Regenfluten untergegangen, und die beiden anderen Figuren waren gegenwärtig auch nicht anwesend. Ich nahm eher an, dass ich unbewusst nur etwas Dampf hatte ablassen wollen, der angestauten Wut freien Lauf geben. Wut über was oder über wen? Das wusste ich nicht, ich wusste nur, dass eine enorme Last des Zorns mein Gemüt beschwerte. Wahrscheinlich war der innerliche Druck, der sich durch die in den letzten Stunden erlebten Dinge aufgebaut hatte, zu hoch geworden.

Angelina trat dicht an mich heran und schrie mir fast ins Ohr: »Wohin sollen wir jetzt gehen?« Sie konnte manchmal sehr humorvoll sein.

Sie deutete mit ihren Augen, ohne ein Wort zu sagen, auf den Pfosten mit den Wegweisern, der hinter ihr an der Kreuzung stand, und wandte mir den Rücken zu, damit der Regen ihr nicht direkt ins Gesicht spritzte. Der Umstand, dass sie einen neuen, erst vor Kurzem gekauften Regenmantel trug, brachte ihr keinen wesentlichen Vorteil mir gegenüber, sie sah ebenfalls aus wie ein nasser Pudel. Regendurchtränkte Haarsträhnen lagen ihr im Gesicht trotz der übergezogenen Kapuze.

»Wohin sollen wir denn jetzt noch gehen?«, schrie ich genervt zurück. »Wir brauchen einen Unterschlupf, verdammt noch mal!«

Ich schwieg und sah mich hilflos um.

»Da!« Ich zog sie am Ärmel. »Komm, wir können uns wenigstens dort drunterstellen.«

(?)
Leseecke Schließen
Lesezeichen setzen
 
Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Roman von Nikolaus Warkentin
»Jetzt lesen

Ich hatte gerade eine Infotafel an der Kreuzung entdeckt, die ein fünfzehn Zentimeter tiefes Vordächlein hatte. Es war nicht die Welt, aber immerhin etwas. Außerdem stand die Tafel so günstig, dass sie uns vor den seitlichen Regengüssen und Windstößen schützen konnte. Es war die letzte Tafel auf dem Heinrich-Heine-Weg und markierte das Ziel der Wanderung – den vielbesungenen Brocken. Das angeführte Zitat aus der Harzreise lautete dahingehend, dass uns alles beim ersten Hinabschauen vom Brocken in hohem Grade wunderbar erscheine und alle Seiten unseres Geistes neue Eindrücke empfangen. »Ach, Harry«, dachte ich erschöpft und entnervt, »lass es doch mal gut sein. Wir können ja später noch mal reden, wenn wir aus dem Irrenhaus hier raus sind.«

Es schüttete wie aus Kübeln. Immer weiter, kein Ende war in Sicht. Ich dankte von Herzen dem Schicksal und insbesondere der Verwaltung des Nationalparks dafür, dass sie diese Infotafel genau an dieser Kreuzung hatte aufstellen lassen. Wahrlich, ich meinte es ohne jeden ironischen Unterton, denn es war weit und breit die einzige Möglichkeit, sich der rauen Naturgewalt nicht restlos ausgeliefert zu fühlen. Die Möglichkeit, die Angelina stillschweigend vorgeschlagen hatte, indem sie mir die Wegweiser zeigte, zog ich nicht in Betracht. Sich während dieses Weltuntergangs nach oben zu begeben und nach dem Brockenhaus zu suchen, kam einem sicheren Tode gleich, es war keine Option. Wir harrten lieber aus wie zwei nassgespritzte Vögelchen unter dem hölzernen Überhang und hofften auf bessere Zeiten. Obgleich man die These noch etwas relativieren musste, aber im Großen und Ganzen ließ es sich hinter der Tafel einigermaßen aushalten. Ärgerlich war nur, dass die Bretter der Tafel nicht bis zum Boden reichten! Während der Oberkörper nur zum Teil dem Unwetter ausgesetzt war und überwiegend nur Spuren der anfänglichen Wasserattacken trug, hatte sich jedes Kleidungsstück von der Gürtellinie abwärts so mit Wasser vollgesogen, dass man sie alle hätte auswringen können. Es war Pech. Man konnte halt nicht alles haben. Noch eine Zeit lang erfüllte sich die Gegend mit meinem wilden Gebrüll jedes Mal, wenn die nächste Sturmböe ihren Wasserwerfer in Position brachte, um einen eiskalten Strahl auf meine Beine zu richten. Zum Glück gingen alle Verwünschungen der übelsten Art unter im heulenden Wind, nur Geli stand verwundert da und sah mich an mit großen Augen wie einen Irrsinnigen.

»Übrigens«, bemerkte ich sarkastisch, nachdem das Getöse nachgelassen und ich mich etwas beruhigt hatte, »vielen herzlichen Dank, dass du meine Lieblingsregenjacke aufgehoben hast. Ich habe sie schon vermisst, weißt du! Gott sei Dank, sonst wäre ich jetzt bis zur letzten Faser der Unterhose nass. Dafür könnte ich dir gleich einen dicken Schmatzer geben!«

| Seite 73 von 130 |

Günstige Downloads für Ihr Gerät

Der Brockenwicht
PDF
Titel: Der Brockenwicht
PDF Dokument: Format A5, 298 Seiten, Dateigröße 4.178 KB, Ausgeführte Dowloads 0, PDF-Reader zum Lesen erforderlich! Auch zum Lesen im Ebook-Reader geeignet
5,99 € N/A
Der Brockenwicht
EPUB
Titel: Der Brockenwicht
E-Book im ePub-Format: Anzahl Seiten deviceabhängig, Dateigröße 650 KB, deviceübergreifend optimiert, Ausgeführte Dowloads 0, e-Book Reader zum Lesen erforderlich!
5,99 € »Epubli Verlag
Der Brockenwicht Titel: Der Brockenwicht
Jetzt eine Printausgabe bestellen! Sie werden gleich auf die Seite des Verlages weitergeleitet, wo Sie Ihr Exemplar bequem erwerben können.
14,99 € »Epubli Verlag

Diese Seite weiterempfehlen

»Link an Freunde senden
Der Brockenwicht von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Die Welt des Guten und die Welt des Bösen. Wo liegt die Grenze, die dazwischen verläuft? Gibt es sie überhaupt oder ist es ein und dieselbe Welt, zwei Wirklichkeiten, die miteinander zu einer verschmolzen sind, wo sich die Realitäten überlagern und wie unsichtbare Zahnräder ineinandergreifen? Oder gibt es ein mysteriöses Portal, durch das man aus einer Welt in die andere gelangen kann? Wenn es wahr ist, so muss es irgendwo auf dem Blocksberg im Harzgebirge liegen, denn mindestens einmal im Jahr öffnet sich das geheimnisvolle Tor in die Unterwelt und der Fürst der Finsternis übernimmt die Macht auf dem sagenumwobenen Brocken. Ein Mann durchlebt während seiner Wanderung auf dem Heinrich-Heine-Weg im Harz die Walpurgisnacht aus Goethes Faust auf seine eigene Art. Ein seltsamer Kobold, ein durch seine Vorstellungskraft entstandenes Fabelwesen, begleitet ihn als treuer Beschützer auf seinem beschwerlichen Weg. Der Wanderer begegnet Leuten, die er nur flüchtig kannte oder schon seit Jahrzehnten nicht mehr sah. Sie scheinen aber alle nicht mehr von dieser Welt zu sein und sind aus irgendeinem Grund alle wieder da, um an der teuflischen Aufführung teilzunehmen. Er trifft auf bizarre Wesen, die nur der Hölle entsprungen sein können. Hexen kreisen in Scharen über seinem Kopf und schließlich bringt ihn der Höllenfürst dazu, einen Pakt mit ihm zu schließen, der noch ein langes Nachspiel haben wird, in das einige Unbeteiligte wie in einen Strudel des Verderbens mit hineingezogen werden. Es scheint zuweilen alles Fantasie zu sein, aber wer weiß: Vielleicht ist auch etwas Wahres dran?
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 9.844
Online Seiten: 130
PDF Downloads: 0
PDF Seiten: 298
EPUB Downloads: 0
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 495535
Druckwörter: 91448
Buchseiten: 384
Erschienen: July 2022

Ihre Spende ist willkommen!

Wir stellen Ihnen gerne alle Inhalte unserer Webseite kostenlos zur Verfügung. Sie können die Werke auch in der E-Book-Version jederzeit herunterladen und auf Ihren Geräten speichern. Gefallen Ihnen die Beiträge? Sie können sie alle auch weiterhin ohne Einschränkungen lesen, aber wir hätten auch nicht das Geringste dagegen, wenn Sie sich bei den Autoren und Autorinnen mit einer kleinen Zuwendung bedanken möchten. Rufen Sie ein Werk des Autors auf, an den Sie die Zuwendung senden wollen, damit Ihre Großzügigkeit ihm zugutekommt.
Tragen Sie einfach den gewünschten Betrag ein und drücken Sie auf "jetzt spenden". Sie werden anschließend auf die Seite von PayPal weitergeleitet, wo Sie das Geld an uns senden können. Vielen herzlichen Dank!

Diese Seite weiterempfehlen

»Link an Freunde senden
Kreisende Punkte
Leseecke Schließen