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Der Brockenwicht: Seite 63

Ich hatte mich am Lagerfeuer etwas erholt und setzte meinen Aufstieg guter Dinge fort. Allerdings begriff ich schon nach den ersten zehn Schritten, dass ich ohne Wanderstöcke nach wie vor nicht sehr weit kommen würde. Das Gefälle war immer noch viel zu steil für mich. Ein gewisses Problem zeichnete sich ab: Eine Hand brauchte ich, um das Telefon zu halten und auf den Weg zu leuchten. Ich versuchte mich zu behelfen, indem ich das Smartphone in meine Brusttasche steckte, sodass das obere Ende mit der Lampe nach vorn zeigte. Doch dann konnte ich kaum erkennen, wohin ich mit den Füßen trat. Schicksal, beschloss ich. Man konnte nichts dagegen machen, dafür konnte man aber ein paar Meter weiter sehen. Apropos weiter sehen, fiel es mir plötzlich ein, es hätte vielleicht außerordentlich wichtig werden können, denn ich wusste nicht, ob der Betonplattenweg immer noch wie ein schützender Tunnel gegen die Bestien funktionierte oder möglicherweise diese Eigenschaft verloren hatte, seitdem die Platten nicht mehr phosphoreszierten.

Kaum hatte ich meinen Gedanken zu Ende gedacht, vernahm ich von vorne ein klackendes Geräusch, als wenn man einen harten Gegenstand auf eine metallische Oberfläche legen würde. Ich blieb sofort stehen, schaltete das Licht aus und hörte in die Dunkelheit hinein. Das Geräusch wiederholte sich. Was zum Himmel …? Nein, Zerbolte konnten es nicht sein, ich sah keine rot leuchtenden Augen und das mir schon bekannte Grunzen und Schmatzen fehlte. Ich machte das Licht wieder an und bemerkte im schwachen Schein der Handylampe eine schattenhafte Figur links neben dem Weg, keine zehn Meter von mir entfernt. Sie trug einen spitzen Hexenhut! Bitte, nicht schon wieder, flehte ich innerlich das Schicksal an! Noch eine Vergewaltigungsszene würde ich nicht verkraften.

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Das Geheimnis des vernebelten Passes

Das Geheimnis des vernebelten Passes

Reiseroman von Nikolaus Warkentin
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Meine Befürchtungen erwiesen sich aber umso mehr unbegründet, je näher ich zu der Hexe kam und mir immer klarer wurde, dass nicht einmal die Bestien ein Gefallen an ihren Reizen gefunden hätten. Es war ein altes verlumptes Hexenweib mit runzeligem Gesicht und zahnlosem Mund, das hier neben dem Weg ihren Krempel zum Kauf anbot. Sie hatte sich auf dem Eisernen Tisch einen Verkaufsstand eingerichtet und ihre Ware ausgelegt. Ich gewann immer mehr den Eindruck, dass die Hexen, die sich in der Dunkelheit entlang des Weges herumschlichen, entweder ausgestoßen waren oder etwas anderes mit ihnen nicht stimmte, jedenfalls flößte sie mir keine Furcht ein, mehr noch: Ich empfand so etwas wie Mitleid mit ihr.

 

»Geht doch nicht einfach so vorbei,

Ihr edler Herr! So mancherlei,

Was nützlich ist für Euch gewiss,

Liegt auf dem Tisch – Schluss mit Beschiss!«,

 

sprach die jämmerliche Vettel wieder in Jamben und lächelte mich voller heuchlerischer List an, als ich mit ihr auf gleicher Höhe war.

»Wer bist du denn wieder?«, tat ich ahnungslos und richtete das Licht auf den Eisernen Tisch.

Meine bisherige Annahme, dass sie nur Trödel im Angebot hatte, stimmte hinten und vorne nicht. Ich glaubte sogar, dass Leute, die heute noch den Namen von Goethe trugen oder sonst irgendwie zu Johann Wolfgang in einem Verwandtschaftsverhältnis standen, die Walpurgisnachtszene – insbesondere den Abschnitt mit der Trödelhexe – am besten hätten umschreiben lassen sollen von literarisch begabten Zeitgenossen, denn das, was ich auf dem Tisch sah, war erstklassige elektronische Ware!

 

»Ich kaufe dies, verkaufe das,

Der Handel macht 'n Riesenspaß.

Schaut! Hier – die neuesten Modelle,

Die ich für Wanderer empfehle!«

 

Sie nahm eines der Smartphones vom Tisch, bei dem von der Berührung gleich der Bildschirm anging, und zeigte es mir. Es war absolut neu, soweit ich es beurteilen konnte. Wenn überhaupt, dann war es nur wenige Wochen in Betrieb gewesen.

 

»So greift doch zu, o guter Herr.

Die Chance bietet sich nicht mehr!

Und zweifelt nicht, der Tipp ist heiß,

'ne runde Null beträgt der Preis!«

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Der Brockenwicht von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Die Welt des Guten und die Welt des Bösen. Wo liegt die Grenze, die dazwischen verläuft? Gibt es sie überhaupt oder ist es ein und dieselbe Welt, zwei Wirklichkeiten, die miteinander zu einer verschmolzen sind, wo sich die Realitäten überlagern und wie unsichtbare Zahnräder ineinandergreifen? Oder gibt es ein mysteriöses Portal, durch das man aus einer Welt in die andere gelangen kann? Wenn es wahr ist, so muss es irgendwo auf dem Blocksberg im Harzgebirge liegen, denn mindestens einmal im Jahr öffnet sich das geheimnisvolle Tor in die Unterwelt und der Fürst der Finsternis übernimmt die Macht auf dem sagenumwobenen Brocken. Ein Mann durchlebt während seiner Wanderung auf dem Heinrich-Heine-Weg im Harz die Walpurgisnacht aus Goethes Faust auf seine eigene Art. Ein seltsamer Kobold, ein durch seine Vorstellungskraft entstandenes Fabelwesen, begleitet ihn als treuer Beschützer auf seinem beschwerlichen Weg. Der Wanderer begegnet Leuten, die er nur flüchtig kannte oder schon seit Jahrzehnten nicht mehr sah. Sie scheinen aber alle nicht mehr von dieser Welt zu sein und sind aus irgendeinem Grund alle wieder da, um an der teuflischen Aufführung teilzunehmen. Er trifft auf bizarre Wesen, die nur der Hölle entsprungen sein können. Hexen kreisen in Scharen über seinem Kopf und schließlich bringt ihn der Höllenfürst dazu, einen Pakt mit ihm zu schließen, der noch ein langes Nachspiel haben wird, in das einige Unbeteiligte wie in einen Strudel des Verderbens mit hineingezogen werden. Es scheint zuweilen alles Fantasie zu sein, aber wer weiß: Vielleicht ist auch etwas Wahres dran?
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 9.844
Online Seiten: 130
PDF Downloads: 0
PDF Seiten: 298
EPUB Downloads: 0
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 495535
Druckwörter: 91448
Buchseiten: 384
Erschienen: July 2022

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