Logo Leseecke
OPEN DIGITAL LITERATURE PROJECT
Der Brockenwicht: Seite 14

Das Rauschen der schäumenden Ilse wurde immer vernehmlicher, während wir durch den Wald schritten, und es dauerte nicht allzu lange, bis sich der Wanderweg wieder zu ihr gesellte und beide Hand in Hand miteinander dem Verlauf einer engen Schlucht nach oben folgten. Wir hatten die unteren Ilsefälle erreicht, darüber informierte eine Tafel, die wir in Augenschein nahmen, nachdem wir über eine hölzerne Brücke den Wasserlauf gequert hatten und auf einem geräumigen Platz stehen geblieben waren. Wir legten die Rucksäcke ab und machten unsere erste Rast. Bereits über eine Stunde waren wir auf dem immer steiler werdenden Pfad gewandert, die Beine brauchten etwas Erholung und wir hatten Durst. Die Brücke befand sich unterhalb der letzten Kaskade, die die Ilse auf ihrem Weg nach unten überwinden musste, und ein atemberaubendes Bild bot sich unseren Blicken, während wir am Geländer der Brücke standen, die schon eine dünne Schicht Moos angesetzt hatte, und dem Naturschauspiel zusahen.

Riesige Felsbrocken, die einst von den steilen Wänden der Schlucht abgebrochen und nach unten gerutscht waren, versperrten dem Wasser den Weg. Es staute sich vor dem Hindernis, schäumte unzufrieden auf und forderte zornig aufbrausend sein Recht auf Durchlass ein! Die Fluten suchten verzweifelt nach einem Ausweg, drangen in jede kleine Ritze zwischen den Steinen ein und spritzten auf der anderen Seite des natürlichen Wehrs fröhlich heraus, glücklich über die wiedererlangte Freiheit. Doch es war der wilden Ilse noch nicht genug! Sie tastete sich zunächst langsam und vorsichtig an den Felswänden der Schlucht entlang, bis sie endlich am linken Ufer eine Lücke in den Steinen entdeckte und sich mit aller Gewalt in einer tosenden Schnelle auf die tiefer liegenden Felsen ergoss. Die Prinzessin zischte und spritzte launisch um sich. Sie ließ das Wasser wie in einem Kessel brodeln, empört über die unerhörte Dreistigkeit der frechen Steine, die es gewagt hatten, sie in die Enge zu treiben, beruhigte sich aber bald, um schon im nächsten Augenblick friedlich wie ein artiges Mädchen weiter nach unten zu rauschen.

(?)
Leseecke Schließen
Lesezeichen setzen
 
Das Geheimnis des vernebelten Passes

Das Geheimnis des vernebelten Passes

Reiseroman von Nikolaus Warkentin
»Jetzt lesen

»Yippie!«, übertönte plötzlich ein Jubelschrei das Getöse des Wasserfalls. Das nahende Rascheln der Schottersteine auf dem Forstweg, der uns an den Ilsefällen eingeholt hatte, wurde hörbar, bevor von oben ein Dreiradgespann die Straße heruntergebrettert kam. Die Insassen des merkwürdigen Gefährts genossen sichtlich den straffen Fahrtwind, als sie auf ihrer halsbrecherischen Abfahrt an der Brücke vorbeisausten. »Yippie!«, hörte ich noch einmal von unten, während ich einen weiteren Radler auf einem herkömmlichen Fahrrad beobachtete, der ihnen mit einem Abstand folgte. Er winkte uns freudig zu und verschwand ebenfalls mit einer mörderischen Geschwindigkeit unten auf der Schotterpiste.

»Was war das?«, fragte meine Frau verwundert.

»Lebenszeichen«, antwortete ich spöttisch, nachdem ich die Wasserflasche abgesetzt hatte. »Ein Zeichen, dass wir nicht alleine sind. Die Leute sind wach geworden, bald bekommen wir garantiert Gesellschaft.«

»Und woher kamen sie gerade?«

»Keine Ahnung, vielleicht vom Brocken? Vielleicht gibt es da einen Fahrradverleih – für eine rasante Abfahrt, damit die Hexen dich nicht kriegen«, witzelte ich weiter.

»Und wie kamen sie nach oben?«

Ich atmete geräuschvoll aus genervt von den vielen Fragen, auf die ich keine Antworten hatte, und sagte: »Weiß die Hexe! Sie sind die ganze Nacht durchgewandert, huckepack mit ihren Rädern! Woher soll ich das wissen? Außerdem gibt es noch eine Bimmelbahn zum Brocken. Vielleicht haben sie heute Morgen den ersten Zug genommen. Da kann man übrigens auch Fahrräder mitnehmen!«

»Einen Zug? Es gibt einen Zug und du hast mir nichts davon gesagt?«

»Was soll ich dir denn groß davon erzählen? Wir sind hier zum Wandern und nicht, um mit der Bahn zu fahren!«

»Aber eine Fahrt mit der Bimmelbahn möchte ich auch gerne machen«, blieb Geli hart. »Das möchte ich immer, das weißt du auch!«

Das stimmte allerdings. Für nichts anderes war sie im Urlaub einfacher zu haben, als für einen Ausflug mit der Bimmelbahn, egal wohin die Reise ging, auch wenn es nur eine Stadtrundfahrt war. Alternativ standen auch Ausflugsbötchen ganz hoch im Kurs, wenn der Ort zufällig an einem Gewässer lag und die Stadtväter es versäumt hatten, Schmalspurgleise durch die Straßen zu verlegen!

»Aber nicht heute! Heute sind wir zum Wandern hier!«, konterte ich.

»Wir haben noch Zeit bis Freitag, das schaffen wir noch«, gab sie unbeeindruckt zurück.

| Seite 14 von 130 |

Günstige Downloads für Ihr Gerät

Der Brockenwicht
PDF
Titel: Der Brockenwicht
PDF Dokument: Format A5, 298 Seiten, Dateigröße 4.178 KB, Ausgeführte Dowloads 0, PDF-Reader zum Lesen erforderlich! Auch zum Lesen im Ebook-Reader geeignet
5,99 € N/A
Der Brockenwicht
EPUB
Titel: Der Brockenwicht
E-Book im ePub-Format: Anzahl Seiten deviceabhängig, Dateigröße 650 KB, deviceübergreifend optimiert, Ausgeführte Dowloads 0, e-Book Reader zum Lesen erforderlich!
5,99 € »Epubli Verlag
Der Brockenwicht Titel: Der Brockenwicht
Jetzt eine Printausgabe bestellen! Sie werden gleich auf die Seite des Verlages weitergeleitet, wo Sie Ihr Exemplar bequem erwerben können.
14,99 € »Epubli Verlag

Diese Seite weiterempfehlen

»Link an Freunde senden
Der Brockenwicht von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Die Welt des Guten und die Welt des Bösen. Wo liegt die Grenze, die dazwischen verläuft? Gibt es sie überhaupt oder ist es ein und dieselbe Welt, zwei Wirklichkeiten, die miteinander zu einer verschmolzen sind, wo sich die Realitäten überlagern und wie unsichtbare Zahnräder ineinandergreifen? Oder gibt es ein mysteriöses Portal, durch das man aus einer Welt in die andere gelangen kann? Wenn es wahr ist, so muss es irgendwo auf dem Blocksberg im Harzgebirge liegen, denn mindestens einmal im Jahr öffnet sich das geheimnisvolle Tor in die Unterwelt und der Fürst der Finsternis übernimmt die Macht auf dem sagenumwobenen Brocken. Ein Mann durchlebt während seiner Wanderung auf dem Heinrich-Heine-Weg im Harz die Walpurgisnacht aus Goethes Faust auf seine eigene Art. Ein seltsamer Kobold, ein durch seine Vorstellungskraft entstandenes Fabelwesen, begleitet ihn als treuer Beschützer auf seinem beschwerlichen Weg. Der Wanderer begegnet Leuten, die er nur flüchtig kannte oder schon seit Jahrzehnten nicht mehr sah. Sie scheinen aber alle nicht mehr von dieser Welt zu sein und sind aus irgendeinem Grund alle wieder da, um an der teuflischen Aufführung teilzunehmen. Er trifft auf bizarre Wesen, die nur der Hölle entsprungen sein können. Hexen kreisen in Scharen über seinem Kopf und schließlich bringt ihn der Höllenfürst dazu, einen Pakt mit ihm zu schließen, der noch ein langes Nachspiel haben wird, in das einige Unbeteiligte wie in einen Strudel des Verderbens mit hineingezogen werden. Es scheint zuweilen alles Fantasie zu sein, aber wer weiß: Vielleicht ist auch etwas Wahres dran?
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 9.819
Online Seiten: 130
PDF Downloads: 0
PDF Seiten: 298
EPUB Downloads: 0
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 495535
Druckwörter: 91448
Buchseiten: 384
Erschienen: July 2022

Ihre Spende ist willkommen!

Wir stellen Ihnen gerne alle Inhalte unserer Webseite kostenlos zur Verfügung. Sie können die Werke auch in der E-Book-Version jederzeit herunterladen und auf Ihren Geräten speichern. Gefallen Ihnen die Beiträge? Sie können sie alle auch weiterhin ohne Einschränkungen lesen, aber wir hätten auch nicht das Geringste dagegen, wenn Sie sich bei den Autoren und Autorinnen mit einer kleinen Zuwendung bedanken möchten. Rufen Sie ein Werk des Autors auf, an den Sie die Zuwendung senden wollen, damit Ihre Großzügigkeit ihm zugutekommt.
Tragen Sie einfach den gewünschten Betrag ein und drücken Sie auf "jetzt spenden". Sie werden anschließend auf die Seite von PayPal weitergeleitet, wo Sie das Geld an uns senden können. Vielen herzlichen Dank!

Diese Seite weiterempfehlen

»Link an Freunde senden
Kreisende Punkte
Leseecke Schließen