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Der Brockenwicht: Seite 125
»Von Blocksberg! Nichts wie weg hier! Ich habe genug von dem ganzen Mist! Sie haben uns wieder gefunden. Schalte bitte dein Telefon aus!« Sie folgte meiner Aufforderung. Wie ein Wirbelsturm fegte ich über die Eckerbrücke, nachdem ich unter Missachtung aller Vorfahrtsregeln wieder auf die Hauptstraße hinausgekommen war. Die ehemaligen Grenzer beider Seiten hatten unglaubliches Glück gehabt, dass sich diese Szene nicht schon zu ihrer Zeit abgespielt hatte, sie wären vermutlich alle überfahren worden. »Also«, sagte meine Frau mit zweifelndem Unterton in der Stimme, während wir uns im halsbrecherischen Tempo von Stapelburg entfernten, »ich habe kein Auto gesehen und auch keinen Mann im Regenmantel. Bist du sicher?« »Ich weiß gar nicht mehr, was ich denken soll! Ich will einfach nach Hause!« Für Angelinas Theorie sprach natürlich die Tatsache, dass ich auf dem beinahe schnurgeraden Straßenabschnitt zwischen Stapelburg und Bad Harzburg hinter uns keine Autos fahren sah. Die Straße war leer. Ich entschloss mich dennoch zu einer letzten waghalsigen Aktion. Ich wusste, dass auf der Strecke eine Baustelle eingerichtet war. Nur eine Fahrbahn stand zur Verfügung und die Autofahrer mussten sich vor einer Ampel am Anfang der Baustelle gedulden, solange der Gegenverkehr Grün hatte. Was wäre gewesen, wenn ich schon einige Sekunden, nachdem die Ampel auf Rot gesprungen war, in die Baustelle fuhr? So schnell sprang die Ampel am gegenüberliegenden Ende nicht auf Grün, dass ich es nicht schaffen würde, aus der Baustelle heil hinauszukommen. Wenn von Blocksberg hinter uns war, hätte er den Gegenverkehr abwarten müssen und ich hätte einen gewaltigen Zeitvorsprung gewonnen, um mich in Bad Harzburg in Sicherheit zu bringen. Um unbeobachtet in unsere Straße abzubiegen, die nicht weit vom Ortsrand lag, hätte es allemal gereicht. Sicher war sicher. Die aufgebrachten Autofahrer am anderen Ende signalisierten mir mit unmissverständlichen Handzeichen und Lichthupen ihre äußerst abneigende Haltung gegenüber meiner grenzenlosen Dummheit und bodenlosen Frechheit. Aber es ließ mich kalt, Hauptsache, ich war durch und wer immer mich verfolgt haben mochte, steckte fest.
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Das gelbe Ortsschild flog am Auto vorbei und verschwand hinter der Kurve. Da war schon die langersehnte Kreuzung, ich konnte sie von Weitem sehen. Jetzt auf die linke Abbiegespur. »Komm, Mann, mach jetzt schnell!« Musste es sein, dass in diesem Moment noch jemand entgegenkam? »Na endlich! Ja, genau so!« Jetzt noch fünfzig Meter und dann schnell auf den Parkplatz des Supermarktes. Er lag günstig – von der Hauptstraße nicht einsehbar. Wunderbar! Ich donnerte über den Bordstein und versetzte ahnungslose Leute, die noch ihre Einkäufe erledigten, in Angst und Schrecken. Sie spritzten in alle Richtungen und brachten sich hinter ihren Fahrzeugen in Sicherheit. »Geschafft«, sagte ich erschöpft und lehnte mich im Sitz zurück, als das Auto zum Stillstand gekommen war. »Uns hat doch keiner verfolgt«, sagte meine Frau immer noch etwas benommen von der rasanten Fahrt. »Ich weiß es nicht. Interessiert mich jetzt recht wenig. Lass uns schnell irgendein Fertiggericht kaufen. Zum Kochen wäre der Zeitpunkt nicht besonders passend. Und Wein! Zwei Flaschen. Ich muss entspannen.« Meine Kraft reichte gerade noch, um die Wanderkleidung, so feucht und verschmutzt wie sie war, die verdreckten Schuhe und den Rucksack in eine Ecke zu werfen, als wir endlich unser Domizil betraten. Morgen, beschloss ich, heute nicht mehr. Stattdessen nahm ich kurzerhand eine der beiden Flaschen Weißwein, die Geli zusammen mit den eingekauften Vorräten auf dem Esstisch abgestellt hatte, und drehte den Schraubverschluss auf. Er knackte vielversprechend. »Du?«, fragte ich meine Frau, während ich mir ein Glas einschenkte. »Ich bin dabei«, gab sie erwartungsgemäß zur Antwort. »Prost.« Ich trank das Glas in einem Zug. »Puh«, atmete ich erleichtert auf, nachdem auch der letzte Tropfen durch meine trockene Kehle geflossen war, und nahm die Flasche erneut in die Hand. »Willst du dich betrinken?«, fragte meine Frau, die nun auch an den Tisch im Essbereich kam. »Ja«, antwortete ich mehr als eindeutig. »Kannst du Wasser aufsetzten für die Suppe? Ich gehe mich kurz abduschen.«
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KurzinhaltDie Welt des Guten und die Welt des Bösen. Wo liegt die Grenze, die dazwischen verläuft? Gibt es sie überhaupt oder ist es ein und dieselbe Welt, zwei Wirklichkeiten, die miteinander zu einer verschmolzen sind, wo sich die Realitäten überlagern und wie unsichtbare Zahnräder ineinandergreifen? Oder gibt es ein mysteriöses Portal, durch das man aus einer Welt in die andere gelangen kann? Wenn es wahr ist, so muss es irgendwo auf dem Blocksberg im Harzgebirge liegen, denn mindestens einmal im Jahr öffnet sich das geheimnisvolle Tor in die Unterwelt und der Fürst der Finsternis übernimmt die Macht auf dem sagenumwobenen Brocken. Ein Mann durchlebt während seiner Wanderung auf dem Heinrich-Heine-Weg im Harz die Walpurgisnacht aus Goethes Faust auf seine eigene Art. Ein seltsamer Kobold, ein durch seine Vorstellungskraft entstandenes Fabelwesen, begleitet ihn als treuer Beschützer auf seinem beschwerlichen Weg. Der Wanderer begegnet Leuten, die er nur flüchtig kannte oder schon seit Jahrzehnten nicht mehr sah. Sie scheinen aber alle nicht mehr von dieser Welt zu sein und sind aus irgendeinem Grund alle wieder da, um an der teuflischen Aufführung teilzunehmen. Er trifft auf bizarre Wesen, die nur der Hölle entsprungen sein können. Hexen kreisen in Scharen über seinem Kopf und schließlich bringt ihn der Höllenfürst dazu, einen Pakt mit ihm zu schließen, der noch ein langes Nachspiel haben wird, in das einige Unbeteiligte wie in einen Strudel des Verderbens mit hineingezogen werden. Es scheint zuweilen alles Fantasie zu sein, aber wer weiß: Vielleicht ist auch etwas Wahres dran?Über den Autor
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