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Der Brockenwicht: Seite 11
Angehalten hatte ich eigentlich nur, um eine Bestätigung zu bekommen, dass wir noch auf dem richtigen Kurs lagen. Es war keine überflüssige Vorsichtsmaßnahme, wie es mir schien, denn vorhin hatte ich zwischen den Wurzeln verdächtig aussehende Erdlöcher registriert, die mich in keiner Weise begeisterten, – das höhnische »Hihihi« wollte ich auf keinen Fall hören. Außerdem bestand die Gefahr, dass uns die schattenhaften Waldschrate auf einen falschen Weg leiten wollten, um uns in einen finsteren Wald zu locken und … Ich war mir noch nicht sicher, wie genau die Wichte es mit uns anstellen würden, aber wenn sie schon Siedlungen aus Steinen bauen konnten, wäre ein falscher Wegweiser auf dem Pfad ein Leichtes für sie gewesen. Wer konnte es wissen, was sie vorhatten? Ich hatte da gewisse Bedenken bekommen, als wir auf einen unbekannten Wasserlauf gestoßen waren und der Wald wieder die Baumkronen über unseren Köpfen geschlossen hatte. Doch es schien noch alles korrekt zu sein mit unserer Wanderrichtung. Ich hatte es bei der Routenplanung übersehen, dass der Pfad an dieser Stelle, wo der Bach in die Ilse mündete, noch ein Stück geradeaus entlang des Tiefenbachs weiterführte, während die Ilse einen Neunzig-Grad-Knick nach links in Richtung der Ilsefälle machte. Im Wanderführer war dieser Umstand nicht erwähnt. Wir konnten ruhig weitergehen auf dem engen Wurzelpfad, er würde uns bald zu den Ilsefällen bringen – das war eindeutig der Heinrich-Heine-Weg zum Brocken. Ich packte die Karte weg und holte das Smartphone aus der Tasche. Der sichtbare Abschnitt des Weges wies nur eine sanfte Steigung auf, so beschloss ich, mal die Wunder der modernen Technik auszuprobieren. Ein kleines Video über unsere Heinrich-Heine-Wanderung konnte nicht schaden! Der felsige Weg schlängelte sich durch das Brombeerdickicht am Ufer des Rinnsals und folgte jeder Biegung des Tiefenbachs. Angelina musste ununterbrochen aufpassen, dass sie nicht über Wurzeln und große, scharfkantige Granitblöcke stolperte und den Matsch zwischen den Steinen mit der Nase pflügte. Sie lief vor mir, sprang von einer trockenen Stelle auf dem Pfad zur anderen und ich filmte sie von hinten, wobei ich die Kamera auch regelmäßig bald zur einen, bald zur anderen Seite schwenkte, um die Bilder der wilden Natur festzuhalten. Abgelenkt durch meine Dreharbeiten trat ich oft mit voller Wucht in eine der schlammigen Mulden, sodass meine Schuhe alles Wissenswerte über die Bodenbeschaffenheit sämtlicher Abschnitte des Wasserlaufs in vollem Umfang verinnerlichen konnten.
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»So, den Teil mit dir in der Hauptrolle haben wir jetzt im Kasten!«, sagte ich stolz auf meine Künste als Kameramann, nachdem ich den Knopf »Aufnahmestopp« auf dem Bildschirm elegant mit dem Finger betätigt hatte. »Jetzt folgt die Episode der wilden Verfolgungsjagd mit meinem Einsatz!« Ich reichte Geli mein Telefon. »Ich mache es lieber mit meinem«, protestierte sie. »Blödsinn. Mach es mit meinem, damit beide Videos das gleiche Format haben. Meine Kamera funktioniert genau wie deine!« Widerwillig nahm Angelina mein Smartphone. Damit es ihr nicht zufällig wie ein Stück Seife aus der Hand glitschte und in den Bach plumpste, fügte ich hinzu: »Pass auf, du kannst es unten so mit der Hand umschlingen, es ist sicherer als mit zwei Fingern. Es hat keine Hülle wie deins.« Ich zeigte ihr, wie ich es gemeint hatte. »Nein, es ist sehr unbequem! Ich mache es so wie immer.« »Ach, mach doch, was du willst!«, sagte ich etwas verärgert über die Unbelehrbarkeit meiner Frau. »Das mach ich sowieso! Nur das, was ich will!« »Jaja, ich weiß«, gab ich kleinlaut zur Antwort. »Können wir jetzt endlich …? Ich schlüpfte in meine Rolle des Verfolgten und lief im Zickzack auf dem Wanderpfad. Mal beschleunigte ich und klapperte dabei laut mit dem Wanderstock auf dem felsigen Untergrund, mal drosselte ich das Tempo, um die Schuhe nicht noch dreckiger zu machen, als sie ohnehin schon waren. Zuweilen tat ich so, als würde ich mich nach einem Ausweg aus dieser Falle umsehen und suchte mit meinem Blick die Hänge nach einer Fluchtmöglichkeit ab, in der Hoffnung, dass meine Frau mit der Kamera meinem Blick folgte und etwas von der Umgebung mit auf das Video kam. Nach einigen Minuten geriet ich außer Atem, drehte mich um und gab Angelina ein Zeichen – Schnitt. Während ich mich verschnaufte, merkte ich, dass meine Frau wohl ein kleines Problem hatte. Sie stand ratlos da, sah auf den Bildschirm des Gerätes und wusste offensichtlich nicht, was genau sie machen sollte, um die Aufnahme zu stoppen. »Du musst jetzt in den ›Oh-Eff-Eff‹-Modus gehen«, machte ich mich über sie lustig.
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KurzinhaltDie Welt des Guten und die Welt des Bösen. Wo liegt die Grenze, die dazwischen verläuft? Gibt es sie überhaupt oder ist es ein und dieselbe Welt, zwei Wirklichkeiten, die miteinander zu einer verschmolzen sind, wo sich die Realitäten überlagern und wie unsichtbare Zahnräder ineinandergreifen? Oder gibt es ein mysteriöses Portal, durch das man aus einer Welt in die andere gelangen kann? Wenn es wahr ist, so muss es irgendwo auf dem Blocksberg im Harzgebirge liegen, denn mindestens einmal im Jahr öffnet sich das geheimnisvolle Tor in die Unterwelt und der Fürst der Finsternis übernimmt die Macht auf dem sagenumwobenen Brocken. Ein Mann durchlebt während seiner Wanderung auf dem Heinrich-Heine-Weg im Harz die Walpurgisnacht aus Goethes Faust auf seine eigene Art. Ein seltsamer Kobold, ein durch seine Vorstellungskraft entstandenes Fabelwesen, begleitet ihn als treuer Beschützer auf seinem beschwerlichen Weg. Der Wanderer begegnet Leuten, die er nur flüchtig kannte oder schon seit Jahrzehnten nicht mehr sah. Sie scheinen aber alle nicht mehr von dieser Welt zu sein und sind aus irgendeinem Grund alle wieder da, um an der teuflischen Aufführung teilzunehmen. Er trifft auf bizarre Wesen, die nur der Hölle entsprungen sein können. Hexen kreisen in Scharen über seinem Kopf und schließlich bringt ihn der Höllenfürst dazu, einen Pakt mit ihm zu schließen, der noch ein langes Nachspiel haben wird, in das einige Unbeteiligte wie in einen Strudel des Verderbens mit hineingezogen werden. Es scheint zuweilen alles Fantasie zu sein, aber wer weiß: Vielleicht ist auch etwas Wahres dran?Über den Autor
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