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Der Brockenwicht: Seite 109
Dominik stürmte nach draußen. Es dauerte nur kurz, bis er mit sämtlichen Rucksäcken zurückkam und sie in der Mitte der Hütte abstellte. Er nahm einen Rucksack nach dem anderen und legte ihn am verletzten Oberschenkel seiner Freundin an, um herauszufinden, welche Schultergurte den passenden Umfang ergeben würden. »Kann ich bitte das Messer haben?«, fragte er, als die Entscheidung gefallen war. Es war sein eigener Rucksack, dessen Gurte als Tourniquet herhalten mussten. Er war der größte von allen, die wir hatten, und seine Gurte waren am längsten. Es war noch mit einzurechnen, dass von der Polsterung, die nach dem Umfunktionieren fehl am Platz sein würde, möglichst viel abgeschnitten werden musste, um etwas Brauchbares basteln zu können, und das Mädchen, obgleich es keineswegs übergewichtig war, litt nicht gerade an Magersucht. Es funktionierte. Dominik schnitt die Gurte ab und entfernte die Polsterung, sodass zum Schluss zwei Enden blieben, die gewöhnlich unten am Rucksack frei überhingen, wenn man die Gurte festgezogen hatte. Ich band sie mit einem sicheren Knoten zusammen und schnitt eine der beiden Festziehschnallen ab. Das improvisierte medizinische Gerät nahm Gestalt an und würde von der Länge her voraussichtlich Leonies Oberschenkel umfassen können. Angelina und Dominik legten die Schlinge am Schenkel oberhalb der Wunde an und der Junge zog den Gurt fest zu, sodass rund ums Bein eine tiefe eingedrückte Stelle entstand. Leonie stöhnte leicht auf vor Schmerzen. »Leonie muss in ihrem Rucksack noch irgendwelches Verbandszeug haben«, erinnerte sich Dominik und wandte sich an Geli: »Wir haben grade vor dem Urlaub so ein Erste-Hilfe-Täschchen für Wanderer gekauft. Sie hat es mitgenommen. Können Sie vielleicht die Wunde verbinden? Ich verstehe nichts davon.« »Ja, sicher! Wo ist es?«, fragte sie. Er kramte eine Zeit lang im Rucksack und fand endlich das, wonach er gesucht hatte. »Hier«, reichte er meiner Frau das rote Lederetui mit einem dicken Kreuz auf der Oberseite. »Super«, meinte sie erfreut, als sie es öffnete und hineinsah, »wir haben Pflaster und Verbandmaterial!«
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Während sich meine Frau an der Wunde zu schaffen machte und mit viel Sachverstand den Verband anlegte, ließen wir uns mit Dominik auf der pritschenartigen Bank nieder und sahen ihr zu. Er mehr als ich, denn ich schaute die meiste Zeit aus Respekt weg. Ich hatte den Eindruck gewonnen, dass es ihm nicht ganz wohl dabei ging, wenn ich meinen Blick auf seine halbnackte Freundin richtete, die nach wie vor nur ein Spitzenhöschen an ihrem Unterleib trug, obgleich es mir im Augenblick weiß Gott nicht nach weiblichen Reizen war. »Wir sollten sie zudecken, damit sie nicht friert«, sagte er fürsorglich, nachdem Geli das Ende der Binde am Verband festgemacht hatte, und begab sich abermals nach draußen, um den Rest ihrer Sachen in die Hütte hereinzubringen. »Leg mal das zuerst drunter, Dominik.« Ich reichte ihm mein Poloshirt, das ich indessen aus dem Rucksack herausgeholt hatte. »Es ist trocken! Die feuchten Sachen legst du dann oben drauf.« »Vielen Dank«, sagte er höflich und nahm gerne auch die leichte Strickjacke, die Geli ihm ihrerseits anbot. Er bedeckte Leonie mit den Resten ihrer Kleidung so gut es ging und ich gab ihm noch meinen nassen Regenmantel, den der Junge zusätzlich zu der eigenen Regenjacke des Mädchens üben dem Oberkörper ausbreitete. Als Kissen bekam die junge Dame ihren Rucksack unter den Kopf. Wir hatten es dank der gemeinsamen Anstrengung geschafft! Die Blutung war gestoppt. Obwohl sich der Verband anfangs noch sehr rot gefärbt hatte, kam fast nichts mehr nach. Die Wunde war versorgt. Geli hatte ausgezeichnete Arbeit geleistet, ich musste meine Meinung zu ihrem Lehrgang erneut revidieren. Und das Mädchen war fürs Erste gerettet. Es ging ihr sogar den Umständen entsprechen gut! Sie lächelte müde ihren Freund an. »Ist alles okay?«, fragte er sie. »Ja, schon«, gab sie zur Antwort. »Aber ich habe kein Gefühl in meinem Bein.« »Das ist, weil wir es abgebunden haben, um die Blutung zu stoppen«, erklärte er den aktuellen Stand ihrer Behandlung. »Mmh«, gab Leonie einsichtig von sich. Dominik setzte sich auf die Bank neben ihr und hielt ihr die Hand. Alle schwiegen bis Dominik mir die Frage stellte, die ich lieber nicht gehört hätte.
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KurzinhaltDie Welt des Guten und die Welt des Bösen. Wo liegt die Grenze, die dazwischen verläuft? Gibt es sie überhaupt oder ist es ein und dieselbe Welt, zwei Wirklichkeiten, die miteinander zu einer verschmolzen sind, wo sich die Realitäten überlagern und wie unsichtbare Zahnräder ineinandergreifen? Oder gibt es ein mysteriöses Portal, durch das man aus einer Welt in die andere gelangen kann? Wenn es wahr ist, so muss es irgendwo auf dem Blocksberg im Harzgebirge liegen, denn mindestens einmal im Jahr öffnet sich das geheimnisvolle Tor in die Unterwelt und der Fürst der Finsternis übernimmt die Macht auf dem sagenumwobenen Brocken. Ein Mann durchlebt während seiner Wanderung auf dem Heinrich-Heine-Weg im Harz die Walpurgisnacht aus Goethes Faust auf seine eigene Art. Ein seltsamer Kobold, ein durch seine Vorstellungskraft entstandenes Fabelwesen, begleitet ihn als treuer Beschützer auf seinem beschwerlichen Weg. Der Wanderer begegnet Leuten, die er nur flüchtig kannte oder schon seit Jahrzehnten nicht mehr sah. Sie scheinen aber alle nicht mehr von dieser Welt zu sein und sind aus irgendeinem Grund alle wieder da, um an der teuflischen Aufführung teilzunehmen. Er trifft auf bizarre Wesen, die nur der Hölle entsprungen sein können. Hexen kreisen in Scharen über seinem Kopf und schließlich bringt ihn der Höllenfürst dazu, einen Pakt mit ihm zu schließen, der noch ein langes Nachspiel haben wird, in das einige Unbeteiligte wie in einen Strudel des Verderbens mit hineingezogen werden. Es scheint zuweilen alles Fantasie zu sein, aber wer weiß: Vielleicht ist auch etwas Wahres dran?Über den Autor
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