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Der Brockenwicht: Seite 108
Angelina eilte herbei und begutachtete die Verletzung, während sie dem Mädchen Mut zusprach. Sie war zwar keine Ärztin, aber immerhin hatte sie seinerzeit einen Erste-Hilfe-Lehrgang mitgemacht, der lästige medizinische Stoff, den sie sich auf Verlangen ihres Arbeitgebers hatte aneignen müssen, hätte sich noch als nützlich erweisen können. »Ich glaube, die Wunde muss genäht werden, es ist besser, wenn wir den Notarzt rufen«, teilte sie uns die Ergebnisse ihrer fachlichen Untersuchung mit. Der Kursus war möglicherweise doch nicht das Wahre gewesen. Der junge Mann, der bislang aufgeregt auf und ab gelaufen war, suchte nervös nach seinem Handy zwischen den Kleidungsstücken auf dem Boden, um gleich einen Notruf abzusetzen. »Ich habe kein Netz!«, stellte er enttäuscht fest, als er den Bildschirm des Smartphones gesehen hatte. »Wir müssen gerade in einem Funkloch sein.« Und ob wir in einem Funkloch waren, dachte ich mir im Stillen. Ich wusste sogar genau, wer das Funknetz blockiert hatte. Geli griff nach ihrem Telefon. »Es hat keinen Zweck«, dämpfte ich ihre Erwartungen. »Sie sind alle tot.« »Stimmt«, sagte sie, nachdem sie sich von der Richtigkeit meiner Annahme überzeugt hatte. »Und was machen wir jetzt?« »Wir müssen das Mädchen in eine stabile Lage bringen und die Blutung stoppen.« Ich war auch kein Arzt, doch es schien mir, das einzig Richtige zu sein, was wir im Augenblick tun konnten, das einzig Logische, was sich aus der aktuellen Situation ergab. »Und wie sollen wir …?«, meldete sich der junge Mann zu Wort, der noch immer neben den Sachen stand, die in wildem Durcheinander auf dem Boden lagen, gekleidet in ein durchnässtes weißes Unterhemd und ein Paar bunte Boxershorts. »Wie wäre es, wenn du dir was überziehst?«, schlug ich ihm vor, denn der Junge fror sichtlich unter dem Regen, der inzwischen nur schwach von oben nieselte. Er folgte meinem Rat und fand seine Hose in dem Klumpen feuchter Sachen. Seine Wanderjacke lag nicht weit davon entfernt.
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»Pass auf …«, ergriff ich die Initiative und wollte ihm die weitere Vorgehensweise erklären, als mir einfiel, dass ich seinen Vornamen nicht kannte. »Wie heißt du eigentlich?« »Dominik«, antwortete er, während er seine Beine in die nasse Hose zwängte. »Pass auf, Dominik«, fuhr ich fort, »wir tragen jetzt deine Freundin … Wie heißt sie?« »Leonie.« »Wir tragen jetzt mit dir die Leonie in die Hütte und legen sie auf die Holzpritsche. Dann sehen wir weiter. Einverstanden?« »Ja.« »Ich bin übrigens Klaus und das ist Angelina«, stellte ich uns ebenfalls vor. Dominik hielt die Verletzte unter den Armen, ich an den Beinen und Geli assistierte uns, indem sie versuchte, das verletzte Bein an der Kniebeuge ruhigzuhalten, damit es bewegungslos blieb und die Wunde nicht noch stärker blutete. In dieser Formation erreichten wir die Schutzhütte, die zum Glück nur wenige Meter entfernt war, und legten Leonie auf die geräumige Holzbank aus massiven Brettern, die an allen Seiten der Schutzhütte ihren Anschluss fanden, sodass die Konstruktion den gesamten Innenraum entlang der Wände umgab. Sie war mehr zum Liegen als zum Sitzen geeignet, als hätte jemand gewusst, warum er die Schutzhütte mit dieser Liegefläche ausgestattet hatte. »Wir müssen das Bein oberhalb der Wunde abbinden«, erinnerte ich mich daran, wie in einschlägigen Fernsehserien in vergleichbaren Fällen verfahren wurde, um eine Blutung zu stoppen. Hoffentlich verstieß ich nicht gegen irgendwelche ärztlichen Gesetze, aber in dem Moment schien mir, dass ich nichts Falsches machte. »Und wie? Wir haben keinen elastischen Gurt, um das Blut zu stauen.« Der Junge hatte Ahnung. »Rucksack!«, rief plötzlich Angelina. »Was ist mit deinem Rucksack?« Ich verstand nicht sofort, worauf sie hinauswollte. »An den Rucksäcken gibt es passende Gurte!«, erläuterte sie näher ihre Idee. Ich war begeistert von ihrem Einfall. »Du bist ein Schatz!«, äußerte ich meine Anerkennung.
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KurzinhaltDie Welt des Guten und die Welt des Bösen. Wo liegt die Grenze, die dazwischen verläuft? Gibt es sie überhaupt oder ist es ein und dieselbe Welt, zwei Wirklichkeiten, die miteinander zu einer verschmolzen sind, wo sich die Realitäten überlagern und wie unsichtbare Zahnräder ineinandergreifen? Oder gibt es ein mysteriöses Portal, durch das man aus einer Welt in die andere gelangen kann? Wenn es wahr ist, so muss es irgendwo auf dem Blocksberg im Harzgebirge liegen, denn mindestens einmal im Jahr öffnet sich das geheimnisvolle Tor in die Unterwelt und der Fürst der Finsternis übernimmt die Macht auf dem sagenumwobenen Brocken. Ein Mann durchlebt während seiner Wanderung auf dem Heinrich-Heine-Weg im Harz die Walpurgisnacht aus Goethes Faust auf seine eigene Art. Ein seltsamer Kobold, ein durch seine Vorstellungskraft entstandenes Fabelwesen, begleitet ihn als treuer Beschützer auf seinem beschwerlichen Weg. Der Wanderer begegnet Leuten, die er nur flüchtig kannte oder schon seit Jahrzehnten nicht mehr sah. Sie scheinen aber alle nicht mehr von dieser Welt zu sein und sind aus irgendeinem Grund alle wieder da, um an der teuflischen Aufführung teilzunehmen. Er trifft auf bizarre Wesen, die nur der Hölle entsprungen sein können. Hexen kreisen in Scharen über seinem Kopf und schließlich bringt ihn der Höllenfürst dazu, einen Pakt mit ihm zu schließen, der noch ein langes Nachspiel haben wird, in das einige Unbeteiligte wie in einen Strudel des Verderbens mit hineingezogen werden. Es scheint zuweilen alles Fantasie zu sein, aber wer weiß: Vielleicht ist auch etwas Wahres dran?Über den Autor
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