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Der Brockenwicht: Seite 105
»Wenn ich mich nicht irre«, konterte ich, »sind sie alle im Handumdrehen wieder da, falls du was Faules merkst. Nicht wahr?« »Hmm …«, überlegte der Fürst der Finsternis kurz und sagte schließlich: »Gut. Zwerg, lass los! Ruf dein Volk zusammen und verschwindet hier, deinen Einsatz rechnen wir mit dir später ab.« Sichtlich ungern trennte sich der abscheuliche Kobold vom Bein des Mädchens, seine Schnauze war blutverschmiert. Die verweinten Augen der Kleinen sahen mich voller Dankbarkeit durch den Tränenschleier an. »So«, sprach Mephisto, während die Zwerge noch das Feld räumten, »du bekommst folgende Aufgabe. Wenn ich richtig informiert bin«, er sah Ranulf streng an, »bist du so 'ne Art Webmaster. Solche Leute brauche ich. Die Großen arbeiten schon alle für mich, über sie habe ich Zugriff auf die meisten Nutzerdaten bekommen, aber es gibt noch immer Sonderlinge, die große Plattformen meiden und sich dadurch meinem Einfluss entziehen. Es ist nicht hinnehmbar, dass sich das Publikum auf Webseiten wie deine herumtummelt – was war das noch gleich, Bekanntschaften? – und keinen Beitrag für unsere gemeinsame Sache leistet. Stimmt, Ranulf?« Er richtete seinen Blick auf den Mantelträger, der anscheinend nicht ganz mit der Materie vertraut war und dümmlich aus der Wäsche schaute. »Ja, Meister. So ist es!«, bezeugte er brav seine Zugehörigkeit zu der gemeinsamen Sache, von der sein Vorgesetzter sprach. »Du verstehst doch kein Wort, oder?«, bedauerte Mephisto und wandte sich wieder an mich: »Es ist ein Jammer mit ihm! Er ist äußerst effektiv, wenn es darum geht, Leute im persönlichen Gespräch in die Irre zu führen, Erfolgsquote hundert Prozent, aber er ist zu nichts nütze bei modernen Medien, er versteht nicht das Geringste von elektronischen Kommunikationssystemen, vom Internet und dergleichen. Ein Jammer!« »Was willst du von mir?«, unterbrach ich den höllischen Fürsten. »Sag es endlich!« »Langsam, Freundchen«, erwiderte er. »Immer mit der Ruhe. Wir wollen ja nicht, dass du in der Eile irgendwas falsch verstehst, wir wollen ja, dass du dir meine Regeln gründlich einprägst. Nicht wahr?« »Dann nenne sie endlich und rede hier nicht um den heißen Brei herum?« »Esmeralda, komm doch her, mein Kind.« Er winkte die werdende Hexe herbei.
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»Ihr kennt euch doch schon, wenn ich mich nicht irre«, sagte er zu mir. »Esmeralda wird dir ab sofort zugeteilt. Sie wird zum Team deiner Plattform gehören und manchen Männern bei deinen Internetbekanntschaften … na … sagen wir mal … Gesellschaft leisten.« Ich sah ihn irritiert an. »Ja, mein Freund. Diesem jungen Fleisch wird kein normaler Mann widerstehen können. Zeig mal deine Schönheiten, Liebes. Knöpfe mal dein Kleidchen auf!« Sie zögerte einen Augenblick. »Jetzt stellt dich nicht so an! Öffne das Kleid«, sagte er in einem Ton, der keine Widerreden zuließ. Sie folgte gehorsam seinem Befehl. Ihr völlig nackter Körper kam zum Vorschein, sie trug keine Unterwäsche. »Na? Was sagst du? Wird sich nicht jeder Mann, der mit ihr chattet, ebenfalls vor der Kamera ausziehen und unanständige Handlungen an seinem Körper vollführen?« »Was soll denn das?« sträubte ich mich. »Welcher Chat? Ich habe gar keinen Videochat auf der Seite.« »Keine Sorge, du wirst einen bekommen. Es ist schon alles veranlasst. Die Software geht dir in den kommenden Tagen zu. Du wirst alles schön einrichten und wenn Esmeralda jemanden am Haken hat, das heißt, ein Filmchen von ihrem gemeinsamen erotischen Chat auf dem Computer gespeichert ist, werden wir den treuen Ehemann und liebenden Familienvater um den einen oder anderen kleinen Gefallen bitten.« Er richtete seinen Blick auf Esmeralda: »Du kannst dich wieder bedecken, mein Kind.« Ich glaubte, ich hatte nun seinen teuflischen Plan verstanden: Ich sollte zu einem Teil seines Erpresserrings werden, indem ich meine Internetplattform für seine Zwecke missbrauchen ließ. Woher wusste er überhaupt, dass ich eine Datingseite betrieb? Auf die Frage hatte ich keine Antwort. Oder vielleicht doch …? War es möglich, dass der falsche Förster ebenfalls die Kunst der Telepathie beherrschte wie mein Wicht? Durchaus. Denn gedacht an die geschäftlichen Abläufe hatte ich schon das eine oder andere Mal, als ich oben auf dem Berg gewesen war, fiel es mir plötzlich ein. Er hatte meine Gedanken gelesen, oder jemand, den er beauftragt hatte, – sie waren hier alle eine verschworene Erpresserbande im Auftrage des Teufels. Man hätte wahrscheinlich mit seinen Gedanken auch etwas sorgfältiger umgehen können, aber wer hätte sich so etwas denken können?
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KurzinhaltDie Welt des Guten und die Welt des Bösen. Wo liegt die Grenze, die dazwischen verläuft? Gibt es sie überhaupt oder ist es ein und dieselbe Welt, zwei Wirklichkeiten, die miteinander zu einer verschmolzen sind, wo sich die Realitäten überlagern und wie unsichtbare Zahnräder ineinandergreifen? Oder gibt es ein mysteriöses Portal, durch das man aus einer Welt in die andere gelangen kann? Wenn es wahr ist, so muss es irgendwo auf dem Blocksberg im Harzgebirge liegen, denn mindestens einmal im Jahr öffnet sich das geheimnisvolle Tor in die Unterwelt und der Fürst der Finsternis übernimmt die Macht auf dem sagenumwobenen Brocken. Ein Mann durchlebt während seiner Wanderung auf dem Heinrich-Heine-Weg im Harz die Walpurgisnacht aus Goethes Faust auf seine eigene Art. Ein seltsamer Kobold, ein durch seine Vorstellungskraft entstandenes Fabelwesen, begleitet ihn als treuer Beschützer auf seinem beschwerlichen Weg. Der Wanderer begegnet Leuten, die er nur flüchtig kannte oder schon seit Jahrzehnten nicht mehr sah. Sie scheinen aber alle nicht mehr von dieser Welt zu sein und sind aus irgendeinem Grund alle wieder da, um an der teuflischen Aufführung teilzunehmen. Er trifft auf bizarre Wesen, die nur der Hölle entsprungen sein können. Hexen kreisen in Scharen über seinem Kopf und schließlich bringt ihn der Höllenfürst dazu, einen Pakt mit ihm zu schließen, der noch ein langes Nachspiel haben wird, in das einige Unbeteiligte wie in einen Strudel des Verderbens mit hineingezogen werden. Es scheint zuweilen alles Fantasie zu sein, aber wer weiß: Vielleicht ist auch etwas Wahres dran?Über den Autor
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