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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 99

»Der Vogel ist wirklich verrückt!«, rief mir Geli zu, während sie versuchte, der nächsten Vogelattacke auszuweichen.

»Geh doch von der offenen Stelle weg!«, riet ich ihr.

Sie machte einige Schritte in meine Richtung und stand nun neben mir im Schutz eines Felsens, der die Sicht nach Norden versperrte. Es wirkte. Der Vogel konnte zwar immer noch auf der Südseite beschleunigen, hatte aber keine Möglichkeit mit Schwung auf die Nordseite zu fliegen, er hätte die Felswand hinter uns mit aller Wucht getroffen. Die Angriffe hörten auf.

Wir packten unsere Sachen. Es war fast fünf Uhr nachmittags, die Sonne hatte ihren höchsten Punkt am Himmel schon längst überschritten und wanderte unaufhaltsam nach Westen. Sie stand nicht mehr so hoch über dem Horizont, aber mit vier Stunden Tageslicht konnten wir noch rechnen. Bis dann hätten wir nach meinen Berechnungen den Pass von Encumeada erreicht haben sollen. Die Wolken, in die sich die Höhen entlang des Gebirgskamms immer mehr hüllten, machten mir Sorgen. In der Nebelbrühe zu wandern, war keine gute Sache. Andererseits war bis jetzt doch alles gut gegangen! Wir hatten nebelige Abschnitte gehabt, die meiste Zeit hatten wir uns dennoch der wärmenden Wirkung der Sonnenstrahlen erfreuen können. Vielleicht verlief der Pfad über Bergflanken, die nebelfrei waren? Es war alles ungewiss und es gab keinen anderen Weg, es herauszufinden, als den Pfad zu beschreiten.

Der Treppenweg am Pass Boca das Torrinhas ließ von Anfang an keine Zweifel übrig, in welche Richtung die Wanderung ging, – nach oben. »Eins – drei, eins – drei!«, zählte ich die Schritte und versuchte, mit dem Atem im Takt zu bleiben. Es gelang nur zum Teil. Der Weg war an besonders steilen Abschnitten stellenweise gestuft, es machte aber den Aufstieg für mich nicht immer einfacher. Die felsigen Stufen hatten unterschiedliche Größen, sodass man ganz schnell aus dem Rhythmus kam, nicht jede ließ sich auf eins – drei überwinden. Man verlor an Tempo, geriet außer Atem und musste schließlich anhalten, um zu überlegen, ob es im Dreivierteltakt leichter gewesen wäre: eins – zwei – drei, eins – zwei – drei!

Es fiel mir ein, dass die Idee, in Gedanken den Takt zu zählen, für mich gar nicht so neu war. Abgesehen davon, dass meine Frau mir erst vor einigen Tagen etwas von ihrem Wanderrhythmus erzählt hatte, erinnerte ich mich noch lebhaft, dass ich etwas Ähnliches schon vor vielen, vielen Jahren für mich entdeckt hatte, als wir noch zu meinen Schulzeiten mit einem Jugendfreund beschlossen hatten, eine Tagestour mit den funkelnagelneuen Trekkingrädern zu machen, um sie einzuweihen.

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Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Roman von Nikolaus Warkentin
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Wir radelten in eine ländliche Gegend, wo sich zwischen sonnigen Birkenhainen weite Weizenfelder erstreckten, durch die eine unbefestigte, holprige Landstraße nach irgendwohin führte. In diesem Nirgendwo wollten wir ausprobieren, inwieweit die neugekauften Fahrräder für Überlandfahrten geeignet waren. In naher Zukunft planten wir eine mehrtägige Radtour und es war wichtig zu wissen, wie zuverlässig die nicht eingerittenen Stahlrosse waren. Am frühen Nachmittag, als wir schon dreißig Kilometer von der Stadt entfernt waren, kampierten wir am Waldrand unter einer Birke und machten uns die mitgenommene Dose Suppe über einem kleinen Lagerfeuer warm.

»Ich glaube, das Rad ist absolut tauglich!«, äußerte mein Kumpel seine Meinung zu der Neuanschaffung.

»Die Gangschaltung geht ganz weich«, pflichtete ich ihm meinerseits bei. »Das Rad ist leicht, aber robust. Wir sind jetzt weit über Schlaglöscher und Buckel gefahren, aber kein einziges Teil klapperte. Gelöst hat sich auch nichts! Bin auch ganz zufrieden.«

»Der Sattel ist ein bisschen zu hart, aber da lässt sich noch was dran basteln!«, fand der Freund doch noch was zum Meckern und beschwerte sich: »Mein Bein zieht mir schon die ganze Zeit.«

Wir saßen am verglühenden Lagerfeuer, löffelten unsere Suppe und schmiedeten Pläne, als der Junge sich unerwartet vor Schmerz krümmte und sich am rechten Oberschenkel fasste.

»Ich habe einen Muskelkrampf.«, klagte er leise. Er lag bewegungslos auf dem Gras mit ausgestrecktem Bein.

Ein Muskelkrampf war sehr unangenehm, vor allem, weil er sehr schmerzhaft war und immer wie ein Blitz aus heiterem Himmel in einem sehr unpassenden Moment kam. Ans Radfahren war nicht zu denken, denn der Krampf löste sich nicht. Wenn der Junge sein Knie auch nur ein wenig anwinkelte, wand er sich auf dem Boden. Wir verweilten noch eine Stunde unter der Birke. Die Zeit hatte keine Besserung gebracht. Wir waren kilometerweit allein an diesem Ort, man konnte nicht nach Hilfe rufen. Ein Abschleppseil hatten wir nicht, bei einer Fahrradtour dachte man vorher nicht unbedingt an Sachen, die eher zum Autozubehör zählten. Ich ging ein Stückchen am Feldrand entlang, um vielleicht auf etwas zu stoßen, was Abhilfe hätte schaffen können, und wurde fündig. Neben dem Feldweg lag ein Knäuel dicken, rostigen Eisendrahts, chaotisch zusammengeknüllt und eigentlich von einem viel zu großen Durchmesser, um unseren Zwecken dienlich zu sein. Mit diesem Draht hätte ein Traktor einen Anhänger hinter sich ziehen können, was vermutlich früher auch der Fall gewesen war, bevor der Bauer ihn verlor oder wegwarf. Ich nahm ihn mit, etwas anderes bot sich nicht an.

»Du musst mir jetzt helfen, Bursche!«, sagte ich, als ich zurückgekommen war.

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Das Geheimnis des vernebelten Passes von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Ein Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 12.012
Online Seiten: 145
PDF Downloads: 54
PDF Seiten: 340
EPUB Downloads: 41
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 665482
Druckwörter: 122463
Buchseiten: 504
Erschienen: January 2021

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