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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 96

»Verdammt, es geht los!«, schimpfte ich, als Geli schon nach drei Minuten trotz all meiner Anstrengungen zwanzig Meter Vorsprung hatte.

Ich war wesentlich fitter als vor zwei Wochen, fiel aber trotzdem beim Anstieg zurück. Allgemeine Erschöpfung machte sich bemerkbar, immerhin hatten wir schon einen fast vierstündigen Fußmarsch hinter uns und die Strecke hatten wir in gutem Tempo gemeistert. Wir hätten mit Sicherheit für die ganze Route viel mehr gebraucht als die fünf Stunden, die im Wanderführer angegeben waren, aber für zwei Amateurwanderer war der halbe Weg in vier Stunden ein gutes Ergebnis. Das alles durfte aber nicht als Rechtfertigung für weiche Knie dienen, die ich schon jetzt bekam. Ich war mir sicher, es war noch nicht der kräftige Anstieg, der im Wanderführer beschrieben wurde. Ich musste mich konzentrieren und innerlich motivieren. Das störte mich gewaltig!

Aber noch etwas störte an diesem Hang. Es war der Geruch! Nein, auf dem Pfad sah ich keine charakteristischen Spuren der Nähe menschlicher Zivilisation, die gewöhnlich bei fehlenden Toilettenhäuschen entstanden, aber es roch nach einer dreckigen sanitären Vorrichtung auf einer vergessenen Raststätte an der Autobahn. Überall! Egal, wohin man die Nase hindrehte.

»Es riecht nach Scheiße!«, rief ich meiner Frau zu, die mir gerade eine Ebene höher entgegenkam.

»Ja!« Sie nickte bestätigend und murmelte noch etwas dazu, was ich nicht verstehen konnte.

Es ging nicht nur mir so, sowohl mit dem Gestank als auch mit der sichtlich schwindenden Kraft, denn ihr Gesicht war rot angelaufen, sie atmete schwer und Schweißtropfen kullerten von der Stirn auf die Wangen. Der Geruch musste einen anderen Grund und eine andere Quelle haben, so viele Leute liefen hier gar nicht durch, um die komplette Bergflanke vollzumachen. Außerdem war der Hang topografisch nicht unbedingt perfekt geeignet für das große Unterfangen.

Ich hatte keine Kraft und auch keine Gehirnkapazitäten, mich mit dem Problem zu beschäftigen, denn ich versuchte unentwegt, meinen Schrittrhythmus dem Atem anzupassen, und zählte in Gedanken den Takt: eins – drei, eins – drei. Wie ich auf eins und drei kam, wusste ich nicht, aber es musste etwas mit der Nummer der Wandertour zu tun haben. Es war mir auch einerlei, Hauptsache, es half.

Geli stand schon oben auf dem Grat, als ich keuchend mit den letzten Metern des Pfades kämpfte, um auf den Scheitel hinauszukommen. Sie legte den Rucksack ab und wischte sich mit einem Tuch den Schweiß aus dem Gesicht.

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Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Roman von Nikolaus Warkentin
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»Guck, wie schön die Aussicht ist!«, sagte sie, nachdem wir etwas Wasser getrunken und uns einigermaßen erholt hatten.

Es war eine offene Stelle auf dem Bergkamm, die Sicht auf die Süd- wie auf die Nordküste war frei. Wir waren immer noch auf dem Nordrand des Currals, aber der Pico Grande dominierte nicht mehr das Bild, der Blickwinkel verschob sich mit jedem Kilometer, den wir westwärts wanderten. Am Nordhang unter uns nahm irgendeine tiefe Schlucht ihren Anfang, die bis zur Küste hinunterlief und bis zur Oberkante mit Nebelschwaden gefüllt war.

»Ja, ich sehe«, erwiderte ich. »Mach mal ein paar Aufnahmen. Ich denke, wir sollten hier verschwinden, bevor wir uns eine Erkältung holen.«

Ein kalter Luftzug wehte ungehindert von der Nordseite über die Wetterscheide, sodass mein vom Schweiß durchnässtes Hemd am Körper klebte und mich frösteln ließ. Die Wolken hatten sich zurückgemeldet und verhüllten die Gipfel im weiteren Kammverlauf. Vor denen mussten wir uns aber nicht fürchten. Ich hatte den Eindruck, dass der Weg gleich erneut auf die Südseite wechselte und unterhalb der Bergspitzen weiterführte.

Das nächste Vogelgeschoss ließ mich zusammenzucken, kurz nachdem wir aufgebrochen waren und auf dem offenen, etwas abgerundeten Gebirgskamm einige Schritte gemacht hatten. Ich sah wieder einen mittelgroßen Vogel, der sich mit hoher Geschwindigkeit auf die Nordseite entfernte. Es konnte kein Zufall mehr sein! Ob ich ein wiederholtes Mal angegriffen worden wäre, konnte ich nicht herausfinden, denn der Pfad führte uns vom Berggrat hinunter in ein dichtes Gebüsch auf der Südseite.

Portugiesen überraschten mich schon seit zwei Wochen hin und wieder mit Ihrer Fähigkeit, auf einmal an den unmöglichsten Orten aufzutauchen, wo man sie niemals erwartete, zumindest nicht bei den Umständen, bei denen es passierte. Ich erinnerte mich an die Spaziergänger auf dem Königspfad, zugegeben, deren Erscheinung konnte auf den Zustand meines Geistes nach den vertraulichen Begegnungen mit dem Erlkönig zurückgeführt werden. Aber was war zum Beispiel mit dem Liebespärchen, das mitten in der Wildnis, zu Fuß und weit weg von der nächsten Verkehrsanbindung, nach Liebesabenteuern gesucht hatte? Das war real gewesen! So war meine Verwunderung nicht allzu groß, als in einiger Entfernung eine einsame männliche Figur auf dem Pfad erschien, die uns zwischen den abgebrannten Baumresten entgegenkam.

»Wer ist das? Ein Briefträger?«, fragte Geli erstaunt, als der junge Mann uns näher kam. Sein uniformähnlicher dunkler Anzug und eine große Tasche, die er schräg über die Schulter trug, ließen es in gewisser Weise vermuten.

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Das Geheimnis des vernebelten Passes von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Ein Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 12.012
Online Seiten: 145
PDF Downloads: 54
PDF Seiten: 340
EPUB Downloads: 41
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 665482
Druckwörter: 122463
Buchseiten: 504
Erschienen: January 2021

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