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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 86
Zumindest sprach bei dem Wetter nichts gegen einen perfekten Fernsehabend. Heute lief eine amerikanische Krimiserie, die wir uns auch zu Hause jeden Donnerstag ansahen, nichts Außergewöhnliches, die übliche Ballerei und aufwendig inszenierte Verfolgungsjagden, dennoch etwas zur Abwechslung, um sich die Zeit zu vertreiben. Es wurde gemütlich warm unter der dicken Wolldecke, während auf dem Bildschirm die guten Cops die unvernünftigen Kleinverbrecher einen nach dem anderen erbarmungslos hinter Gitter schickten und der Oberbösewicht immer wieder ein Schlupfloch fand, um zu entkommen und seine nächste Übeltat zu begehen. Schon lange bevor die Falle im Streifen endgültig zuschnappte, waren mir meine Augenlider schwer geworden, der volle Magen und der Whisky ließen grüßen. Es war noch definitiv zu früh zum Einschlafen, ich wäre schon um drei Uhr morgens wach geworden und bis zum Sonnenaufgang ziellos durch das Hotel gewandelt. Man konnte aber auf jeden Fall schon mal die Tagesdecke vom Bett abziehen und sich den Schlafanzug anlegen, sich einfach zum Schlafen fertig machen, so hätte ich noch ein Stündchen wach bleiben können. Draußen war es inzwischen ganz dunkel geworden, stellte ich fest, als ich aufstand und zur Balkontür ging, um noch eine Zigarette in der frischen Luft zu rauchen. Ein sanfter Luftzug berührte mein Gesicht, als ich ans Geländer trat und ein klein wenig verblüfft auf die Bäume hinter dem Hotel schaute, die ich ganz deutlich sehen konnte im Schein des Lichtes, das aus dem Zimmer fiel. Ich hörte kein pausenloses Tropfen, nur ab und zu löste sich noch ein einzelnes Wasserkügelchen vom oberen Balkon und klatschte gegen die Metallstange des Geländers, und, o Wunder, der Nebel war weg! Man merkte, wenn man nach oben sah, dass der leichte Wind noch einzelne milchige Felder zum Pass hinauftrug, aber das Hotel war schon nebelfrei. In den Lücken zwischen den letzten Nebelfetzen funkelten die Sterne am Himmel. »Wir machen morgen einen Ausflug nach Arco de São Jorge!«, konfrontierte ich meine Frau mit der neuesten Entwicklung. Gelis Augen verwandelten sich in zwei Fragezeichen. »Der Nebel löst sich auf! Du kannst wieder ein paar Brötchen beim Frühstück einpacken«, sagte ich. Die Franzosen hatten recht, es konnte morgen noch was werden.
(?)
* * *Der Taxistand in São Vicente befand sich hinter dem Rathaus. Das hatte ich bereits vor zwei Tagen herausgefunden, als wir den Ausflug nach Arco de São Jorge entlang der Nordküste mit dem Bus gemacht hatten. Wir mussten hier ein Taxi nehmen, um zum Parkplatz am Pico Ruivo zu kommen, dem Ausgangspunkt unserer großen Wanderung auf dem Kammweg von Madeira. Mein ursprünglicher Plan, mit dem Bus nach Santana und von dort weiter mit dem Taxi, hätte nicht funktioniert. Am kleinen Busbahnhof in Arco gab es alles, was das Herz eines Urlaubers begehren konnte, der auf einer fremden Insel mit dem Bus unterwegs war: einen Fahrplan, ein Wartehäuschen sowie akzeptable Sitzgelegenheiten. Das Einzige, was fehlte, war ein zeitlich passender Anschluss nach Santana. Der Bus startete erst zehn vor eins und wäre vermutlich nicht früher als um zwei Uhr nachmittags in Santana gewesen. Rechnete man noch die Taxifahrt dazu, kam man auf halb drei. Es war alles andere als ein guter Zeitpunkt, um eine fünfstündige Wanderung anzugehen, zumal sich die fünf Stunden im Wanderführer eher auf Menschen mit etwas mehr Kondition bezogen, als wir mit Geli zusammen vorweisen konnten. »Hi, Sir!«, fing ich mit meiner Begrüßung vorsichtig an, Preisverhandlungen mit dem Taxifahrer zu führen, der sich in seinem Wagen langweilte. »Bom Dia«, erwiderte er meinen Gruß, nachdem er sich von seiner Zeitung abgewandt und seinen Blick durch das offene Fenster auf mich gerichtet hatte. »You know, we would like to go to Pico Ruivo. There must be a parking area. How much is it to go there?«, fragte ich nach dem voraussichtlichen Fahrpreis, nachdem ich ihm das Fahrziel, den Parkplatz im Hochgebirge, genannt hatte, und wartete gespannt darauf, ob er nun eine Zahl über oder unter hundert bekannt gab. Hundert Euro war die Schmerzgrenze, die wir uns gestern bei der Sichtung der Restbestände unserer Urlaubskasse festgelegt hatten. Der Mann überlegte kurz und fragte, als hätte er noch nie etwas von dem Parkplatz gehört: »What parking area?« Ob es dort mehrere Parkplätze gab oder er noch nie zuvor Touristen zum Pico gefahren hatte, war mir unbekannt, aber ich hatte mich schon heute in der Früh auf so eine Situation vorbereitet. Ich zog schnell aus der Gesäßtasche die große Inselkarte heraus, die schon so zusammengefaltet war, dass der richtige Bereich oben lag, um sich nicht unnötig zu blamieren wie der Portugiese in Funchal, und zeigte dem Taxifahrer unser voraussichtliches Fahrziel.
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KurzinhaltEin Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.Über den Autor
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