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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 85

Ich lehnte die Gitarre an die Wand und öffnete die Tür der Nachtkonsole an meinem Bett, wo die angebrochene Flasche Scotch stand, die wir am Montag in einem kleinen Laden nach dem Mittagessen in Ribeira Brava besorgt hatten. Geli legte das Buch beiseite, stand auf und schaltete den Fernseher an. Es war Frauennachrichtenzeit.

»Aber nur zwei Kleine!«, sagte sie streng.

»Ma'am. Yes, Ma'am!« Ich befolgte den Befehl ohne Widerreden und machte zwei Drinks für uns fertig.

Aus zwei Kleinen wurden schon nach dreißig Minuten drei und nach dem vierten Allerkleinsten wurde die spontane Feier erst einmal unterbrochen, ehe ich mit dem Notebook zur Rezeption ging und meine Frau alleine mit dem Fernseher zurückließ. Ich wollte meine Geschäftssachen noch vor dem Abendessen erledigt wissen.

Eine neue französische Touristengruppe erkundete die Räumlichkeiten. Allem Anschein nach hatten die Wanderfreunde heute Nachmittag eingecheckt, während ich mein Schläfchen gehalten hatte, und verteilten sich nun im ganzen Hotel, nachdem sie sich auf den Zimmern eingerichtet hatten. Sie saßen grüppchenweise an den Tischen in der Lobby, tranken zum Teil Wein von der Rezeption, lachten und unterhielten sich laut. Es war davon auszugehen, dass im Restaurant in einer Stunde abermals eine gesellige Runde stattgefunden hätte. Woher hatten sie ihre gute Laune und wohin wollten sie morgen bei diesem Wetter wandern? Oder wussten sie vielleicht etwas, was ich noch nicht wusste? Es gab auch sonst viele neue Gesichter, ich entdeckte an einem Tisch ein deutsches Urlauberpaar, das mit ihren Handys beschäftigt war, ein paar junge Leute aus den Niederlanden und noch drei, vier Gäste, die sich sehr leise unterhielten, sodass ich ihre Herkunft nicht enträtseln konnte. Wen ich aber während der eineinhalb Wochen Aufenthaltes gänzlich vermisst hatte, waren die Untergebenen Ihrer Majestät. Ich hatte noch keinen einzigen Briten in dieser Unterkunft gesehen. Wer wusste, vielleicht stand dieses Hotel nicht zwischen den Angeboten der britischen Reiseveranstalter. Es war ein wenig schade! Vor allem Angelina schwärmte von England und seiner Geschichte, wir hatten das ganze Haus voll mit historischen Romanen über Britische Inseln und sie übertrug unbewusst die Eigenschaften ihrer Romanfiguren auf die Leute, die sie im realen Leben zu Gesicht bekam. Aber auch ich amüsierte mich gerne über Engländer. Sie hatten etwas Eigenartiges, Ursprüngliches an sich, ihre ganz eigene Mentalität, die sich grundlegend von allen anderen in der Welt unterschied. Sie imponierte mir einerseits, aber andererseits war der britische Humor etwas, was sich nicht jedem offenbarte mit seiner augenscheinlichen Trockenheit und zunächst dümmlich wirkenden Witzen. Ich war keine Ausnahme und beobachtete sie gerne mal, um dahinter zu kommen, führte sogar gelegentlich einen Smalltalk an der Bar oder am Strand, soweit mein bescheidenes Englisch es erlaubte.

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Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Roman von Nikolaus Warkentin
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Die Franzosen hatten einen neuen Anführer. Nein, er hieß nicht Jean-Luke und er sah auch nicht annähernd so aus wie der Mann, den wir vor einer Woche zuletzt gesehen hatten, erfüllte aber dieselbe Aufgabe. Beim Abendessen saß er wie sein Vorgänger am Kopf der großen Tischrunde, animierte seine angeheiterte Mannschaft und versuchte, daraus eine kompakte, aufeinander abgestimmte Gruppe von Bergwanderern zu bilden. Offenbar gehörte es zu einer Art Strategie des Veranstalters, die Leute während der informellen Runde mit Speis und Trank, auf ein gemeinsames Ziel einzuschwören, um am Abend vor dem Aufbruch noch auf die Schnelle eine Wandereinheit zu bilden, wo jeder auf jeden Rücksicht nahm. Der Gedanke gefiel mir, letztendlich waren es wildfremde Menschen, die unabhängig voneinander einen Wanderurlaub gebucht hatten, sie alle sahen sich an diesem Abend zum ersten Mal in ihrem Leben. Die Vorgehensweise trug anscheinend Früchte. Ich hatte schon persönlich die Gruppe von Jean-Luke erlebt.

Heute standen keine Krustentiere auf dem Speiseplan des Hotelrestaurants, es war schwierig zu beurteilen, ob der neue Mann genauso Meeresfrüchte mochte wie sein Kollege, aber beim Wein und Schnaps stand er ihm in nichts nach. Die Kellner brachten immer weiter Weinflaschen herbei, die nach einer eingehenden Degustation durch die Tafelrunde meistens auf dem Tisch blieben und gemeinsam getrunken wurden – allen voran der neue Jean-Luke! Ob der Neue morgen früh auch am Fuße der Treppe gekleidet in seinen Schlafanzug die Welt mit gläsernen Augen angesehen hätte? Kaum hatte ich mich an die Episode erinnert und damit begonnen, meine Meinung zu seinen Wanderfähigkeiten am kommenden Morgen zu bilden, fiel mir sofort ein, wie trügerisch meine Eindrücke sein konnten, und ich behielt sie für mich.

Es beschäftigte mich während des Abendessens allerdings immer noch die Frage, was die Franzosen morgen in der Früh vorhatten. Eine Wanderung auf dem Königspfad oder auch sonst irgendwo war bei den aktuellen Wetterverhältnissen schier undenkbar, außer man hatte die Absicht, in einer tiefen Schlucht als Selbstmörder zu enden. Doch die Wandergruppe machte sich scheinbar keine Sorgen, feierte fröhlich weiter und plante zweifellos eine Bergtour, denn hin und wieder sah es so aus, als ob sie alle gemeinsam eine Marschordnung festlegten. Zwischen den Trinksprüchen wurde es manchmal ganz ruhig, der Wanderleiter stellte die Gläser auf dem Tisch in eine Reihe, erklärte etwas mit ruhiger Stimme und zeigte abwechselnd bald auf eines der Gläser, bald auf einen der Gäste. Anschließend diskutierten alle lebhaft seine Anregungen und machten ihre Vorschläge. Das Ganze war mir ein wenig rätselhaft.

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Das Geheimnis des vernebelten Passes von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Ein Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 11.997
Online Seiten: 145
PDF Downloads: 54
PDF Seiten: 340
EPUB Downloads: 41
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 665482
Druckwörter: 122463
Buchseiten: 504
Erschienen: January 2021

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