Logo Leseecke
OPEN DIGITAL LITERATURE PROJECT
Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 8

* * *

Ich wachte in aller Früh auf. Meine Armbanduhr zeigte vier Uhr dreißig an, was sich mit meinen Gewohnheiten als Frühaufsteher absolut deckte, wenn man den Zeitunterschied bedachte. Auch zu Hause fing der Tag für mich zwischen fünf und sechs Uhr morgens an. Es war noch stockdunkel im Zimmer, aber hinter den zugezogenen Gardinen konnte man schon vage Zeichen der einsetzenden Dämmerung erkennen. Was die ruhige Lage des Hotels anging, hatte der Reiseveranstalter nicht zu viel versprochen. Zur Stunde herrschte absolute Ruhe, nur meine Frau schnarchte irgendwo rechts von mir leise und friedlich vor sich hin. Es machte keinen Sinn, noch einmal mit dem Schlafen zu versuchen. Zum einen hätte es nicht funktioniert und zum anderen musste ich noch ganz viel Arbeit vor dem Frühstück erledigen, weil danach eine Levadawanderung in der näheren Umgebung auf dem Programm stand.

Ich richtete mich auf, schlüpfte in meine Hausschuhe, um den Waschraum aufzusuchen, und musste feststellen, dass es doch ziemlich frisch war. Der Wärmestrahler, den wir gestern im Zimmer vorgefunden und in einer Ecke abgestellt hatten, war nicht nur für die Wintermonate gedacht, denn ich musste mir auch im Juli trotz Schlafanzug noch schnell einen Wollumhang von meiner Frau überziehen, der mir schon seit vielen Jahren als Ersatz für einen Morgenmantel im Urlaub diente. Das Licht im Schlafbereich blieb aus, um Angelina nicht zu stören, nur im Bad hatte ich es weiterbrennen lassen, damit ich im halbdunklen Zimmer überhaupt etwas sehen und finden konnte – unter anderem das ganze Zubehör für mein Kaffeeritual. So weit ich zurückdenken konnte, waren löslicher Kaffee, Zucker und Kaffeesahne immer ein Bestandteil unseres Urlaubsequipments gewesen, denn frühe Stund' hatte nicht nur Gold im Mund. Sie war vielleicht hervorragend dafür geeignet, ungestört irgendwelche Pläne für den Tag zu schmieden, schwierige Gitarrenpassagen zu üben oder für sich allein über Gott und die Welt nachzudenken, aber bestimmt nicht dafür, einen heißen Kaffee um halb fünf in der Früh an einem fremden Ort zu besorgen. So war mein kleiner Reisewasserkocher von unschätzbarem Wert und das Kaffeepulver konnte man nur mit Gold aufwiegen. Das Wasser für den ersten Kaffee des Tages hatte ich aufgesetzt, noch bevor ich den Vorhang am Fenster beiseiteschob und die Balkontür öffnete, um meine Aufwachzigarette auf dem Balkon zu rauchen. Nun blies ich den warmen Rauch in den kühlen Morgen und hörte, wie hinter mir das Rauschen des Wasserkochers im Waschraum immer vernehmlicher wurde.

(?)
Leseecke Schließen
Lesezeichen setzen
 
Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Roman von Nikolaus Warkentin
»Jetzt lesen

Es war ein Morgen der Dichter und Denker. Es herrschte Windstille. Ein schmaler lichter Streifen über den Gipfeln ließ am Himmel die Stelle erkennen, wo die lächelnde Sonne bald ihren wärmenden Blick auf den Encumeadapass richtete. Die Bergspitzen erschienen vor diesem Hintergrund noch majestätischer, als sie ohnehin schon waren. Die Farbpalette am Himmel reichte von etwas gelb untermalten hellen Blautönen im Osten über Tiefseeblau, wenn man direkt nach oben sah, bis Pechschwarz im Westen, wo noch die letzten Sterne funkelten. An den Hängen des Massivs waren noch keine Einzelheiten sichtbar, nur die Silhouetten der Gipfel ragten empor – vor allem der Felsen in Form eines gewaltigen Turms, den wir schon gestern bewundert hatten, drängte sich in den Vordergrund. Es war eine seltsame Formation: Eine flache kreisförmige Felsplattform, in deren Mitte ein turmartiger Felsen thronte, der an eine mittelalterliche Burgruine erinnerte. Der Sockel mitsamt dem Turm waren wahrscheinlich die Überreste der Spitze eines stolzen Berges, nachdem Wind, Wasser und Sonne ihre Arbeit geleistet hatten. Pico Topeiro, das war der Name, den ich gestern herausgefunden hatte! Es war das Bild, das sich aus dem Fenster unseres Zimmers bot: der Turmberg und links davon, zwei hundert Meter tiefer, der Durchbruch in der Felswand auf die Nordseite der Insel. Der Pass von Encumeada.

Mein Wasser für den Kaffee war fertig, ich brachte die ganze Kaffeeküche nach draußen und stellte alles auf dem kleinen Balkontisch ab. Zwei Schluck des Zaubertranks aus dem in der frischen Morgenluft dampfenden Kaffeebecher hatten gereicht, um die letzten Spuren der Schläfrigkeit verschwinden zu lassen. Den Rest konnte man genüsslich schlürfen, zurückgelehnt im Gartenstuhl und den Blick auf die sich ausbreitende Morgenröte am Firmament gerichtet. Das Leben erwachte. Einzelne Vogelpiepse im Gebüsch kündigten die anstehende Frühvorstellung des feierlichen Oratoriums der gefiederten Tenöre an. Rätselhafte Geräusche im Unterholz ließen vermuten, dass auch größere Tiere bereits unterwegs waren. Die ersten Details an den Flanken des Turmbergs wurden erkennbar und der weiß angestrichene Berghof am Pass ließ sich als verschwommener Fleck im Morgengrauen ausmachen. Den Hof hatten wir schon gestern bei einem spontan beschlossenen Aufstieg entdeckt, nachdem die Koffer ausgepackt worden waren und wir uns etwas von der Reise erholt hatten. Ein unerwartetes »Kikerikiiii!« erklang aus seiner Richtung und wurde als Echo von allen Seiten des Tals zurückgeworfen. Es bestand kein Zweifel, der Tag brach an. Ich blieb noch eine Weile nachdenklich sitzen mit meinem Kaffeebecher in der Hand, den Zauber der Verwandlung der Welt wollte ich nicht verpassen, außerdem bot sich gerade eine perfekte Gelegenheit, die Ereignisse des gestrigen Tages noch einmal ins Gedächtnis zu rufen.

 

Während wir am späten Nachmittag eine Erkundungstour durch das Hotel machten, führte uns eine Tür im Aufenthaltsbereich auf eine Terrasse, die über eine kleine Treppe eine direkte Verbindung mit der Passstraße hatte. Wir blieben dort für eine Weile stehen und meine Frau verfolgte mit neidischen Blicken einige Autos, die nach oben zum Pass fuhren. Noch bevor ich aus meinem Mittagschlaf erwacht war, hatte Angelina schon eine halbe Stunde verzweifelt nach dem Anfang irgendeines Wanderweges rund um das Hotel gesucht und wirkte etwas enttäuscht.

| Seite 8 von 145 |

Günstige Downloads für Ihr Gerät

Das Geheimnis des vernebelten Passes
PDF
Titel: Das Geheimnis des vernebelten Passes
PDF Dokument: Format A5, 340 Seiten, Dateigröße 2.461 KB, Ausgeführte Dowloads 54, PDF-Reader zum Lesen erforderlich! Auch zum Lesen im Ebook-Reader geeignet
6,99 € N/A
Das Geheimnis des vernebelten Passes
EPUB
Titel: Das Geheimnis des vernebelten Passes
E-Book im ePub-Format: Anzahl Seiten deviceabhängig, Dateigröße 1.033 KB, deviceübergreifend optimiert, Ausgeführte Dowloads 41, e-Book Reader zum Lesen erforderlich!
6,99 € »Epubli Verlag
Das Geheimnis des vernebelten Passes Titel: Das Geheimnis des vernebelten Passes
Jetzt eine Printausgabe bestellen! Sie werden gleich auf die Seite des Verlages weitergeleitet, wo Sie Ihr Exemplar bequem erwerben können.
15,99 € »Epubli Verlag

Diese Seite weiterempfehlen

»Link an Freunde senden
Das Geheimnis des vernebelten Passes von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Ein Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 11.965
Online Seiten: 145
PDF Downloads: 54
PDF Seiten: 340
EPUB Downloads: 41
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 665482
Druckwörter: 122463
Buchseiten: 504
Erschienen: January 2021

Ihre Spende ist willkommen!

Wir stellen Ihnen gerne alle Inhalte unserer Webseite kostenlos zur Verfügung. Sie können die Werke auch in der E-Book-Version jederzeit herunterladen und auf Ihren Geräten speichern. Gefallen Ihnen die Beiträge? Sie können sie alle auch weiterhin ohne Einschränkungen lesen, aber wir hätten auch nicht das Geringste dagegen, wenn Sie sich bei den Autoren und Autorinnen mit einer kleinen Zuwendung bedanken möchten. Rufen Sie ein Werk des Autors auf, an den Sie die Zuwendung senden wollen, damit Ihre Großzügigkeit ihm zugutekommt.
Tragen Sie einfach den gewünschten Betrag ein und drücken Sie auf "jetzt spenden". Sie werden anschließend auf die Seite von PayPal weitergeleitet, wo Sie das Geld an uns senden können. Vielen herzlichen Dank!

Diese Seite weiterempfehlen

»Link an Freunde senden
Kreisende Punkte
Leseecke Schließen