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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 71
»Two pints of beer please!«, bestellte ich gleich die Getränke, damit es etwas schneller ging. Ich hatte das Gefühl, dass Angelina jetzt auch gerne ein Bier getrunken hätte. Der Kellner nickte bejahend und entfernte sich, während wir die Karte studierten. Ein Pint war nicht direkt ein Begriff aus dem Verzeichnis der portugiesischen Maßeinheiten, aber er hatte anscheinend alles richtig verstanden und stand schon nach zwei Minuten am Tisch mit zwei großen Biergläsern auf seinem Tablett, in denen die Sonnenstrahlen zauberhaft in dem Gerstensaft brachen. »Soup of the day … rump steak from the grill … and a small mixed salad, Sir«, machte ich meine Bestellung. Ich hatte schon vor einer halben Stunde gewusst, was ich essen wollte – ein saftiges Stück Fleisch vom Grill war genau das Richtige, um die Kraft für das ziellose Hin-und-Her in einer unbekannten Stadt zu haben, eine Suppe durfte zu Mittag nicht fehlen und der Salat war als Beilage gedacht. »You get a salad to all meat dishes, Sir!«, machte mich der Kellner auf meinen Fehler aufmerksam. Er erriet es sofort, dass ich keine zwei Salate essen wollte, denn einer gehörte schon zum Fleischgericht. »Do you like chips or a mix of vegetables to your steak?«, wollte er wissen, ob ich Gemüse oder Pommes zum Steak vorzog. »Chips please!« Ich entschied mich für Pommes frites. Der Kellner machte seine Notizen im Bestellblock und sah Geli fragend an. »… ja, Suppe …« Der Kellner benutzte kurz seinen Stift. »… und … ich weiß nicht …« Geli blätterte die Seiten der Speisekarte chaotisch hin und her. »Nudeln? … Fisch?«, fragte sie und richtete ihren Blick auf mich, als ob ich gewusst hätte, was sie heute essen mochte! »Sir, we need a while to complete our order!«, bat ich den Kellner, sich noch etwas zu gedulden. »Yes, Sir. As you wish. Okay!«, erklärte sich der Kellner einverstanden, machte seinen Block zu und ging in das Lokal hinein, um schon mal die Vorspeisen zu veranlassen. Es war immer das Gleiche mit meiner lieben Frau und ihren Bestellungen im Restaurant. Es spielte keine Rolle, wie lange sie die Speisekarte studierte auf der Suche nach einem passenden Gericht, es half auch wenig, wenn sie etwas fand, was ihrem Geschmack entsprach, und es sich merkte, um die Speise später zu bestellen. Alles war vergessen, sobald der Kellner sie danach gefragt hatte. Sie bekam in aller Regel eine leichte Panikattacke, suchte aufgeregt nach dem Essen, das sie sich vorgemerkt hatte, und stach zum Schluss aufs Geratewohl mit ihrem Finger in die Liste, wonach ihr meistens eine Portion Penne Rigate mit einer der Soßenversionen serviert wurde, ausnahmsweise gab es ab und zu schon mal Maccheroni. Angelina konnte mir noch nie schlüssig die Ursache des psychischen Drucks erklären, den sie bei jedem Restaurantbesuch verspürte und ich hatte auch irgendwann aufgehört, sie danach zu fragen, – es gab keinen besonderen Grund, es war einfach so.
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»Probier doch mal diese Sardinhas grelhadas!«, schlug ich Geli vor, nachdem ich die Speisekarte überflogen und die Sardinen vom Grill entdeckt hatte. Ich entsann mich sofort der gegrillten Sardinen, die wir in Portimão an der Algarveküste mit großem Vergnügen gegessen hatten. »Welche Sardinen?«, fragte sie verwundert. Ich zeigte ihr die entsprechende Seite der Speisekarte und meinte: »Weißt du noch, in der Algarve, wie gut die rochen?« »Ja, ich nehme die Sardinhas!«, teilte Geli fröhlich ihre Entscheidung mit, als sie die Sardinen unter den Fischgerichten fand. »Die besten waren im Fischerdorf!«, erinnerte sie sich auch gleich an den unvergesslichen Geschmack der kleinen gegrillten Heringfische und an unseren Ausflug. »Stimmt. Das ganze Dorf roch nach gegrilltem Fisch! An jeder Ecke stand ein Kohlegrill mit Sardinen auf dem Rost«, pflichtete ich ihr bei und dachte an das unwiderstehliche Aroma, das die goldbraunen Sardinen und der Qualm glühender Steinkohle, über der sie gegrillt wurden, im ganzen Ort verbreitetet hatten. »Und in der Stadt war an jedem Haus eine Grillschüssel an der Wasserrinne angekettet, damit sie keiner klaut!« »Jaja! Sardinen vom Grill waren dort so was wie ein Volkssport!«, erwiderte ich, als der Kellner aus der Tür der Gaststätte herauskam mit zwei dampfenden Schüsselchen sopa do dia und einem kleineren Körbchen, in dem ein paar Brocken fluffiges bolo de caco lagen, das ich schon seit unserem Ausflug nach São Vicente zu schätzen wusste. Er stellte die Vorspeisen auf den Tisch und sagte: »Aproveite sua refeição! Bon appetite!« Angelina zeigte ihm die Sardinhas auf der Speisekarte und bestellte dazu Pommes, ein Salat war auch bei Fischgerichten inbegriffen. Wir löffelten unsere Hühnersuppe, die ihren Ursprung eindeutig in einer Tüte hatte, jedoch ganz gut schmeckte, und ich beobachtete den Bahnhof. Durchsichtige gläserne Fassaden boten vor dem Hintergrund des offenen Ozeans eine gute Möglichkeit, einen Einblick in den Innenbereich des Gebäudes zu bekommen. Zu meiner Freude hatten sich die Reihen der Botanikliebhaber merklich gelichtet, denn man sah hinter den Scheiben kaum menschliche Silhouetten und die Gondeln, die lautlos über unseren Köpfen nach oben fuhren, waren fast leer.
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KurzinhaltEin Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.Über den Autor
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