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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 66

»Da ist dein Touristikbüro!«, machte ich Geli aufmerksam auf das Zeichen »i« an der Fassade des an die Banco angrenzenden Hauses. Sie machte gerade Fotos von der Pyramide über dem Eingang.

»Wo?«, ließ ihre Frage nicht lange auf sich warten.

»Na da! … an der Wand«, sagte ich, während sie verzweifelt mit ihrem Blick nach Hinweisen suchte und ihre Augen chaotisch hin- und herbewegte.

»Ach so, ja!«, rief sie voller Freude, als sie ihren Blick endlich auf dem richtigen Haus fixiert hatte. »Dann komm!«

Seelisch bereitete ich mich schon auf einen längeren Aufenthalt vor der Tür des Büros vor, Prospekte und Infoblätter zu sichten und zu sortieren, hätte eine zeitaufwendige Prozedur werden können und ich wollte sie nicht erleben. Dennoch, ich hatte Glück, die Schutzheiligen von Funchal, falls es welche gab, meinten es trotz meiner Ketzerei gut mit mir! Während Angelina in der Infozentrale verweilte, spazierte ich müßig auf dem Bürgersteig auf und ab, bis ich unverhofft zwei kleinere Schilder an einem Pfosten neben der Fahrbahn sah: Hop-On Hop-Off City Sightseeing. In Gelb oder in Rot, achtzehn Euro für alle Hauptsehenswürdigkeiten mit freiem Ein- und Ausstieg, gültig für zwei Tage. Das war das, was wir suchten, oder? Es waren noch irgendwelche Unterteilungen in rote, grüne und blaue Routen zu sehen, es war aber zweitrangig, das war der Haltepunkt für die offenen Doppeldecker – er war nicht einmal zwanzig Meter vom Touristikbüro entfernt. Was für ein Zufall!

»Die Haltestelle ist hier!«, vernahm ich die fröhliche Stimme meiner Frau, als ich gerade zur Tür gehen wollte, um ihr die frohe Botschaft zu überbringen. Sie stand schon hinter mir mit einem Flyer in der Hand, wo sich der bekannte rote Sightseeing-Bus auf der Vorderseite präsentierte.

»Ja, dort! Habe ich auch schon gefunden.« Ich war ungemein froh darüber, dass der Besuch des Touristenzentrums so kurz ausgefallen war.

»Mit welchem Bus sollen wir fahren?«, fragte Geli, als wir vor den Schildern mit dem Fahrplan standen und die Routen der beiden Linien studierten.

»Egal. Ich glaube, sie sind absolut gleich. Es sind nur zwei verschiedene Gesellschaften. Sie fahren wahrscheinlich abwechselnd. Und der nächste Bus kommt um …« Ich suchte auf dem Fahrplan die Spalte mit den Zeitangaben. Sie fehlte, dafür fand ich aber die Info, dass die Busse mit einer Frequency von zwanzig Minuten verkehrten. »… eigentlich gleich!«, schaffte ich es gerade noch zu sagen, als der rote Bus um die Ecke kam und auf die Haltestelle zufuhr, wo sich schon einige Touristen versammelt hatten, die ihre Tickets in der Hand hielten.

Wir ließen den Leuten mit den Tickets, die ihre Sightseeingtour fortsetzen wollten, den Vortritt und stiegen als Letzte ein. Nach einer kurzen Unterhaltung mit dem Fahrer, der uns die Tickets verkaufte, gingen wir die Treppe zum Oberdeck hoch und fanden dort zwei gemütliche Sitzplätze. Es ging los.

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Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Roman von Nikolaus Warkentin
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Der Bus nahm Kurs auf die westlichen Vororte von Funchal – weg von der Altstadt und zu den Hochhäusern und Hotelanlagen, wo sich Touristen vergnügten und normale Insulaner ihre Wohnungen hatten. An jedem Sitz war ein Paar Kopfhörer befestigt, sodass man die wechselnden Bilder und den Wegverlauf gut verfolgen konnte, wenn man sie sich aufsetzte und die gewünschte Sprache auswählte. Die Fahrt ging, wie die Wegweiser es verrieten, zur Zona Hoteleira, auf jeden Fall folgte der Bus an jeder Kreuzung dem Schild mit dieser Aufschrift, vorbei an Straßencafés, Souvenirshops, schönen Parkanlagen und im späteren Verlauf an einem kleinen Denkmal zu Ehren der österreichischen Kaiserin Elisabeth, im Volksmund Sisi genannt, die hier ein halbes Jahr ihr Lungenleiden kuriert hatte. Warum die Statue in der Parkanlage des örtlichen Casinos stand, begriff ich allerdings nicht ganz, der Ort schien mir nicht ganz passend zu sein. Möglicherweise hatte sich früher an dieser Stelle ihre Unterkunft befunden, ich verpasste einfach die Erklärung des Fremdenführers, der sich in den Kopfhörern versteckte und ununterbrochen etwas Wissenswertes zu den Bildern hinter der Reling des Oberdecks erzählte.

Auf Madeira geschah nichts, ohne dass die Madeirenser den Namen von Cristiano Ronaldo erwähnten. Diesmal gab es sogar einen passenden Anlass: Estádio dos Barreiros, ein funkelnagelneues Fußballstadion, das als Überbau der alten herkömmlichen Sportarena entworfen worden war und der große Meister maßgeblich an dessen Entstehung beteiligt gewesen sein sollte. So berichteten die Lautsprecher in meinen Ohren, als wir den Hügel hinauffuhren, wo sich das Stadion befand, in dem der junge Cristiano vermutlich seine ersten Erfolge gefeiert und Niederlagen erlitten hatte, noch vor der Zeit, als er seine markante Freistoßvorbereitung in Perfektion beherrschte. Der Bus machte eine Runde um die Sportanlage, damit die Touristen das Werk aus jedem erdenklichen Winkel bewundern konnten, obwohl es noch nicht fertiggestellt war, es fehlte noch Einiges bis zur Vollendung der architektonischen Idee. Ich nahm es den Madeirensern nicht übel, dass sie so auf Ronaldo fixiert waren, es kam schließlich nicht alle Tage vor, dass sich ein Junge aus einfachen Verhältnissen dank seinem Talent und seiner Willenskraft an die Spitze vorarbeitete und seine Landsleute stolz auf ihre Insel machte, die ein Weltwunder in seiner Person hervorgebracht hatte. Aber der Ruhm tat ihm nicht gut. Ich konnte die Entwicklung nur alle zwei Jahre verfolgen, wenn eine Welt- oder Europameisterschaft stattfand. Keine Frage, was der Mann wirklich sehr gut konnte, war Fußballspielen, aber mit jeder Meisterschaft wirkte er immer überheblicher gegenüber seinen Mitspielern, Gegnern und Schiedsrichtern. Es war nicht zu übersehen, dass er annahm, er war der Hauptdarsteller auf dem Feld, von ihm hing hier jeder Sieg und jede Niederlage ab. Das konnte man schon aufgrund der Bilder im Fernsehen mit Gewissheit behaupten, ohne ihn persönlich zu kennen. Es war jammerschade um seine Begabung und seine Leistung. Der Wahn seiner vermeintlichen Größe war ihm in den Kopf gestiegen und vergiftete sein Bewusstsein. Das war auch schon vielen Menschen vor ihm passiert. Besser gesagt, Menschen, die imstande waren, der Versuchung mit Glanz und Gloria zu widerstehen, waren eine absolute Ausnahme aus der Regel. Die Allermeisten umgaben sich mit Heuchlern und Gauklern und ließen sich lobpreisen und ihre Taten besingen, sodass sie am Ende allen Ernstes daran glaubten, unfehlbar und unersetzbar zu sein. Der freie Fall aus den Wolken zurück in die Realität war immer tief und schmerzhaft. Ich ließ die Insulaner aber gerne ihre Freude an ihrem Idol haben. Sie mussten es selbst wissen und Cristiano auch, er war schon lange kein kleiner Junge mehr aus der Vorstadt.

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Das Geheimnis des vernebelten Passes von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Ein Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 11.995
Online Seiten: 145
PDF Downloads: 54
PDF Seiten: 340
EPUB Downloads: 41
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 665482
Druckwörter: 122463
Buchseiten: 504
Erschienen: January 2021

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