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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 62
»Guck, mit diesem Bus müssen wir heute auch noch fahren!«, begeisterte sich Angelina beim Anblick eines knallroten Busses mit offenem Oberdeck, der das gutgläubige Touristenpublikum mit einem nicht übersehbaren Schriftzug auf seiner Seite zu einer einzigartigen Stadtrundfahrt einlud. »Jaja. Warte mal!«, antwortete ich etwas unzufrieden. »Ich versuche gerade die Straße zu finden, wo wir sind«, fügte ich hinzu und setzte meine Suche auf dem Stadtplan fort. Ich fand an einer Kreuzung endlich ein Straßenschild, als wir ein Stückchen von der Haltestelle zum Hafen gegangen waren. Die Straße sah nach einer Einkaufsmeile aus. Zu beiden Seiten erhoben sich alte Gebäude im Kolonialstil aus portugiesischer Blütezeit, die im Erdgeschoss irgendeinen Laden oder ein Café beherbergten. Die Fahrbahn säumten mittelgroße Bäumchen, die in regelmäßigen Abständen in pflasterfreie Stellen mitten auf dem Bürgersteig gepflanzt waren – eine Angewohnheit der Südeuropäer, die auch auf spanischen Inseln und teilweise in Italien zu beobachten war. Gegen grüne Inseln in der Stadt konnte keiner etwas haben, es war aber äußerst unpraktisch, wenn bei einem Spaziergang durch die Straßen immer ein Baum oder ein Laternenmast im Wege stand. Den Straßennamen fand ich nicht auf dem Plan, aber auf der anderen Seite der Hauptstraße stand ein gelbes Gebäude, das sich mit dem Schriftzug »Mercado dos Lavradores« schmückte. Dieser Name stand auf dem Plan und das war die Kreuzung, auf der wir uns befanden. »Was? Welcher Bus? Wo?«, fragte ich meine Frau, nachdem unser Standort bestimmt worden war. »Er ist jetzt weg. Ein roter Bus. Mit dem kann man eine Rundfahrt machen.« »Eine Rundfahrt kannst du auch mit dem gelben Bus machen!« Ich zeigte auf die Hauptstraße, wo vor dem Mercado dos Lavradores gerade langsam ein Bus der gleichen Bauweise vorbeifuhr, aber in gelber Ausführung. Die Touristen auf dem Oberdeck schauten interessiert auf das Marktgebäude, das offenbar eine der Sehenswürdigkeiten der Stadt war. »Es ist besser mit dem Bus!«, bemerkte Geli. »Wir können dann in einer Stunde die ganze Stadt sehen. Am Ende wissen wir, wo was ist und können noch mal zu Fuß hingehen.« »Weißt du, was? Du hast sogar recht!«, stimmte ich ihren unschlagbaren Argumenten für eine Rundfahrt zu. »Wo kann man denn einsteigen?« »Keine Ahnung. Wir müssen ein Büro für Touristeninformation finden«, meinte Geli. »Das haben wir gleich!« Ich erinnerte mich, so etwas auf meinem Stadtplan gesehen zu haben. »Da! Tatsächlich. Wir sind jetzt hier auf dieser Kreuzung …« Ich zeigte Angelina unseren Standort auf dem Plan. »… und wenn wir diese Straße lang gehen, dann kommen wir auch zur Tourist Information«, sagte ich und zeichnete mit dem Finger den Wegverlauf auf dem Plan nach.
(?)
Die Einkaufsstraße führte zwar nicht auf direktem Wege zum Touristenbüro, sie machte zunächst einen kleinen Bogen um eine Fußgängerzone, aber die Entfernung war nicht allzu groß. Außerdem mündete sie am Ende in eine Straße, die uns geradewegs zum Ziel geführt hätte. »Okay, dann lass uns hingehen«, ergriff Geli die Initiative, wie sie es immer tat, wenn es darum ging, ein Tourist-Information-Büro aufzusuchen und kostenlose Prospekte einzusammeln. Sie liebte es. Wir bummelten los und Angelina blieb fast an jedem Schaufenster hängen – es nervte, man hätte aber nichts dagegen tun können. Was konnte ich denn anderes erwarten, nachdem ich einen Ausflug nach Funchal vorgeschlagen hatte? Ich akzeptierte es letztendlich, dass ich vor fast jedem Geschäft warten musste, solange sie beinahe jedes Stück einer Prüfung durch ihren Tastsinn unterzog, bis sie mit der Begutachtung des gesamten Warensortiments fertig war. Das liebte sie auch! Auffallend schön waren die gepflasterten Straßen und Plätze, die wir durchquerten, nachdem wir uns bald in das Labyrinth der Innenstadt vertieft hatten, um auf die Straße namens Largo do Phelps zu kommen. Sie waren sehr kunstvoll mit ganz kleinen Mosaiksteinchen ausgelegt, überwiegend gelblich weiß, die sich sehr einfallsreich mit verschiedensten Mustern und Formen aus schwarzgrauen Steinen abwechselten, sodass an manchen Stellen richtige Mosaikbilder entstanden waren. Jede Straße war anders und jedes kleine Gässchen sah einzigartig aus. Zur Largo do Phelps mussten wir auf jeden Fall, um Rua do Aljube zu erreichen, die ihrerseits in die Avenida Arriaga mündete, wo sich das Ziel unseres Spazierganges befand, Posto de Informação Turística. Es hörte sich kompliziert an, präsentierte sich aber auf dem Stadtplan ganz einfach. Im Grunde war es ein und dieselbe lange Straße, die fast schnurgerade verlief und nur in verschiedenen Abschnitten anders hieß. Während sich meine Frau noch mit den Warenbeständen der umliegenden Boutiquen beschäftigte, erreichte ich die gesuchte Largo do Phelps und wartete auf sie, als ich mit Entsetzen feststellte, dass die Straße nicht nur zu der Informação Turística führte, sondern auch der direkte Weg zu der Kathedrale von Funchal war, deren Kirchturm mich jetzt vom Stadtplan anlächelte. Besichtigung einer Kirche war also unvermeidlich. Für mich bedeutete es nur eins: Zwanzig Minuten vor der Kirche auf der Straße herumlungern! Vielleicht hätte ich Glück gehabt und es befand sich in der Nähe irgendeine Kneipe, wo ich in der Zeit ein Bierchen hätte trinken können. »Guck mal! Eine Kirche, ich muss gleich Fotos machen«, reagierte Angelina erwartungsgemäß, als sie einige Zeit später die Straßenseite wechselte und den Turm im weiteren Verlauf der Straße sah.
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KurzinhaltEin Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.Über den Autor
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