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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 61

Ich sparte mir umständliche Erklärungen und zeigte ihm nur meine Hand mit zwei gehobenen Fingern, was so viel wie zwei Tickets bedeutete. Er verstand mein Zeichen und drückte irgendwelche Tasten auf seiner Kasse, gab uns das Rückgeld zusammen mit den Fahrkarten, schloss die Tür und fuhr los. Wir waren vorerst die einzigen Fahrgäste in dem zu dieser frühen Stunde noch kühlen Bus mit zum Teil beschlagenen Scheiben. Es ging die Passstraße hinunter nach Ribeira Brava, die Straße, die wir vor einer Woche hochgefahren waren, um unser Hotel zu erreichen. Im Dorf, wo ich bei der Anreise die Leute in der Wirtschaft beobachtet hatte, stiegen die ersten Fahrgäste zu und es wurde lauter im Bus. Einige ältere Madeirenserinnen unterhielten sich laut miteinander und scherzten mit dem Fahrer. Sie waren wie zum Ausgehen fein gekleidet, die meisten trugen schicke seidene Blusen und bei allen schmückte ein neu aussehendes buntes Kopftuch das Haupt. Es war gut möglich, dass die Dörflerinnen montags in die Stadt fuhren, um ihre Besorgungen zu machen. Höchstwahrscheinlich ein Ereignis der Woche! Da musste sich jede Frau in Schale werfen, um den Städtern nicht als unkultivierte Bäuerin aufzufallen. Die Stelle, an der ein Stück Straße fehlte, war immer noch da. Das große Loch war nach wie vor mit Verkehrshütchen umstellt und rief beim Busfahrer keine Beunruhigung hervor, er fuhr daran vorbei, ohne abzubremsen. Der Bus hielt an mehreren Haltepunkten und es stiegen immer mehr Fahrgäste zu, darunter auch viele Touristen, die für heute ebenfalls einen Ausflug nach Funchal geplant hatten, jedenfalls war es ziemlich voll, als wir am Busbahnhof in Ribeira Brava angekommen waren, wo die Reise eine unerwartete Wendung nahm.

»Funchal!«, rief der Fahrer seinen gewohnten Spruch, als er hinter einer Reihe anderer Busse stoppte.

Diesmal stand er aber auf, sah in den Fahrgastraum und versuchte mit Händen und Füßen deutlich zu machen, dass die Leute jetzt aussteigen mussten. Seine Botschaft richtete sich in erster Linie an Touristen, die unbekümmert auf ihren Plätzen sitzen blieben.

»Funchal! Funchal!«, rief und gestikulierte er wild weiter, bis auch die letzten »Ungläubigen« es bemerkten, dass alle Madeirenser in den davor stehenden Bus umgestiegen waren, und ihrem Beispiel folgten.

Es stellte sich heraus, dass der Buswechsel einen erheblichen Vorteil mit sich brachte: Es war ein Expressbus, der gleich die Autobahnauffahrt in Ribeira Brava ansteuerte und ohne einen einzigen Halt bis nach Funchal durchfuhr. Erst nachdem der Bus die Vororte der Stadt erreicht hatte, hielt er an den Haltestellen an, damit Fahrgäste aussteigen konnten. Ich hoffte insgeheim auf einen Busbahnhof an der Endstation irgendwo im Zentrum der Stadt, denn die Buslinien waren auf meinem Stadtplan nicht eingezeichnet und es wäre durchaus möglich gewesen, dass der Bus am anderen Ende der Stadt sein Fahrziel gehabt hätte. Ein Busbahnhof geriet nicht in mein Blickfeld, aber als das Straßenbild hinter dem Fenster anfing, nach einer historischen Stadtmitte auszusehen, wurde es leer im Bus. Wir waren ganz allein, als der Fahrer an einer Haltestelle in einer belebten Straße hielt, sich zu uns umdrehte und eine klare Ansage machte.

»Finish!«

»Okay«, meinte ich und sah mich um. Ich suchte auf der gegenüberliegenden Straßenseite nach Hinweisen auf eine Haltestelle, wo der Bus zurück nach Ribeira Brava hätte abfahren können.

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Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Roman von Nikolaus Warkentin
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»Where can we take a bus back to Encumeada?«, fragte ich den Fahrer beim Aussteigen wegen der Rückfahrt, denn ich war der Annahme, dass er ein wenig Englisch verstand.

Er zeigte zurück, schräg über die breite vierspurige Straße, die in der Mitte ein eingemauertes Flüsschen hatte, und sagte: »Bus stop is there.«

In einiger Entfernung sah ich dann auch die Stelle, wo sich auf einem engen Bürgersteig Menschen drängten, die allem Anschein nach auf ihren Bus warteten.

»Thank you, Sir«, bedankte ich mich höflich.

Wir stiegen aus und fanden uns in einem pulsierenden Stadtzentrum wieder. Funchal war vielleicht keine Metropole, aber immerhin eine große Stadt, die hunderttausend Leuten ein Dach über dem Kopf gab. Nicht zu vergessen waren auch zahlreiche Touristen, die von den Kreuzfahrtschiffen und umliegenden Ferienanlagen zu Tausenden in die Stadt strömten, und einheimische Besucher von der ganzen Insel, welche hier offenbar gerne einkaufen gingen oder ärztliche Dienste in Anspruch nahmen, denn die Orte, die ich auf Madeira bisher besucht hatte, boten dafür wenig bis gar keine Möglichkeiten. Die »Seidenen Blusen« liefen rastlos in alle Richtungen auf dem Bürgersteig mit vollen Einkaufstaschen, sie manövrierten geschickt zwischen Passanten und Autos zu ihrem nächsten Einkaufsziel. Es herrschte reges Treiben.

Ich versuchte unseren Standort auf dem Stadtplan zu finden und hielt Ausschau nach einem Straßenschild. Ich sah keins in der Nähe, aber es war auch nicht nötig. Wir befanden uns an einer großen Verkehrsader mit einem Fluss in der Mitte, der die Fahrtrichtungen trennte, und auf dem Plan gab es nur zwei Straßen dieser Art, die beide aus verschiedenen Richtungen spitz aufeinander zuliefen und hinunter zum Hafen führten, um sich dort zu treffen. Der Hafen war dort – man konnte am Straßenende schon den azurblauen Ozean sehen. Aber ganz gleich, wo wir uns gerade befanden, wir mussten auf die andere Straßenseite, zur Haltestelle, um auf dem Fahrplan nach dem Bus zu sehen, der uns zurück nach Ribeira Brava gebracht hätte. Der Bus fuhr erst um vier am Nachmittag, stellte ich fest, als wir die viel befahrene Straße an einer Fußgängerampel überquert und uns einen Weg zum Fahrplan durch die Menschenmenge an der Paragem gebahnt hatten. Es war sehr eng. Der Bürgersteig war so schmal, dass man ihn bald mit einer Levadaschulter hätte vergleichen können. Zwei Menschen konnten darauf kaum aneinander vorbei, geschweige denn an den paar Dutzend Leuten, die auf ihren Bus warteten.

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Das Geheimnis des vernebelten Passes von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Ein Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 11.995
Online Seiten: 145
PDF Downloads: 54
PDF Seiten: 340
EPUB Downloads: 41
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 665482
Druckwörter: 122463
Buchseiten: 504
Erschienen: January 2021

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