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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 59
» João Paulo! Er heißt João Paulo.« »Egal, von mir aus. João Paulo hat erzählt, dass man am Pass nach links gehen muss. Dann kommt man auf … äh …« »Dann kommt man auf die Hochebene Paul da Serra und kann bis zur Westspitze der Insel wandern! Richtig?« Ich beendete den Satz für Geli, weil sie allem Anschein nach Schwierigkeiten damit hatte, sich die Namen der örtlichen geologischen Formationen zu merken. »Ja, genau so hat er es gesagt! Und da gibt es keine Berge! Komm, gehen wir morgen.« Geli machte ein mitleiderregendes Gesicht. »Ich glaube, es ist viel zu weit bis zur Westküste, für große Wanderungen brauche ich noch ein paar Tage Schonfrist. Wir werden, denke ich, auch zum Pico Ruivo gehen, ich weiß aber noch nicht, wann und wie – wir müssen uns zuerst um einen Wanderführer kümmern. Ich habe mir gedacht …« »Du hast doch gesagt, dass man oben am Pass welche kaufen kann!«, fiel mir Geli ins Wort. »Ja, das will ich dir doch gerade erklären! Solange wir aber keinen haben, können wir vielleicht einen Ausflug nach Funchal machen. Da wolltest du ja auch hin!« »Ja, unbedingt! Botanischer Garten! Den will ich auf jeden Fall sehen! Dann fahren wir gleich morgen früh?« »Können wir machen. Morgen ist aber Sonntag und die Geschäfte werden vermutlich geschlossen sein. Jedenfalls weiß ich nicht, wie es hier auf der Insel ist, aber ich denke, schon«, äußerte ich meine Bedenken. »Ich würde an deiner Stelle lieber den Montag nehmen!« »Und was machen wir morgen?«, fragte Angelina ungeduldig. »Wir könnten einen Strandtag machen, aber ich habe nicht die leiseste Ahnung, wo man hier einen Strand findet.« »Im Madeirabuch steht, dass es hier nur einen Sandstrand gibt. Er ist aber weit von hier, ich habe schon geguckt«, bemerkte meine Frau traurig. »Ja, dann bleibt nur eine Levadawanderung. Damit wäre ich einverstanden und würde auch bestimmt aus eigener Kraft zurück ins Hotel schaffen«, meinte ich. Mir fiel plötzlich ein, dass wir den Abzweig der Levada do Norte, der vor dem ersten Tunnel nach links abging, an unserem ersten Tag nur oberflächlich erforscht hatten und schon nach einer Viertelstunde umgekehrt waren. »Da waren wir doch schon! Wir müssen eine andere Levada finden, es gibt eine Menge davon.« »Vielleicht. Aber nicht hier! Und wir wissen nicht wo. Weißt du noch, wo wir am ersten Tag das Vögelchen an der Levada gesehen haben, das du gefüttert hast?« »Ja!?«, sagte Geli und es fing an, in ihrem Kopf zu arbeiten. »Wir sind ja damals nicht weiter gegangen. Das könnten wir morgen nachholen.« Sie schwieg eine Zeit lang und sagte, nachdem sich mein neuer Vorschlag in ihre Wanderpläne eingeordnet hatte: »Okay, machen wir morgen eine Levadawanderung.«
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»Gut. Dann müssen wir zusehen, dass morgen früh noch das eine oder das andere Ei vom Frühstück in unserem Rucksack landet. Ein Problem sehe ich darin, dass wir keine Getränke zum Mitnehmen haben.« »Warum? Warum ist es ein Problem? Wir haben noch leere Plastikflaschen auf dem Zimmer, mit Schraubverschluss. Wir kochen heute Abend Leitungswasser in deinem Wasserkocher ab, es kühlt bis morgen ab«, machte meine Frau einen sehr praktischen Vorschlag. »Eine glänzende Idee! Dann steht ja nichts mehr im Wege.« Wir blieben bis zum Abendessen in der Empfangshalle sitzen. Bald fing es an, appetitlich zu duften. Die Kellner trugen Speisen für das Abendbüfett auf und regten bei mir die Speichelproduktion an. Ich kam mir vor, wie in meine Kindheit versetzt. Wenn bei uns zu Hause Besuch angesagt gewesen war, wurde schon seit dem frühen Morgen gekocht und gebraten. Es roch in der ganzen Wohnung nach leckerem Essen, von dem man allerdings bis zum feierlichen Moment des Eintreffens der Gäste keinen einzigen Krümel abkriegte. Die Mutter scheuchte uns mit meinem Bruder gnadenlos mit einem Küchentuch vom gedeckten Tisch weg, auf dem ein verführerisch dampfender Braten stand, umgeben von Salaten und knusprigem Brot. Wir mussten warten! Was das für eine Qual für einen heranwachsenden Jungen gewesen war, der fast immer Hunger hatte wie alle Kinder mit zehn Jahren, war kaum zu beschreiben. João Paulo brachte uns noch zwei Bier, nachdem unsere Gläser leer geworden waren, und wir unterhielten uns noch ein wenig darüber, was man noch alles auf der Insel vom Hotel aus unternehmen konnte. Französische Schüler kamen in kleinen Gruppen zur Rezeption und gingen wieder, wenn sie sahen, dass es mit dem Abendessen noch nicht so weit war. Sie plagte offensichtlich auch der Hunger. »Für morgen und übermorgen ist sonniges Wetter vorhergesagt«, konnte ich gerade noch sagen, nachdem ich mir den Wetterbericht im Internet angesehen hatte, als der lustige Kellner zu uns herüberkam, der uns in der Regel beim Abendessen bediente, ließ sein pummeliges Gesicht zu einem einzigen Lächeln werden und verkündete: »The buffet has opened!« Es war so weit, alles war angerichtet. Aus allen Richtungen strömten französische Schüler herbei und überfluteten das improvisierte Restaurant, sodass ich mir Sorgen machen musste, ob wir noch einen freien Tisch erlangt hätten. Es ging gerade noch gut, wir bekamen zwei freie Plätze und speisten zu Abend in Gesellschaft von zwei französischen Schülerinnen. Nach dem Essen sahen wir noch etwas fern und gingen zu Bett. Dieser Tag war Geschichte.
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KurzinhaltEin Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.Über den Autor
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