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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 60

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Im Hafen von Funchal lag ein riesengroßes schneeweißes Kreuzfahrtschiff am Pier und spülte aus seinem Rumpf schubweise Touristen in die Stadt, die vermutlich froh waren, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, und sich wie eine ausgehungerte Hundemeute auf jede Sehenswürdigkeit des Ortes stürzten, die ihnen unter die Augen kam. Die Uferpromenade war voll von Hobby-Seefahrern, die müßig hin und her flanierten und sich manchmal zu kleinen Gruppen zusammentaten, um einander den Weg zu dem einen oder dem anderen Highlight der Stadt zu erklären. Meistens zeigten sie mit der Hand richtungsweisend auf ein abseits gelegenes Gebäude, das ein bisschen an einen Bahnhof erinnerte, wo vor dem Eingang ein Gedränge herrschte – die einen wollten rein und die anderen raus, es war aber nur ein Türflügel geöffnet. Hinter der gläsernen Fassade sah man, dass auch im Gebäude viele Menschen auf etwas warteten.

Im Gegensatz zu den Ausflüglern von dem Ozeanriesen wusste ich exakt, wo wir hinwollten, nämlich genau zu diesem Bahnhof mit dem Menschenauflauf vor der Tür. Es war die Talstation der Seilbahn, die den langen und beschwerlichen Weg nach oben auf den Hügel zum Botanischen Garten erheblich erleichterte. Es war nicht schwierig gewesen, den Bahnhof zu finden, ich hatte einen Stadtplan in der Hand! Er stammte aus dem Stapel kostenloser Prospekte auf unserem Zimmer, die Geli noch am ersten Tag im Hotel besorgt hatte, war aber für unseren Ausflug absolut tauglich.

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Riesengroßes schneeweißes Kreuzfahrtschiff am Pier
Riesengroßes schneeweißes Kreuzfahrtschiff am Pier

Gestern hatte ich auch endlich mal einen Wanderführer gekauft, als wir nach unserer Levadawanderung wieder einen Abstecher zu dem Einkaufszentrum am Pass gemacht hatten, um uns mit Madeirawein und ein paar Snacks einzudecken. Während sich Angelina noch einmal die Strickjacke anschaute und sie mehrmals gegen ihre Wange drückte, um zu testen, ob die kratzige Wolle sie noch störte, schlug ich direkt im Büchlein nach und stellte mit Genugtuung fest, dass der Verlauf der Levada, die wir entlang gewandert waren, dort eingezeichnet und der Weg sehr zutreffend beschrieben war. Man konnte sich auf den Wanderführer verlassen. Darin war sogar das einsame Häuschen am Rand der Levada vor einem zugenagelten Tunneleingang erwähnt, wo wir uns ausgeruht hatten und danach umkehren mussten. Ein älteres französisches Paar, das sich zu uns am Häuschen gesellt hatte, musste es auch. Auf den Brettern, die den Tunnel versperrten, hing eine unmissverständliche Warnung vor einer Lebensgefahr. Es gab keine Möglichkeit mehr weiterzugehen. Die Französin, eine sehr schlanke, um nicht zu sagen abgemagerte, fast ungesund aussehende Frau, und ihr Begleiter waren unglaublich fit. Obwohl sie sich erst in Bewegung setzten, als wir schon den ersten Tunnel auf unserem Rückweg betreten hatten, hörten wir schon im zweiten längeren Tunnel ihre Stimmen hinter uns und sahen ihre Schatten vor dem Hintergrund der Tunnelöffnung. Wir gingen nicht gerade eines langsamen Schrittes, aber wir konnten ihr Tempo nicht halten. Sie überholten uns gnadenlos und verschwanden bald hinter der nächsten Biegung. Woher nahmen all die Franzosen diese Kraft?

Heute Morgen waren wir zeitig aus dem Zimmer gegangen, um den Bus nicht zu verpassen, es war immerhin ein ganzer Tagesausflug, den man nicht aufs Spiel setzten wollte, und mussten noch eine Viertelstunde an der Paragem verbringen, ehe ich in der Morgenstille, die im Tal herrschte, vom Pass die Geräusche eines aufheulenden Motors vernahm.

»Er kommt! Er kommt, er kommt!«, freute sich Angelina wie ein Kind und hüpfte auf der Stelle vor Begeisterung, als sie drei Serpentinen höher den Bus erblickt hatte, der die Passstraße herunterfuhr.

»Pass auf! Du brichst dir noch die Beine!«, warnte ich sie, als ich sah, wie sie auf der abschüssigen Fahrbahn an der Haltestelle vor dem Hotel mit den Füßen aufkam – zuerst mit dem einen und dann mit dem anderen, der den Boden zeitversetzt und zehn Zentimeter tiefer als der Erste berührte, was sie aus dem Gleichgewicht brachte und taumeln ließ.

Als der Bus um die letzte Kurve vor dem Hotel kam, gab ich dem Fahrer schon von Weitem brav ein Zeichen mit der Hand, er hätte uns doch bitte mitnehmen sollen. Es wirkte, der Busfahrer nahm seinen Fuß vom Gas, das Brummen des Motors wurde tiefer und der Bus hielt an.

Die Tür öffnete sich und ich hörte eine bekannte Stimme.

»Funchaaal!«

»Funchal centro?«, fragte ich noch mal nach, nicht etwa, um den Fahrer zu ärgern, sondern deswegen, weil er es mit den Haltestellen sehr genau nahm.

»Funchal centro! Funchal centro!«, antwortete er bejahend.

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Das Geheimnis des vernebelten Passes von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Ein Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 11.995
Online Seiten: 145
PDF Downloads: 54
PDF Seiten: 340
EPUB Downloads: 41
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 665482
Druckwörter: 122463
Buchseiten: 504
Erschienen: January 2021

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