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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 56

Die Pseudopatrioten redeten nur wirres Zeug, davon hatte ich mich überzeugen können, als wir mit Angelina nach Jahrzehnten beschlossen hatten, mit unseren alten Bekannten und Schulkameraden wieder Kontakt aufzunehmen. Es war mir unbegreiflich, wie es dazu gekommen war, dass Menschen, die man vor fünfundzwanzig Jahren noch als voll zurechnungsfähig erlebt hatte, sich wie tollwütige Hunde auf alles und jeden stürzten, der Bedenken daran laut werden ließ, dass Russland von allen Seiten von Feinden umgeben war, die nur darauf warteten, den Russen zu schaden und ihren Stolz zu verletzen. Ich wunderte mich, wie einfach es doch war, dass Bewusstsein von Millionen von Menschen durch die primitivste Propaganda zu manipulieren. Doch andererseits war daran nichts Neues, die Menschheit hatte in ihrer Geschichte schon viele Führer erlebt, die ausnahmslos alle durch Abschaffung der Meinungsfreiheit und Errichtung ihrer Lügenmaschinerie an die Macht gekommen waren – unterstützt von der Mehrheit des »Volkes«. Da fiel mir auch gleich ein Propagandaminister ein, der zurecht der Annahme gewesen war, dass wenn man eine Lüge oft genug wiederholte, die Leute sie am Ende glaubten. Dennoch neigten nachkommende Generationen dazu, Fehler ihrer Großväter beinahe eins zu eins zu kopieren. Etwas über die Entstehung einer Diktatur in einem Geschichtsbuch nachzulesen, war eine Sache, viel schwieriger war es dagegen, diese Entwicklung im realen Leben zu erkennen. Sie setzte sich immer aus kleinen, kaum bemerkbaren Ereignissen zusammen, die einzeln nichts bedeuteten, doch gemeinsam einen deutlich erkennbaren Weg zum Untergang der Freiheit markierten. Zwei Dinge waren in der Tat unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit – Albert Einstein hatte wie immer recht gehabt.

Geli kam aus dem Bad und ich schaltete auf einen anderen Sender um. Es war auch für sie eine ziemlich leidige Angelegenheit mit ihrer Familie und ich wollte jetzt keine tiefgreifenden Diskussionen führen.

»Was ist jetzt mit Pico Ruivo?«, wollte sie wissen.

»Was für ein welcher Pico Ruivo?«, stellte ich mich meinerseits dumm! »Da!«, zeigte ich auf die Flasche. »Trink deinen Wein und verhalte dich ruhig. Keine Wanderungen in die Berge ohne Wanderplan!«

Sie schenkte sich ein Glas Madeira ein und trank gierig. Sie war durstig nach der heißen Dusche und leerte das Glas, ohne abzusetzen. Gleich fingen all ihre Frauennachrichten an, die am Vorabend auf verschiedenen Sendern in Folge über Prominente, Königshäuser oder sonstigen Klatsch und Tratsch berichteten, und Angelina machte es sich schon mal auf dem Bett gemütlich, um nichts von den Meldungen des Tages zu verpassen.

Sie schenkte noch etwas Wein ein, lehnte sich auf das Kissen zurück und sagte: »Dann können wir jetzt noch eine Woche fernsehen!«

»Ich bin noch nicht bei Kräften, um eine Bergwanderung zu machen«, bemerkte ich in der Hoffnung, dass sie es einsah.

(?)
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Der Brockenwicht

Der Brockenwicht

Novelle von Nikolaus Warkentin
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»Aber wir hatten doch zwei Ruhetage!«, blieb Angelina unnachgiebig.

Die Diskussion fing an, mich zu nerven. »Bist du denn wahnsinnig? Pico Ruivo ist hier der höchste Gipfel! Ich kann doch nicht einfach mit einem kaputten Knie loswandern. Ich habe keine Lust, auf irgendeinem Hang wieder liegen zu bleiben! Nein und noch mal nein! Wir haben ja wieder nicht einmal was zum Mitnehmen – kein Essen und keine Getränke. Wir haben keinen genauen Routenverlauf und keine Wegbeschreibung. Nein!«

»Die Route fängt oben am Pass an. Da steht ›1.3 Pico Ruivo‹ auf einem Wegweiser.«

» … verdammt!«

Ich ging unter die Dusche, denn weitere Ausführungen hätten zu keinen Ergebnissen geführt, aus dem Fernseher klang gerade die Titelmelodie der Lieblingssendung und zog Gelis volle Aufmerksamkeit auf sich. Sie wusste in diesem Moment nicht mehr, was Pico Ruivo war! Unter der Dusche fiel mir wieder ein, dass ich noch ein paar Sachen zu erledigen hatte, ehe die Kellner damit begannen, den Aufenthaltsbereich zu einem Restaurant umzugestalten. Eine Badüberschwemmung blieb diesmal aus, es war nur ein kurzes Abduschen.

Ich nahm mein Notebook unter den Arm und ging zum Empfang, nachdem meine Haare einigermaßen getrocknet waren. Dort hatten die Kellner die Schülerzusammenkunft bereits aufgelöst, es war weit und breit kein Jugendlicher zu sehen, der mit entfremdetem Gesichtsausdruck auf den Bildschirm seines Smartphones starrte. Alle Sitzgruppen waren frei, aber dazwischen liefen schon einige Angestellte und beschäftigten sich mit der Planung, wo genau Tische und Büfett beim Abendessen ihren Platz finden sollten. Ich war etwas spät dran. Dann entdeckte ich aber rechts neben der Treppe, die nach unten zum Eingang führte, eine kleine Empore unter einem Dachfenster, wo ebenfalls ein Couchtisch mit zwei Sofas stand. Warum ich diese Ecke bis heute noch nicht gesehen hatte, war rätselhaft. Es war aber nicht weiter wichtig. Viel bedeutender erschien die Tatsache, dass die Kellner allem Anschein nach nicht vorhatten, sie in ihre Planung mit einzubeziehen. Ich machte mich dort mit meinem Laptop breit. Die Signalstärke der WLAN-Verbindung war etwas schwächer als an den anderen Tischen, aber immer noch ausreichend, um meine Sachen zu erledigen.

Endlich bot sich eine Gelegenheit, das Rezeptionsbier zu probieren. Ich schaute zum Empfangstresen hinüber und versuchte, den Blick des jungen Portugiesen abzufangen, der heute Dienst hatte, um auf die feine englische Art mit einem Handzeichen aus der Entfernung ein Bier zu bestellen. Es funktionierte nicht, denn der Rezeptionist verfolgte interessiert die Aktivitäten seiner Kollegen beim Einrichten der Empfangshalle fürs Abendessen. Ich musste mich zu ihm bemühen.

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Das Geheimnis des vernebelten Passes von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Ein Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 11.995
Online Seiten: 145
PDF Downloads: 54
PDF Seiten: 340
EPUB Downloads: 41
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 665482
Druckwörter: 122463
Buchseiten: 504
Erschienen: January 2021

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