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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 54

Es wurde zuweilen sehr voll im Aufenthaltsbereich, vor allem abends, wenn die Gäste nach dem Abendessen nichts Besseres zu tun hatten, als Ihre Handys über das WLAN an der Rezeption zu checken. Eine neue, zahlreiche französische Gruppe war am Vortag angekommen und überflutete seit zwei Tagen regelrecht die Empfangshalle. Allem Anschein nach war es eine Schulklasse, die ihre Klassenfahrt auf Madeira machte. Es waren Jungen und Mädchen im Alter von sechzehn, siebzehn Jahren, die sich alle sehr gut kannten und natürlich ziemlich laut waren. Ausnahmslos alle besaßen ein Smartphone und hingen ununterbrochen vor der Rezeption, um einen guten Empfang zu haben. Nachdem sich gestern Abend wieder Nebelschwaden über das Hotel gelegt und der widerwärtige Nieselregen in der Dunkelheit eingesetzt hatte, hörte man zwei Stunden lang vom Balkon aus die jungen Abenteurer in kleinen Grüppchen die Passstraße herunterwandern. Jede Viertelstunde stand eine Handvoll Schüler am Empfang und holte ihre Zimmerschlüssel ab, durchnässt und erschöpft, mit frischem rötlichen Schlamm bis an die Ohren beschmiert, der mich sofort an den Königspfad denken ließ. Genau so musste ich wohl vor zwei Tagen ausgesehen haben, als wir im Hotel angekommen waren – gottlob konnte ich mich nicht im Detail daran erinnern. Vielleicht waren sie aber auch nicht den Königspfad entlanggewandert, als dieses Hundewetter sie überrascht hatte, es war gut möglich, dass sie den Pfad heruntergekommen waren, der an der Boca de Encumeada etwas abseits lag, versehen mit einem Wegweiser, der die Aufschrift »1.3 Pico Ruivo« trug. Der Weg bestand aus fußballgroßen abgeschliffenen Steinen und sah sehr gefährlich aus, bei Weitem nicht für jeden Wanderer geeignet. Er führte steil nach oben und verlor sich im Dickicht auf dem Hang des Turmberges. Vorhin, als wir oben am Pass gewesen waren, hatte ich gesehen, wie Angelina aus dem Bus verstohlen in Richtung der Wanderroute schielte, sich aber wahrscheinlich nicht traute, mir weitere Vorschläge zu Wanderungen auf unbekanntem Terrain zu unterbreiten.

Heute hatte die Mannschaft offenkundig ihren Ruhetag, denn mein flüchtiger Blick, den ich zum Aufenthaltsbereich warf, registrierte, dass fast alle Tische im Besitz der lärmenden Bande von Teenies waren.

»Ich habe so einen Durst!«, meinte ich zu meiner Frau, als wir schon auf dem Gang zu unserem Zimmer waren, und dachte dabei an den Madeirawein, der im Rucksack angenehm gegen meinen Rücken drückte.

»Und ob! Fast bist du ja ohne Whisky und Wein geblieben. Nur weil du nicht auf mich gehört hast. Du willst nie auf mich hören!«, fing Geli wieder an, ihre Sprüche zu meiner Dickköpfigkeit abzuspulen. »Aber Durst habe ich auch!«, fügte sie versöhnlich hinzu, während ich den Schlüssel im Türschloss umdrehte.

Der Ausflug zu den Grotten war nicht mit der Pico-Grande-Wanderung zu vergleichen, aber anstrengend war er trotzdem gewesen. Das verstauchte Knie erinnerte an sich mit leichtem, pochendem Schmerz und der schon vergessene Muskelkater kehrte zurück, als ich meinen Rucksack ablegte und mich erschöpft aufs Bett setzte.

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Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Roman von Nikolaus Warkentin
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»So, jetzt erst mal was zum Trinken!«, sagte ich, während ich eine Flasche Madeirawein aus dem Rucksack herausholte und mühsam versuchte, den Schraubverschluss zu öffnen.

»Geh doch zuerst duschen und frische Klamotten anziehen«, meinte Geli, während sie sich die Wanderschuhe auszog. »Dann kannst du auch richtig entspannen!«

»Nix ist da! Danach kann ich noch ein Glas trinken«, erwiderte ich und konnte endlich den Kampf mit dem Schraubverschluss gewinnen. Ich füllte das Glas bis zum Rand mit dem edlen Traubensaft und machte einen großen Schluck. »Er schmeckt ja wieder hervorragend!«, freute ich mich über die gute Wahl, die wir im Souvenirgeschäft getroffen hatten.

»Dann lass mich auch mal probieren!« Geli nahm ebenfalls einen Schluck aus meinem Glas und bestätigte meine Geschmackswertung.

Sie verschwand im Bad und ich schaltete den Fernseher ein. Es gab eine Reihe von deutschen Sendern im Programmangebot und ich fand bald einen Nachrichtenkanal, der über den Abschuss einer Passagiermaschine über der Ostukraine von vorgestern berichtete.

Die Auseinandersetzung zwischen Russland und Ukraine ließ mich alles andere als gleichgültig und neutral bleiben. Im Gegenteil: Ich war voreingenommen und meine Meinung war beeinflusst durch einen bedeutenden Zeitabschnitt meines Lebens, den ich im dunklen Reich der Sowjets verbracht hatte! Aufrichtig hatte ich nach dem Zusammenbruch des empire of evil all den Menschen gewünscht, dass sie durch unverhoffte Freiheit, die ihnen plötzlich in den Schoß gefallen war, ihr Leben endlich selbst bestimmen und ihre Zukunft gestalten konnten. Naiv und blauäugig musste ich gewesen sein. Siebzig Jahre kommunistischer Gehirnwäsche und Massenterrors gegen den frei denkenden Teil der Gesellschaft hatten ihre Früchte getragen. Die Reihen der Menschen, die mit einem Gehirn ausgestattet waren, hatten sich merklich gelichtet. Der graue Rest konnte mit Freiheit und Demokratie nichts anfangen. Freiheit war lästig! Man war gezwungen, etwas zu unternehmen, um zu überleben und – großer Gott! – man musste das Gehirn anstrengen, um weiterzukommen. Schon nach zehn Jahren etablierten sich in fast ausnahmslos allen Teilen der ehemaligen Sowjetunion, wenn nicht direkte Diktaturen, dann streng autoritäre Regimes, die Menschenwürde verachteten und sie mit Füßen traten wie einst die sozialistischen Bonzen.

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Das Geheimnis des vernebelten Passes von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Ein Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 11.995
Online Seiten: 145
PDF Downloads: 54
PDF Seiten: 340
EPUB Downloads: 41
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 665482
Druckwörter: 122463
Buchseiten: 504
Erschienen: January 2021

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