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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 49

Wir mussten gut einen Kilometer zurück in die Stadt wandern und blieben immer auf dem Bürgersteig neben der Hauptstraße, um kein Schild zu verpassen, auf dem »Grutas« stand. Nachdem wir schon einige Kreuzungen überquert hatten, entschloss ich mich, einen Portugiesen nach dem Weg zu fragen, da immer noch kein zweiter Wegweiser in Sicht war. Der ältere Mann in einem abgetragenen Sakko stand müßig vor dem Eingang seines Häuschens und beobachtete den Verkehr.

»Grutas?«, verwendete ich das neu erlernte portugiesische Wort und formte mein Gesicht zu einem großen Fragezeichen, damit er mich besser verstand. Er überlegte einen Augenblick, da das Wort aus meinem Mund für ihn wahrscheinlich nicht ganz vertraut klang.

»Grutasch, Grutasch, Grutasch!«, erwiderte er lächelnd und zeigte mehrmals energisch in Richtung der Stadt. Freilich, auf Portugiesisch sprach man jedes »s« wie ein »sch« aus. Ich bedankte mich mit einem höflichen Nicken, zu meiner großen Schande wusste ich nicht, wie »danke« auf Portugiesisch hieß.

Wir waren also auf dem richtigen Weg. Erst nachdem wir die Stadt erreicht hatten, sah Angelina an einer Kreuzung ein Schild mit der richtigen Aufschrift. An dieser Gabelung, die nicht weit von der Haltestelle auf der Hauptstraße lag, waren wir heute definitiv schon mehrmals vorbeigelaufen, ohne den Wegweiser bemerkt zu haben. Eine ganze Stunde waren wir in der Gegend herumgeirrt, dabei lag der richtige Abzweig direkt vor unserer Nase! Es war einfach Pech.

Ein großer Reisebus stoppte an der Kreuzung, setzte den linken Blinker und wartete den Gegenverkehr ab. Es war anzunehmen, dass er eine Touristengruppe zu den Grotten brachte, wir konnten ihm also getrost folgen, um endlich zu unserem Ziel zu gelangen. Wir querten die Hauptstraße und gingen dem Bus hinterher, der mit aufheulendem Motor die Straße entlang fuhr, nachdem er sich an der Kreuzung schwerfällig in die enge Kurve hineingepasst hatte. Über eine Autobrücke kamen wir auf die andere Seite des Flusses und erstaunlicherweise sah ich jetzt fast an jeder Kreuzung einen Wegweiser mit dem Schriftzug »Grutas«. Wir schritten immer weiter auf einem fast waagerecht verlaufenden Bürgersteig, der uns vorbei an modern gebauten Häusern einer Wohnsiedlung zu den Lavagrotten führte. Gott sei Dank ging es nicht bergauf. Es war trotzdem ein weiter Fußmarsch, der bei mir immer wieder unangenehme Erinnerungen an die Pico-Grande-Tour hervorrief.

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Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Roman von Nikolaus Warkentin
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Diese Gegend hatte nichts mehr mit der Altstadt gemeinsam. Im Erdgeschoss manch eines Hauses sah man bald ein kleines Geschäft unbestimmter Ausrichtung, bald eine private Werkstatt. Mit Verwunderung blieb man vor einem offenen Tor einer Garage stehen, wo in Holzregalen verschiedene Konservendosen gestapelt waren oder Marmeladengläser ihren süßen Inhalt präsentierten, im Eingang stand eine grobgehobelte Theke, auf der diverser Krimskrams angeboten wurde oder manchmal ein Korb mit Brot und anderen Backwaren aufgestellt war. Man behalf sich, wie man konnte. Ich fragte mich zuweilen: Wo kauften die Leute hier eigentlich ein? Denn während unseres Ausfluges zur Flussmündung und zurück hatte sich meinem Augenmerk nichts geboten, was einem größeren Einkaufzentrum ähnlich sah. Dabei waren wir an einem weitläufigen Industriegebiet vorbeigelaufen, das auch Autohäuser und Elektronikläden beherbergte. Dennoch keine Geschäfte, wo man beispielsweise seinen Wocheneinkauf von Lebensmitteln und Getränken erledigen konnte! Der Supermarkt in der Altstadt befand sich in der Fußgängerzone und war vermutlich eher für Touristen gedacht, dort gab es nicht einmal Parkmöglichkeiten für einen Einkauf. Oder lebten die Menschen hier noch alle in der guten alten Zeit, als Tante Emma um die Ecke das ganze Dorf mit Wurst und Käse versorgt hatte?

Am Ende der Häuserreihe öffnete sich der Blick auf einen größeren Parkplatz. Er musste zum Besucherzentrum für lavabegeisterte Touristen und Höhlenliebhaber gehören, dort stand der Bus, dem wir zuvor an der Kreuzung gefolgt waren. Ein gepflasterter Pfad führte vom Parkplatz zu den Grotten, die sich auf der anderen Seite der Ribeira de São Vicente befanden. Auf dem Vorplatz des Centro de Vulcanismo tummelten sich Ausflügler, die hier von drei Reisebussen abgeladen worden waren. Einige warteten auf Einlass, andere hatten die Führung schon hinter sich und tranken in der Cafeteria ihre Tasse Kaffee. Wir hatten Glück, es war zehn vor zwölf und jede volle und halbe Stunde startete hier ein geführter Rundgang durch das Höhlenlabyrinth, vorausgesetzt, es fanden sich genug Teilnehmer für eine Führung. Dieser Umstand war heute wahrscheinlich das Letzte, was man befürchten sollte. Wir kauften noch schnell zwei Tickets an der Tageskasse und schlossen uns einer Gruppe an, die schon ungeduldig auf ihre Höhlenführerin wartete. Die Führung sollte etwa eine Stunde dauern und es ging auch gleich los, nachdem eine junge Frau aufgetaucht war und sich als Anführerin unserer Expedition in den Abyssus vorgestellt hatte.

Das unterirdische Schattenreich erwies sich als ein durch elektrisches Licht beleuchtetes Höhlensystem, das beim Durchfließen von gewaltigen Lavaströmen entstanden war. Der Mechanismus war denkbar einfach: Lange, lange vor unserer Zeit war das Hochplateau Paul da Serra ein riesiger Vulkankrater gewesen, der Lava gen Himmel spuckte. Glühend heiße flüssige Masse füllte den Krater, schwappte über den Rand und floss nach unten zum Ozean in Feuerströmen, die alles auf ihrem Weg vernichteten. Ob aus Mangel an Lavanachschub oder aufgrund anderer Ereignisse, aber die oberen Schichten kühlten nach und nach ab und erstarrten zu einer festen Kruste. Nur unter dem steinernen Panzer gab der Feuerdrache keine Ruhe und bahnte sich noch Jahrhunderte lang beharrlich den Weg zur Küste. Erst als der Vulkan die letzten Reste des nachfließenden Magmas verbraucht hatte und die Lavamassen im Krater erstarrt waren, um Paul da Serra in eine Hochebene zu verwandeln, blieben hohle Gänge im Fels zurück, wo einst das Inferno getobt hatte – so vermutete man.

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Das Geheimnis des vernebelten Passes von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Ein Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 11.979
Online Seiten: 145
PDF Downloads: 54
PDF Seiten: 340
EPUB Downloads: 41
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 665482
Druckwörter: 122463
Buchseiten: 504
Erschienen: January 2021

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