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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 43
Schon sehr bald, hatten wir keine Leser mehr, die etwas auf Papier haben wollten, und von der Möglichkeit, ihnen den Lesestoff über das neue Medium anzubieten, waren wir noch meilenweit entfernt. Wir mussten die Räumlichkeiten aufgeben. Geli nahm wieder eine Vollzeitstelle in einer Bäckerei an und ich … Ich zog mich in ein kleines Büro zurück, das ich nicht weit von unserem Wohnort angemietet hatte, um noch irgendwie die Reste der ehemaligen Pracht zusammenzuhalten. Mein Kompagnon verließ die Firma nach zwei Jahren des Herumkrebsens und der schmerzhaften Neufindung, um seine eigenen Wege zu gehen. Ich war allein, verfiel in Depressionen, gab aber die Idee mit dem Internet nicht auf. Autodidaktisch kam ich langsam hinter die Geheimnisse des Programmierens und der grafischen Gestaltung. Die zwei Bücher für Programmierer, die ich mal besorgt hatte, entpuppten sich als eine wahre Schatzgrube und hatten nunmehr einen festen Platz auf meinem Schreibtisch, obwohl meine Bemühungen und Anstrengungen vorerst nicht zum gewünschten Erfolg geführt hatten. Zumindest so lange nicht, bis ich eines Tages rein zufällig entdeckte, dass im Netz ein enormes Interesse am Thema Dating bestand. Ich fing an, mir Gedanken zu machen, ob ich so einer Riesenaufgabe gewachsen gewesen wäre, als sich jemand unerwartet am Telefon meldete und fragte, ob ich nicht ein Angebot zur Programmierung einer Internetseite für Bekanntschaften hätte abgeben können. Und ob ich das konnte! Zum einen wäre es der erste nennenswerte Auftrag gewesen, für jemanden etwas zu programmieren, zum anderen hätte ich eine Möglichkeit bekommen, mich nicht uneigennützig mit der Materie auseinanderzusetzen. Der Auftraggeber war am Ende anscheinend ganz zufrieden mit der Arbeit, die Rechnung wurde bezahlt und ich war um eine Erfahrung reicher geworden.
Die erste Version meiner Bekanntschaftsseite war zweitausendzehn erschienen. Innerhalb der vier letzten Jahre hatte sie sich sogar besser entwickelt als ursprünglich erhofft. Seit zwei Jahren warf die Webseite mehr als genug ab, um nicht nur übers nackte Überleben nachzudenken. Ein Madeira-Urlaub war wieder möglich! Vor einem Jahr hatte die Seite ein neues Design und neue Funktionen bekommen, sie machte einen sehr professionellen Eindruck. Ich freute mich ungemein, dass meine Mühen der letzten zehn Jahre nicht umsonst gewesen waren. Durch die Dachfenster, hinter denen sich draußen die milchigen Nebelschwaden im leichten Wind wiegten, fiel allmählig immer mehr Tageslicht in den Aufenthaltsbereich, während ich mich mit meinen Sachen beschäftigte. Der Rezeptionist tauchte hinter dem Tresen auf, er kam aus dem Hinterzimmer mit verschlafenem Gesicht heraus, sah mich etwas verwundert an und wünschte mir einen guten Morgen.
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»Good Morning!«, sagte er mit heiserer Stimme. Auch von unten hörte man Geräusche und Gespräche. Kellner und Köche aus dem Restaurant hatten ihren Dienst angetreten und waren dabei, alles für das Frühstück vorzubereiten, das Geschirr klirrte hin und wieder, wenn sie saubere Teller auf der Auslagetheke stapelten. Inzwischen war es schon halb sieben geworden und es war zu erwarten, dass gleich auch andere Angestellte zum Dienst eintrudelten. Ich saß im öffentlichen Aufenthaltsbereich, immer noch gekleidet in meinen Schlafanzug, der von meinem Umhang etwas abgedeckt war. Es musste nicht sein. Ich beschloss, mich aufs Zimmer zurückzuziehen, obwohl noch nicht alles erledigt war. Schließlich konnte ich die paar Sachen auch später machen, wir wären garantiert den ganzen Tag im Hotel geblieben – keine zehn Pferde hätten mich dazu bringen können, einen Fuß vor die Tür zu setzen. Vom langen Sitzen in einer unbequemen Position am Couchtisch hatten meine Beine erneut jedes Gefühl verloren und verursachten einen stechenden Schmerz, als ich das Notebook zuklappte und aufstehen wollte. Begleitet von verständnisvollen Blicken des Mannes am Empfang, benutzte ich wieder meine Chamäleon-Technik der Fortbewegung, während ich am Tresen entlangwatschelte und eine interessante Entdeckung machte. Links am Ende der Theke war eine Bierzapfsäule installiert, die hinter dem Schanktisch emporragte. Man konnte also, wenn man gewollt hätte, auch ein Bier im Aufenthaltsbereich bestellen und trinken. Noch war es mir nicht nach Bier, aber nützlich war es allemal. Nach dem Preisschild zu beurteilen, war es auch günstiger als das Bier im Restaurant, das wir beim Abendessen bestellten. Mich quälte immer noch die Frage, was gestern nach meinem Blackout auf der Schotterpiste geschehen war. Ich erinnerte mich nur an meinen wilden Schrei, danach war alles verschwommen. Der Korridor zu unserem Zimmer war unendlich lang, die geschwächten, eingeschlafenen Gliedmaßen wollten nicht auf mich hören. Ein unangenehmes Kribbeln in den Beinen, die ihr Gefühl langsam wiedererlangten, erinnerte an kleine Stromschläge und ließ mich an jeder Tür halten, um den nächsten Spannungsabfall abzuwarten. Ob sie auch irgendwelche elektrischen Impulse durch meine Nervenbahnen zum Gehirn sendeten, wusste ich nicht, aber durch meinen Kopf schossen im Sekundentakt diffuse Bilder, die ich in Wirklichkeit nie erlebt hatte. Ich sah mich auf wackeligen Beinen auf dem Schotterweg eine rauchen. – Ich schrie etwas verzweifelt meiner Frau zu, die hundert Meter von mir entfernt war. – Angelina ging die Passstraße rücklings hinunter. – Warmes Wasser floss über mein Gesicht, die Augen waren geschlossen. – Ein Kellner lächelte mich freundlich an. – Ich fand mich im Haus mit den leeren Büroräumen aus meinem Traum wieder. – Ich stand vor der Tür unseres Hotelzimmers, das war real. Ich stand wirklich dort.
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KurzinhaltEin Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.Über den Autor
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