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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 41

* * *

Ich wachte auf und wusste nicht, wo ich war. Bruchstücke eines merkwürdigen Traums schwebten noch in meinem Kopf. Ich hatte von irgendwelchen leeren Büroräumen geträumt, die sich in einem einstöckigen Haus befanden. Das Haus am Ende einer langen Auffahrt sah heruntergekommen aus. Auf der Straße vor der Auffahrt herrschte reges Treiben: Auf dem Bürgersteig eilten Leute, um ihren Geschäften nachzugehen, Straßenbahnen fuhren vorbei, Autos hupten und quietschten mit den Reifen. Ich war allein im ganzen Haus und lief aus einem Raum in den anderen, ohne zu wissen, was ich hier machte. Alles sah alt und schäbig aus, von der Decke hingen Spinnweben herunter, die Heizkörper unter den Fenstern hatten eine Form, die ich zuletzt vor Jahrzehnten gesehen hatte. Noch nie zuvor war ich hier gewesen, aber die Bürotische kamen mir bekannt vor! Richtig, das war doch der »Chef«-Tisch von Angelo. Seine mit Notizen vollgekritzelte Schreibunterlage lag darauf, als hätte er den Raum gerade erst verlassen, nur dass sich eine dicke Staubschicht darüber gelegt hatte. Der witzige Spruch von Wolfgang schmückte sich mit Fettschrift in der Mitte: »Neuwidd über die Brick«. Er schrieb ihn heimlich, als er Angelo nach einem seiner Vorträge in Italo-Deutsch aufziehen wollte. Der Satz war Teil einer wirren Wegbeschreibung von Angelo und bedeutete so viel wie »In Neuwied über die Brücke fahren«! Beide waren vor langer Zeit meine Kollegen im Weinverkauf gewesen. Wir arbeiteten auch in einem renovierungsbedürftigen Büro, das nach kaltem Tabakrauch roch. Aber nicht in diesem hier! Wie der Traum endete, entglitt meiner Erinnerung, das Ende der Geschichte löste sich in den Tiefen meines Gehirns auf. Was sollte das? Was war der Auslöser, dass ich von meiner alten Ar…? Arbeit? Ja, die Arbeit! Ich erinnerte mich plötzlich, dass ich jetzt eine andere Arbeit hatte, der ich schon lange nicht mehr nachgegangen war. Warum?

Es war ganz dunkel, nur der graue Umriss eines Fensters hinter den Vorhängen hob sich von der schwarzen Nacht ab. Rechts konnte ich den Atem meiner Frau hören. Wo war ich hier? Ich streckte meinen Arm vorsichtig nach links aus und ertastete eine hölzerne Oberfläche. Es musste ein Nachttisch am Bett sein. Als ich über die Konsole mit der Hand fuhr, stieß ich auf etwas kaltes aus Glas. Es fühlte sich wie eine Flasche an. Weinflasche? … Madeirawein! Wir hatten ihn nicht ausgetrunken. Madeira! Ich war auf der Insel Madeira in unserem Hotelzimmer! Es schien, dass ich wieder in die Realität zurückgefunden hatte. Ich konnte mich trotzdem nicht mehr erinnern, wie mein Kopf gestern das Kissen berührt hatte. Genauso wenig wusste ich, ob und was wir gestern Abend im Restaurant gegessen hatten.

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Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Roman von Nikolaus Warkentin
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Die Notdurft drängte. Ich musste aufstehen, um in den Waschraum zu gehen, stellte aber sofort fest, dass jedes Körperteil schon beim leisesten Versuch, sich aufzurichten, schmerzte. Das rechte Knie fühlte sich geschwollen an. Ich schob die Decke beiseite und setzte mich vorsichtig auf die Bettkante. Meine Hausschuhe standen nicht an der gewohnten Stelle, es war aber nicht weiter schlimm, denn aus irgendeinem Grund hatte ich Socken an und musste nicht barfuß über kalte Bodenfliesen laufen. Mit kleinen unsicheren Schritten und steifem Oberkörper tastete ich mich im Dunkeln bis zur Tür des Waschraums. Ich klackte mit dem Lichtschalter und das Erste, was ich sah, nachdem sich die Augen an das grelle Licht gewöhnt hatten, war mein gelbes schmutziges Hemd, das in einer Ecke auf dem Boden lag. Die Blockade in meinem Kopf löste sich und ich wusste auf einmal über jeden einzelnen Schritt unserer gestrigen Wanderung Bescheid. Ich erinnerte mich lebhaft an Jean-Luke, an den Erlkönig, an den leidvollen Aufstieg, an Pico Grande, an die Wadenkrämpfe, an das Liebespärchen im Wald und an meinen unglücklichen Sturz auf dem Treppchen. Danach hatte ich einen Filmriss.

Ich sah auf die Uhr. So früh am Morgen war es nicht mehr. Kurz nach fünf – es hätte schon ziemlich hell sein müssen. Schlaftrunken und von Muskelkater und Gelenkschmerzen geplagt, spürte ich meine Schuhe auf, holte den Wasserkocher und setzte Wasser auf. Das Gefühl kam langsam zurück in meine Gliedmaßen. Auf dem Schminktisch fand ich eine angebrochene Packung Zigaretten und machte die Balkontür auf, um draußen eine zu rauchen. Nun begriff ich, warum es auf dem Zimmer stockfinster war. Man konnte auch draußen nichts sehen, mein Blick traf auf eine undurchdringliche Nebelwand hinter dem Balkongeländer. Es war feucht und kalt, ekelhafter Nieselregen tröpfelte auf den Balkontisch und machte die Stühle als Sitzfläche untauglich. Nicht die kleinste Spur von Morgendämmerung oder Sonnenaufgang war auszumachen.

Ich trank meinen Kaffee auf dem Zimmer bei geschlossener Balkontür. Das Wetter wirkte nicht besonders einladend, um den Morgen mit einem dampfenden Becher draußen zu begrüßen. Während des kurzen Aufenthalts auf dem Balkon hatten sich schon kleine Tröpfchen auf meinem Wollumhang niedergeschlagen, die alles andere als Gemütlichkeit versprachen. Ich musste wirklich mal meine Arbeit erledigen, dachte ich, als mir mein zugeklapptes Notebook auf dem Schminktisch unter die Augen kam. Wie lange lief die Webseite schon unbeaufsichtigt? Keine Ahnung, lange genug! Vielleicht lief auch gar nichts mehr. Vielleicht hatte es eine Störung gegeben und der Server war zusammengebrochen? Ich packte den Laptop und begab mich humpelnd zur Rezeption.

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Das Geheimnis des vernebelten Passes von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Ein Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 11.973
Online Seiten: 145
PDF Downloads: 54
PDF Seiten: 340
EPUB Downloads: 41
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 665482
Druckwörter: 122463
Buchseiten: 504
Erschienen: January 2021

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