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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 37

»Was glaubt ihr, wie geil jetzt die Fische beißen? Lasst uns zum Angeln rausfahren!«

»Wohin und womit?« Fragende Blicke richteten sich auf ihn.

Auch Andree unterstützte den Vorschlag: »Der Nachbarsjunge, ein Kumpel von mir, brachte Vorgestern zwei Dutzend große Karauschen vom alten Flussarm hinter der Raffinerie.«

Andree war ein Junge, mit dem wir eine ziemlich enge Freundschaftsbeziehung zu jener Zeit pflegten und auch noch lange Jahre, nachdem wir alle die Schule verlassen hatten, setzte sich diese Jugendfreundschaft fort.

Er hätte recht haben können, dachte ich, denn kurz vor der Laichzeit im Frühjahr stopften sich die Fische den Bauch voll. Es war gut möglich, dass sie sich auf jeden Krümel warfen, der im Wasser vor sich hin trieb. Der Angelplatz war in unserem Kreis nicht unbekannt. Ein alter Flussarm, der stellenweise schon zu einem Sumpf verkommen war, bot durchaus gute Chancen, mit ein paar Fischen nach Hause zu kommen. Es war ein völlig naturbelassenes Moorgebiet, wo sich größere und kleinere Seen mit sumpfigen Flächen abwechselten, die mit Schilfgras zugewachsen waren. Wir angelten dort natürlich schwarz! Doch das Angeln allein war selten das Ziel dieser Ausflüge. Gewöhnlich brachen wir schon abends auf, um bis zum Morgengrauen ein Trinkgelage am Lagerfeuer zu veranstalten. Zog man mit den ersten Sonnenstrahlen auch noch einen Fisch aus dem Wasser, war die Angeltour perfekt.

»Wie sollen wir denn jetzt noch hinkommen? Der letzte Bus in die Richtung ist vor einer halben Stunde an der Raffinerie abgefahren«, bemerkte jemand berechtigterweise.

»Wie wäre es mit Fahrrädern?«, fragte ich.

»Du hast gut reden! Du hast ja eins. Und die anderen?«

Am Ende hatten wir es geschafft, sechs Fahrräder aufzutreiben, sodass die Tour beginnen konnte. Der Rest musste zu Hause bleiben. Es war auch nicht jedermanns Sache, dreißig Kilometer weit zu strampeln, die meisten hatten schon bei meinem Vorschlag die Nase gerümpft.

Wir lagerten in den Canyons, so nannten wir die Schluchten, die kleine und große Rinnsale im Laufe der Zeit in der ehemaligen Uferanhöhe ausgewaschen hatten. Der Abhang am Rand des früheren Flussbetts war auf einem Abschnitt von einem Kilometer davon durchlöchert wie Schweizer Käse. In der Sohle waren die Schluchten fast perfekt eben und boten genug Platz für ein Lagerfeuer und eine gesellige Runde. Man war hier unter sich, vor den neugierigen Blicken der Eltern und Lehrer geschützt. Es stellte sich heraus, dass außer mir nur noch einer eine Angelrute mithatte, die anderen wollten anscheinend nur Spaß haben!

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Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Roman von Nikolaus Warkentin
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Alle waren schon ordentlich beschwipst vom mitgebrachten Bier und wollten sich noch für ein Stündchen bis zum Morgengrauen hinlegen, als es anfing, leicht zu tröpfeln. Es regnete immer heftiger, bis es nach einer halben Stunde wie aus Eimern goss. Es war kein kurzes Gewitter, es war ein gemeiner Dauerregen, dem das Wasser auch nach sechs Stunden nicht ausgegangen wäre. Er verwandelte das sumpfige Tal in ein einziges Schlammloch. Mit dem Rad zu fahren, war nur mit äußerster Anstrengung möglich. Die glitschigen Wege ließen uns beim Fahren hin- und herschlittern, die Reifen drehten durch und schleuderten den dicken Matsch in hohem Bogen auf den Hintermann. Wir wollten alle zu dem kleinen See am Hügel, wo wir schon immer geangelt hatten. Jeder versuchte es auf seine eigene Faust und schon sehr bald zerstreuten wir uns in der Gegend, sodass keiner mehr wusste, wo der andere war.

Nur ich und Andree blieben zusammen und fuhren hintereinander. Irgendwie hatten wir herausgefunden, dass wenn man durch die Pfützen auf dem Weg fuhr, der Boden unter dem Wasser aus irgendeinem Grund etwas fester war und die Reifen griffen. Die Fahrräder waren unter der Schlammschicht, die sie bedeckte, kaum zu erkennen, als wir an unserem Angelplatz ankamen. Ans Angeln war nicht mehr zu denken und der Rest der Gruppe war auch nicht da. Wir waren noch von der Nacht verkatert und am Ende unserer Kräfte von der Schlammrallye. Auf einem Erdhügel unter einem Bäumchen rasteten wir, um gleich in Richtung Stadt aufzubrechen.

»Pass auf, ich hab was Geiles dabei!« Andree steckte seine Hand in den Rucksack und holte eine Tafel Schokolade heraus. Es war eine kleine Tafel, man hätte sie bald in der Hand verstecken können. »Meine Mutti hat sie mir reingelegt. Gleich sind wir wieder fit!«

Er brach die Hälfte ab und hielt sie mir hin, nachdem er die Alufolie entfernt und unter den Baum geworfen hatte.

»Was glotzt du denn so, nimm schon!«, fügte er hinzu, während ich noch zögerte.

Ich ließ es mir nicht noch einmal sagen. Der süße Geschmack raubte mir die Sinne und füllte meine Muskeln mit Energie. Sie reichte auf jeden Fall, um es mühelos durch den Schlamm bis zum benachbarten Dorf zu schaffen, wo es schon feste Straßen gab. Wir warteten dort auf unsere Kameraden und ich erinnerte mich an die zerknüllte Alufolie unter dem Baum und das kleine braune Stückchen Kakao mit Zucker, das so viel Zauberkraft besaß. Eine Tafel Schokolade.

Das Leben hatte uns alle verschiedene Wege geführt. Viele Freundschaften waren im Laufe der Zeit zerbrochen, einige blieben bestehen. Ich hoffte aber, dass sich noch jeder an unseren Ausflug erinnern konnte. Ich wollte manchmal sie alle wieder treffen und danach fragen. Doch Andree hätte ich nicht mehr fragen können, er hatte vor Kurzem schon das Zeitliche gesegnet. Ich hatte gehört, dass er in den letzten Jahren viel zu tief ins Glas schaute. Er war an seinem Geburtstag durch eine Kohlenmonoxidvergiftung gestorben, als er betrunken in seinem Auto eingeschlafen war, ohne den Motor abzustellen. Dumm und tragisch zugleich. Er war jetzt für immer weg, aber seine Tafel Schokolade lag immer noch auf meiner Hand, für den Rest meines Lebens.

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Das Geheimnis des vernebelten Passes von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Ein Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 11.973
Online Seiten: 145
PDF Downloads: 54
PDF Seiten: 340
EPUB Downloads: 41
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 665482
Druckwörter: 122463
Buchseiten: 504
Erschienen: January 2021

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