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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 27

Als ich an der Stelle ankam, von wo an der Königspfad zunächst immer flacher und dann leicht abfallend wurde, öffnete sich der Horizont und ich bekam endlich freie Sicht auf den Pfadverlauf. Ja, sie stand etwa vierhundert Meter entfernt auf dem Weg in ihrer gelben Wanderhose und machte unbekümmert ihre Fotos. Letztendlich war es natürlich keine große Sache, sie war auch sonst manchmal ziemlich eigensinnig, was ich auch weitgehend akzeptierte, doch dafür, dass sie sich still weggeschlichen hatte, kriegte sie gleich was zu hören, ich musste nur noch genug Kraft aufbringen, um sie einzuholen. Sie war mit Sicherheit auch angeschlagen, es konnte nicht anders sein, und musste spätestens dort eine Rast einlegen, wo auch ein Teil der Franzosen gerade eine Verschnaufpause machte. Der Platz eignete sich dafür hervorragend, ich konnte es schon von hier erkennen.

Mit weichen Knien und angetrieben vom Mut der Verzweiflung, musste ich noch fünfhundert Meter bewältigen. Es freute mich ungemein, dass auch einige Franzosen noch nicht die Stelle erreicht hatten, wo die Schlucht zwischen der ersten und der zweiten Bergkette anfing, um die der Pfad einen Bogen vor der Flanke des zweiten Rückens machte. Möglicherweise hatte nicht nur ich die Bekanntschaft mit dem örtlichen König der Kobolde gemacht, denn zwei, drei Wanderfreunde näherten sich erst einem Damm aus aufgeschütteten Steinen, der die Schlucht an ihrem Kopf querte und eine perfekte Sitzmöglichkeit auf einer kleinen Steinmauer bot. Dort sammelte auch schon der eine oder der andere erschöpfte Kollege seine Kräfte, um noch den letzten kleinen Anstieg zum Felsvorsprung an der Seite der zweiten Bergkette zu bewältigen. Bedachte man, dass die Mannschaft ihren Aufstieg eine halbe Stunde vor uns angetreten hatte, war meine missliche Leistung noch nicht die Allerschlechteste.

Auf dem Felsvorsprung oben stand – wie hätte es anders sein können? – Jean-Luke mit seinen treusten und fittesten Anhängern, die es schon nach oben geschafft hatten. Was auch immer er dort auf dem vorstehenden flachen Stein erzählte, seine Rede genoss die volle Aufmerksamkeit der Clique.

Die letzten Franzosen hatten den Damm verlassen und kämpften gerade mit dem letzten Anstieg vor dem Vorsprung, als ich meine geliebte Frau einholte und ihr meine Meinung sagte.

»Es ist doch schön, nicht? … deinen Mann diesem Berg zum Verderben auszuliefern. Allein! Ohne Wasser und Rückhalt! Schön …!«

»Fang jetzt nicht wieder damit an!«, unternahm Angelina einen Gegenangriff »Du hast es ja geschafft. Ich habe es dir gesagt, ich kann nicht langsam gehen oder zwischendurch stehen bleiben! Ich habe meinen Rhythmus, sonst werde ich sofort müde.«

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Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Roman von Nikolaus Warkentin
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»Jaja«, meinte ich philosophisch tiefgründig. Ich konnte wieder scherzen.

»Du hast dich aber gut geschlagen, mein Liebster!« Geli fuhr ihre Geschütze wieder ein. »Ich dachte, du bleibst dort stehen und gehst nicht weiter. Aber dann … Nein, was sehe ich da? Er folgt mir wie ein Hündchen!«

»Warum bist du denn weggegangen, ohne ein Wort zu sagen? Das vergesse ich dir nie! Nie! Ich bin da fast gestorben.«

»Oooh! Das wird nicht wieder vorkommen!«, ironisierte sie weiter.

»Du kriegst es alles zurückgezahlt«, beendete ich die Auseinandersetzung, um meine Kräfte zu sparen.

Wir waren jetzt an der Mauer. Meine Frau holte die Wasserflasche heraus und nahm einen Schluck. Ich trank sehr wenig und langsam, damit auch jeder einzelne Tropfen seinen Zweck erfüllte. Der Weg war lang und beschwerlich, das Wasser war knapp. Noch einen Anstieg dieser Art hätte die Flasche nicht überstanden. Ich vielleicht auch nicht. Wir saßen lange auf den Steinen. Ich hatte weder Kraft noch Lust aufzustehen. Meine zitternden Beine weigerten sich, ihren Dienst zu leisten. Gesprochen wurde nicht viel. Jeder war mit seiner Erschöpfung beschäftigt und vermied jede weitere Anstrengung, so gut es ging.

In die Gruppe oben auf dem Felsvorsprung kam Bewegung, nachdem die letzten Nachzügler das Hauptfeld erreicht hatten. Jean-Luke hatte noch den letzten Satz zu Ende gesprochen, der irgendwelche Anweisungen an seine Mannschaft enthielt, bevor sich die Franzosen in eine Reihe aufstellten und ihre Wanderung fortsetzten.

»Wenn gleich noch so ein Anstieg kommt, kehren wir auf der Stelle um und gehen nach Hause«, verkündete ich eine Viertelstunde später meinen Entschluss.

Angelina schwieg.

Ich hatte schon die ganze Zeit den Vorsprung betrachtet, er schien ziemlich waagerecht an der Bergflanke zu verlaufen, zumindest auf dem von hier sichtbaren Abschnitt. Er sah dem Vorsprung, wo wir gestern entlang der Levada gewandert waren, zum Verwechseln ähnlich.

»Wir probieren es gleich da oben«, fügte ich hinzu. »Wenn es mir aber auch ohne Anstieg zu viel wird, dann ebenfalls.«

»Es geht bestimmt gleich nach unten!«, mutmaßte meine Frau. »Und was ist mit dem Curral? Wir wollten doch …»

»Los, gehen wir! Wir müssen gleich eine breitere Stelle finden, ich habe schon Hunger!«

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Das Geheimnis des vernebelten Passes von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Ein Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 11.970
Online Seiten: 145
PDF Downloads: 54
PDF Seiten: 340
EPUB Downloads: 41
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 665482
Druckwörter: 122463
Buchseiten: 504
Erschienen: January 2021

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