Logo Leseecke
OPEN DIGITAL LITERATURE PROJECT
Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 19

Überall wandelten sorglose Touristen. Jetzt wusste ich auch, woher all die Leute kamen, denen wir auf dem letzten Abschnitt zwischen dem Levadatunnel und dem Pass begegnet waren. Für eine Bergwanderung waren sie alle sehr unpassend gekleidet gewesen, erinnerte ich mich an die Ausflügler, während ich unschlüssig an der Straße vor dem Laden stand. Bereits auf dem Platz vor dem Tunnel, wo wir uns heute Morgen umgezogen hatten, standen ein paar Badeurlauber, die man eher auf einer Strandpromenade anzutreffen erwartete. Wir machten dort auch ein Päuschen, um von der Plattform Fotos mit dem Pico Grande in Hintergrund zu schießen, das Sonnenlicht fiel gerade ganz günstig und nicht direkt in das Objektiv wie heute Morgen. Auf der Bank neben dem Tunneleingang unterhielt sich ein französisches Pärchen. Monsieur versuchte, Madame von etwas zu überzeugen. Seine leichten Sandalen ließen nicht vermuten, dass ihm heute noch eine Tunnelwanderung bevorstand, dafür hatte er aber eine noble Kartentasche, die stolz auf einem Gurt an seinem Hals hing. Er zeigte seiner Frau unentwegt etwas auf der Karte, machte danach einen kurzen Vortrag und verglich das Gesagte direkt mit der Anzeige auf seinem Smartphone, das er in der anderen Hand hielt. Seine bessere Hälfte, herausgeputzt wie für den Wiener Opernball, legte wenig Interesse an den Tag.

»Grand maximum … Grand maximum trente minutes!«, beharrte der Franzose auf seinem Plan, den Tunnel in maximal dreißig Minuten durchwandern zu wollen. Zumindest glaubte ich, es richtig verstanden zu haben.

Vielleicht um seinen Worten eine besondere Ausdruckskraft zu verleihen, lief er fünf Schritte in den Tunnel hinein und aktivierte die Taschenlampenfunktion in seinem Handy. Er richtete das Gerät bald nach rechts, bald nach links, aber das Ergebnis lag unter seinen Erwartungen, denn er kehrte schnell ein wenig enttäuscht zurück. Was er von seiner Dame wollte, lag auf der Hand, doch die mangelnde Ausrüstung hinderte ihn an seinem Vorhaben. Ich dachte nur, es war vielleicht ganz gut, dass das Schicksal den Mann vor einer Tunnelwanderung mit dem Telefon als Lichtquelle und seiner Frau im Schlepptau bewahrt hatte.

»Und? Hast du was gefunden?«, erkundigte ich mich, nachdem Geli mit ihrer Besichtigung fertig gewesen war. Es stand ihr auf die Stirn geschrieben, dass sie noch das letzte Pro und Kontra abwägte, ob ihr etwas gefiel oder nicht.

»Ich weiß noch nicht! Ich kann mich nicht entscheiden. Die Jacken sind gut, aber die Wolle ist ziemlich grob und kratzt am Hals! Du weißt doch, ich muss noch überlegen.«

Ja, davon hätte ich ein Lied singen können. Seinerzeit hatten wir in Edinburgh innerhalb einer Woche ein und denselben Laden dreimal besuchen müssen, um uns von den Vorzügen eines Tartanumhangs überzeugen zu lassen, der noch nicht einmal sehr teuer war.

»Gut, dann überlege noch! Lass uns mal in das Café gehen, trinken wir noch einen Espresso«, schlug ich vor, ein Kaffee hätte uns jetzt gutgetan.

Die Snackbar nebenan war stark frequentiert, draußen vor dem Eingang stand eine Reihe von Ausflüglern mit dampfenden Pappbechern in der Hand und nippte an ihren Getränken.

(?)
Leseecke Schließen
Lesezeichen setzen
 
Der Brockenwicht

Der Brockenwicht

Novelle von Nikolaus Warkentin
»Jetzt lesen

Das Café entpuppte sich als Snackbar, Souvenirladen und Minimarket für madeirensische Spezialitäten in einem. Während Angelina an der Theke wartete, bis sie mit unserer Bestellung dran war, fand ich unter den Spezialitäten etliche Sorten Madeirawein. Den Vinho da Madeira gab es in drei Ausführungen: seco, meio seco und meio doce. Das entsprach augenscheinlich den gängigen Geschmacksrichtungen: trocken, halbtrocken und halbsüß. »Ach, nimmst du doch alle drei zur Probe!«, sagte ich zu mir, zumal sich die Preise noch alle im vertretbaren Rahmen bewegten. Es musste sein, nachdem wir in den zwei Tagen auf der Insel schon so viel davon gehört und gelesen hatten. Mit drei Flaschen kehrte ich zur Bar zurück, wo die Kellnerin gerade unsere Bestellung auf der Theke abstellte. Nachdem wir den Kaffee und den Wein bezahlt hatten, setzten wir uns mit unseren Pappbechern draußen auf den Terrassenabsatz vor dem Café, bis zum Außenbereich mit den Tischen wollten wir jetzt nicht laufen. Es war später Nachmittag, der Himmel war klar und die Sonne wärmte noch, nur über dem Turmberg, wo die kühle Windströmung den Gipfel berührte, bildeten sich Nebelfetzen, die sich wie eine Lichterkette von der Spitze schnurgerade nach Süden zogen, um sich nach wenigen Sekunden wieder rasch aufzulösen. Man merkte jetzt auch deutlich die Erschöpfung. Ich streckte meine Beine aus und genoss den kräftigen doppelten Espresso. Er wirkte Wunder und hatte mich dermaßen aufgeheitert, dass ich wieder über das Thema »Und was machen wir morgen?« laut nachdachte.

»Wir könnten ja morgen was unternehmen! Aber was? Kennst du eine Route … sagen wir mal wie heute? Nicht zu anstrengend und viel was zu sehen! Du kannst ja nachher paar Fotos von dem Schild machen«, sagte ich und richtete meinen Blick auf den Wegweiser am Anfang einer Wanderroute, der in einiger Entfernung vorne links an der Straße zu sehen war. »Wo der Ort liegt und wohin der Weg führt, können wir ja gleich im Hotel nachsehen.«

»Und ob ich das mache!«, antwortete Geli, stand auf, sie war mit ihrem Kaffee schon fertig, und eilte zu der Infotafel mit der eingezeichneten Route.

»Hallo? Warte doch mal!«

»Dann komm nach!«, blieb sie unnachgiebig und machte schon im Gehen ihre Kameratasche auf.

Ich trank meinen Espresso mit einem Schluck zu Ende und begab mich langsam zu dem Schild. Angelina stand schon dort und fotografierte den Wegweiser mit dem Namen der Wanderroute, während sich ein Paar neben ihr den Routenverlauf an der Infotafel anschaute. Die beiden diskutierten aufgeregt und stachen abwechselnd mit dem Zeigefinger auf den Wanderplan ein. Nachdem ich mich genähert hatte, hörte ich den Mann noch einen kurzen Satz sagen.

| Seite 19 von 145 |

Günstige Downloads für Ihr Gerät

Das Geheimnis des vernebelten Passes
PDF
Titel: Das Geheimnis des vernebelten Passes
PDF Dokument: Format A5, 340 Seiten, Dateigröße 2.461 KB, Ausgeführte Dowloads 54, PDF-Reader zum Lesen erforderlich! Auch zum Lesen im Ebook-Reader geeignet
6,99 € N/A
Das Geheimnis des vernebelten Passes
EPUB
Titel: Das Geheimnis des vernebelten Passes
E-Book im ePub-Format: Anzahl Seiten deviceabhängig, Dateigröße 1.033 KB, deviceübergreifend optimiert, Ausgeführte Dowloads 41, e-Book Reader zum Lesen erforderlich!
6,99 € »Epubli Verlag
Das Geheimnis des vernebelten Passes Titel: Das Geheimnis des vernebelten Passes
Jetzt eine Printausgabe bestellen! Sie werden gleich auf die Seite des Verlages weitergeleitet, wo Sie Ihr Exemplar bequem erwerben können.
15,99 € »Epubli Verlag

Diese Seite weiterempfehlen

»Link an Freunde senden
Das Geheimnis des vernebelten Passes von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Ein Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 11.970
Online Seiten: 145
PDF Downloads: 54
PDF Seiten: 340
EPUB Downloads: 41
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 665482
Druckwörter: 122463
Buchseiten: 504
Erschienen: January 2021

Ihre Spende ist willkommen!

Wir stellen Ihnen gerne alle Inhalte unserer Webseite kostenlos zur Verfügung. Sie können die Werke auch in der E-Book-Version jederzeit herunterladen und auf Ihren Geräten speichern. Gefallen Ihnen die Beiträge? Sie können sie alle auch weiterhin ohne Einschränkungen lesen, aber wir hätten auch nicht das Geringste dagegen, wenn Sie sich bei den Autoren und Autorinnen mit einer kleinen Zuwendung bedanken möchten. Rufen Sie ein Werk des Autors auf, an den Sie die Zuwendung senden wollen, damit Ihre Großzügigkeit ihm zugutekommt.
Tragen Sie einfach den gewünschten Betrag ein und drücken Sie auf "jetzt spenden". Sie werden anschließend auf die Seite von PayPal weitergeleitet, wo Sie das Geld an uns senden können. Vielen herzlichen Dank!

Diese Seite weiterempfehlen

»Link an Freunde senden
Kreisende Punkte
Leseecke Schließen