Logo Leseecke
OPEN DIGITAL LITERATURE PROJECT
Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 145

Ich machte die Augen auf und sah mich verblüfft um. Geli drückte mit ihrem Ellbogen wie mit einem Speer unter meine Rippen, sodass ich bald vor Schmerz hätte schreien können, in der Sitzreihe vor uns hatte sich ein kleines Kind auf den Schoß seiner Mutter gestellt und spielte oben mit dem Rufknopf, der die grausamen elektronischen Glockentöne generierte, vom Mittelgang beugte sich eine Flugbegleiterin in unsere Sitzreihe vor und sah mich an.

»Könnten Sie sich bitte anschnallen und den Tisch hochklappen. Wir werden in Kürze landen«, wiederholte sie ihren Satz.

Wo war ich hier noch einmal? Allmählig erlangte ich wieder mein Erinnerungsvermögen. Natürlich! Ich war eingenickt und hatte die ganze Zeit geschlafen. Es hatte sich keine Flugzeugkatastrophe ereignet, es war nur ein alberner Traum gewesen.

»Kannst du mal deinen Arm hier wegtun?«, brummte ich Angelina an, während ich der Anweisung des Personals Folge leistete. »Bist du wahnsinnig? Es tut verdammt weh!«

»Wie sollte ich dich sonst noch wachkriegen? Du hast auf gar nichts mehr reagiert«, entgegnete sie und zog ihren Ellbogen zurück.

Ich war also wieder über der Insel geflogen, sie hatte mich zurückgeholt, trotz der räumlichen Entfernung. Sie wollte mich wirklich nicht mehr loslassen. Zwei Wochen lang hatte ich bereitwillig ihren Zaubertrank genossen aus dem goldenen Kelch der Träume, den sie mir vorgehalten hatte, und hatte ihre Luft eingeatmet, die von betörenden Düften der Illusionen gefüllt war. Ich war madeirasüchtig geworden, glaubte ich. Die Insel war endgültig zu einem festen Bestandteil meiner Erinnerungen geworden, sie war nicht mehr wegzudenken. Es gab noch etwas auf der Insel, was ich erledigen musste, ich hatte aber keine Vorstellung, was es war. Das kleine Stückchen Land im Ozean zog mich mit ungeheurer Kraft zurück, als hätte es verhindern wollen, dass ich mich seinem Bann entzog. Aber ich hatte auch gar nicht vor, mich von Madeira loszusagen, vielmehr beabsichtigte ich, eines Tages auf die Insel zurückzukehren, um alles zu Ende zu bringen, was noch nicht geregelt war, was auch immer es sein mochte. Aber nicht heute! Madeira sollte mich jetzt in Frieden nach Hause fliegen lassen.

(?)
Leseecke Schließen
Lesezeichen setzen
 
Der Brockenwicht

Der Brockenwicht

Novelle von Nikolaus Warkentin
»Jetzt lesen

»Ich muss auch noch mal zur Toilette«, sagte ich zu Geli, als ich erneut den Druck auf der Blase verspürte, den ich schon seit meinem Nickerchen ignoriert hatte.

»Muss es jetzt sein?«, fragte sie unzufrieden, denn sie musste sich wieder abschnallen und aufstehen, um mich durchzulassen.

»Nein, lieber doch nicht!«, erwiderte ich und ließ mich wieder in den Sitz fallen, nachdem ich mich aufgerichtet und die Schlange auf dem Mittelgang vor den Waschräumen gesehen hatte. »Ich warte bis zum Flughafen.«

Es war nicht die Schlange an sich, die mich davon abhielt, nach vorn zu gehen. Es war jemand in dieser Schlange. Ich hatte in der Menschenreihe nur den Rücken von diesem Jemand gesehen, aber es hatte schon gereicht, um mich zusammenfahren zu lassen. Es war der Rücken eines Mannes, der mir schmerzhaft bekannt vorkam. Er trug zwar ein kurzärmliges Shirt und über seine Schulter hingen keine Gegenstände, aber er sah trotzdem jemandem von der Insel zum Verwechseln ähnlich, der immer ein dunkles Sakko trug, eine große Tasche mit sich schleppte und eine dumme Angewohnheit hatte, immer dann aufzutauchen, wenn mein Verstand nicht mit einer außergewöhnlichen Klarheit glänzen konnte. Vor ihm hatte ich einen gehörigen Respekt, sogar eine Art unerklärliche Furcht. Wenn es derjenige war, an wen ich dachte, so war die Frage, wo und bei welchen Umständen wir heute landeten, noch offen. Es gab keine Gewissheit, dass wir irgendwann überhaupt noch den Boden berührten. Ich rutschte im Sitz nach unten und machte mich ganz klein, um nicht eine Kettenreaktion von unvorhersehbaren Ereignissen in Gang zu setzen.

Mittlerweile hatte der Kapitän das Luftschiff auf eine Höhe von ein paar Kilometern hinuntergebracht, man erkannte durch die aufgelockerten Schönwetterwölkchen das bunte Mosaikbild aus Feldern, Wäldern und Wiesen auf dem Boden. Wir näherten uns dem Flugziel, es konnte nicht mehr lange dauern. Endlich vernahm ich das Geräusch der ausfahrenden Klappen an den Tragflächen. Der Pilot begann seinen Landeanflug.

Der Mann aus der Schlange kehrte zu seinem Sitz zurück, holte eine große schwarze Tasche aus dem Gepäckfach, nahm Platz und schnallte sich an …

| Seite 145 von 145 |

Günstige Downloads für Ihr Gerät

Das Geheimnis des vernebelten Passes
PDF
Titel: Das Geheimnis des vernebelten Passes
PDF Dokument: Format A5, 340 Seiten, Dateigröße 2.461 KB, Ausgeführte Dowloads 54, PDF-Reader zum Lesen erforderlich! Auch zum Lesen im Ebook-Reader geeignet
6,99 € N/A
Das Geheimnis des vernebelten Passes
EPUB
Titel: Das Geheimnis des vernebelten Passes
E-Book im ePub-Format: Anzahl Seiten deviceabhängig, Dateigröße 1.033 KB, deviceübergreifend optimiert, Ausgeführte Dowloads 41, e-Book Reader zum Lesen erforderlich!
6,99 € »Epubli Verlag
Das Geheimnis des vernebelten Passes Titel: Das Geheimnis des vernebelten Passes
Jetzt eine Printausgabe bestellen! Sie werden gleich auf die Seite des Verlages weitergeleitet, wo Sie Ihr Exemplar bequem erwerben können.
15,99 € »Epubli Verlag

Diese Seite weiterempfehlen

»Link an Freunde senden
Das Geheimnis des vernebelten Passes von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Ein Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 12.014
Online Seiten: 145
PDF Downloads: 54
PDF Seiten: 340
EPUB Downloads: 41
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 665482
Druckwörter: 122463
Buchseiten: 504
Erschienen: January 2021

Ihre Spende ist willkommen!

Wir stellen Ihnen gerne alle Inhalte unserer Webseite kostenlos zur Verfügung. Sie können die Werke auch in der E-Book-Version jederzeit herunterladen und auf Ihren Geräten speichern. Gefallen Ihnen die Beiträge? Sie können sie alle auch weiterhin ohne Einschränkungen lesen, aber wir hätten auch nicht das Geringste dagegen, wenn Sie sich bei den Autoren und Autorinnen mit einer kleinen Zuwendung bedanken möchten. Rufen Sie ein Werk des Autors auf, an den Sie die Zuwendung senden wollen, damit Ihre Großzügigkeit ihm zugutekommt.
Tragen Sie einfach den gewünschten Betrag ein und drücken Sie auf "jetzt spenden". Sie werden anschließend auf die Seite von PayPal weitergeleitet, wo Sie das Geld an uns senden können. Vielen herzlichen Dank!

Diese Seite weiterempfehlen

»Link an Freunde senden
Kreisende Punkte
Leseecke Schließen