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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 141
Wenn man zum Problem der gewaltsamen Auseinandersetzungen weitere Überlegungen anstellte, kam man unentrinnbar zum Schluss, offenbar hatten auch alle Unabhängigkeitskriege und gleichartige Bestrebungen verschiedener Volksgruppen, sich von der Zentralmacht eines Mehrvölkerstaates zu lösen, den gleichen Hintergrund. Es spielte dabei keine Rolle, wie die Zentralregierung heutzutage der Volksgruppe gegenüber auftrat, es war nicht von Bedeutung, welche Vorteile die Zwangseingliederung in eine höher entwickelte Gesellschaft unter Umständen seinerzeit gebracht hatte. In längst vergangenen Zeiten waren die Eroberer mit einer großen Streitmacht ins Land gekommen, hatten jeden umgebracht, der Widerstand leistete, den Rest auf dem Dorfplatz zusammengetrieben und verkündet: »Ab sofort sind wir die Herren und ihr seid die gemeinen Untertanen, dieses Land gehört von jetzt an zu unserem angestammten Besitz, ihr habt unsere Sprache zu sprechen und an unseren Gott zu glauben, Ungehorsam wird mit dem Tode bestraft.« Für wie lange konnte das Erlebnis im Gedächtnis eines Volkes Spuren hinterlassen? Ich konnte mir vorstellen, bis ans Ende der Zeit. »Hörst du überhaupt zu?« Es war Gelis Stimme, die zu mir aus der Gegenwart drang. »Was?« Ich drehte mich erschrocken um. »Was, was, was! Das! Dein Portemonnaie liegt noch in der Plastikkiste!«, sagte sie gereizt und zeigte auf das Ende des Fließbandes, wo sich die durchleuchteten Wannen mit den Sachen der Fluggäste stauten. »Vergiss es nicht!« Ich sah mich verdutzt um. In meine Gedanken vertieft hatte ich gar nicht bemerkt, dass wir den Sicherheitscheck passiert hatten. Wir hatten die Tortur ohne Zweifel hinter uns. Ich war dabei, den Gürtel in die Schlaufen an meinem Hosenbund einzufädeln, Geli sammelte irgendwelchen Kram in ihre Handtasche ein, meine Gitarre und mein Notebook erholten sich auf einem blechbeschlagenen Tisch am Ende des Fließbands von dem Missbrauch durch Röntgenstrahlen – alles deutete darauf hin. Wie konnte es sein? Ich hatte anscheinend einen Blackout gehabt. Wieder mal! Kaum hatte der Elfenkönig von mir abgelassen, da bemächtigte sich schon das nächste unsichtbare Wesen meiner geistigen Kraft. Wie dem auch war, aber ganz unzufrieden mit dem letzten Anfall des Traumwandelns am helllichten Tage war ich nicht. Durch die Sicherheitskontrolle zu kommen, ohne etwas davon zu merken, war mir eines Blackouts wert. Flugzeug! Wir mussten dringend ins Flugzeug. Es schien die einzige Rettung zu sein. »So! Wo müssen wir jetzt hin?« Wir standen vor einem Infoschild und suchten nach dem Richtungspfeil zum Gate mit unserer Nummer, nachdem ich alle grauen Kästen noch einmal auf zurückgelassene Sachen durchgesehen und nichts gefunden hatte. »Da!«, kam Geli mir zu Hilfe, als sie den gesuchten Hinweis fand.
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»Okay, wir müssen nach rechts. Aber bitte lass jetzt diesen Duty-free-Blödsinn! Komm, sehen wir nach, wo wir hinmüssen und gehen dann auf die Zuschauerterrasse.« »Welche Zuschauerterrasse?«, fragte sie neugierig. Ja … Welche Zuschauerterrasse? Die Zuschauerterrasse! Von der ich lieber den Mund hätte halten sollen. Diese Art von Terrasse! »Hier gibt es einen Balkon mit Aussicht für Besucher. Man kann von dort das Flugfeld sehen! Da, guck!« Ich hatte Glück, direkt vor uns entdeckte ich einen Wegweiser, von dem mich ein unmissverständliches Piktogramm anlächelte, das einigermaßen erklären konnte, warum ich so gut informiert war. »Ach so?« Angelina sah zur Treppe, die auf die höhergelegene Ebene führte. »Okay. Ich wollte übrigens auch nicht einkaufen!« »Dann ist ja alles gut! Da ist ja schon unser Flug.« Ich blieb stehen und deutete auf das Gedränge vor einem Schalter. »Nee, da ist kein einziger Platz mehr frei im Sitzbereich. Komm, gehen wir gleich nach oben! Ich glaube das Flugzeug ist noch gar nicht da. Warum stehen sie schon alle Schlange?« Die restlichen vierzig Minuten bis zum Boarding im Freien auf der Aussichtsterrasse zu verbringen, reizte mich viel mehr als die Perspektive eines Aufenthaltes im Wartebereich, eingeengt zwischen Taschen und Menschen, die auch nicht mehr wussten, was sie mit sich selbst anfangen sollten. Es war immer ein seltsames Gefühl, eingesperrt zu sein, gefangen hinter verschlossenen Türen und bewacht vom Sicherheitspersonal. Den einzigen Hoffnungsschimmer verkörperte die Tür hinter dem Tresen des Schalters. Sie führte in die Freiheit. Der Wunsch nach Freiheit war derart groß, dass die meisten unbewusst eine Schlange zum Schalter bildeten, obwohl sich dort noch nichts bewegte! Ich war überzeugt, die Leute hätten ihr Verhalten nicht logisch erklären können, wenn man sie danach gefragt hätte. Jedem war es bewusst, dass alle Passagiere in diesem Wartebereich in einem Boot saßen, oder vielmehr in ein und dasselbe Flugzeug hineinwollten. Es hätte nicht abgehoben, bevor der letzte Fluggast von der Passagierliste in den Vogel eingestiegen wäre. Es machte also keinen Unterschied, ob man in der Schlange stand oder das Geschehen von einem Sitz aus beobachtete, alle wären zum gleichen Zeitpunkt abgeflogen. Doch jeder wollte zu den Ersten gehören, die die Freiheit erblicken durften. Die Tatsache, dass ihre neu errungene Freiheit einen mehrstündigen Bewegungsentzug zwischen zwei engen Sitzreihen im Rumpf des Flugzeugs zur Folge hatte, kümmerte in diesem Augenblick keinen.
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KurzinhaltEin Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.Über den Autor
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