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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 142

Dank gewisser Umstände war es mir wohlbekannt, wie es auf der Zuschauerterrasse aussah und welchem Zweck sie überhaupt diente. Es gab hinsichtlich der Wahnvorstellungen nicht viel zu befürchten, nahm ich an, obwohl ich hier auch schon mal mit dem Postboten geliebäugelt hatte – ich hatte es nicht vergessen –, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass er ausgerechnet jetzt noch einmal zuschlug.

Eine halbe Stunde Unterhaltung durch landende und startende Flugzeuge war angesagt. Heute war wirklich viel los auf dem Flugfeld. Alle fünf Minuten setzte eine Maschine zum Landeanflug an, nachdem sie in gehöriger Entfernung über dem Meer südlich der Insel ein Wendemanöver vollzogen und Kurs auf die Landebahn genommen hatte. Die Flugzeuge kamen angerauscht mit voller Scheinwerferbeleuchtung vor dem Hintergrund einer aufgewirbelten Wolke aus heißem Ausstoß der Düsentriebwerke. Die Reifen qualmten beim ersten Bodenkontakt, bläulicher Rauch stieg zum Himmel, es roch nach verbranntem Gummi und Kerosin. Die Menschenmenge auf der Terrasse jubelte umso lauter, je kürzer der Bremsweg war, den der Pilot bei der Landung benötigte, um den tonnenschweren Silbervogel auf die normale Rollfeldgeschwindigkeit herunterzubringen. Hin und wieder startete auch ein Flieger in Richtung Kontinent, wobei sich die Begeisterung allerdings eher in Grenzen hielt, da es bei Weitem nicht so spektakulär aussah.

Der kleine Flughafen gab einem die Möglichkeit, den Flugbetrieb hautnah zu erleben. Man bekam nicht oft so eine Gelegenheit, denn auf den meisten Flughäfen befand sich die Start- und Landebahn kilometerweit vom Terminal entfernt. Außerdem gab es kaum noch einen Ort auf der Welt, wo die Zuschauerterrasse den Besuchern zugänglich war, obgleich fast jeder Flughafen eine solche besaß. Sie waren entweder zugemauert, verschlossen oder im Zuge der Kommerzialisierung zu irgendeinem kostenpflichtigen VIP-Bereich erklärt worden. Aeroporto do Funchal war noch eine der wenigen Ausnahmen, wo sich auch das »gemeine Volk« einer schönen Abwechslung erfreuen durfte und die meisterhafte Leistung der Piloten würdigen konnte, denen es gleich sein eigenes Leben anvertrauen musste.

Unsere Maschine hatte ich erkannt, noch bevor sie die Landebahn berührte. Ich wusste sofort, dass sie es war, als der Pilot über dem Ozean eine Kurve flog, um den Landeanflug einzuleiten. Der Schriftzug der Fluggesellschaft glänzte über die ganze Breitseite des Flugschiffes. Diese Gesellschaft sollte uns nach Hause bringen, so stand es in den Reisepapieren. Es war einer der kleineren Luftfahrtveranstalter, sodass die Wahrscheinlichkeit des Auftauchens eines zweiten Flugzeugs in diesem engen Zeitraum sehr gering war. Es war unsere Maschine. Alles entwickelte sich planmäßig und ohne große Überraschungen. Der Flieger stoppte direkt vor dem Flughafengebäude, gleich an der Stelle, wo wir an der Brüstung standen und nach unten schauten. Wir beobachteten, wie die Gangway heranrollte und die Neuankömmlinge sich schüchtern auf dem Rollfeld umschauten, nachdem sie die Treppe hinabgestiegen waren. Nein, es gab keinen Transferbus zum Flughafengebäude, auf Madeira war alles ein bisschen anders, fünfzig Meter bis zum Eingang musste schon jeder selbst zu Fuß zurücklegen! Es war fast so weit, nur noch etwas in der Kabine aufräumen und das Flugzeug betanken. Sonst stand nichts mehr im Wege, außer dass die Passagiere noch in den Vogel mussten. Wir begaben uns nach unten.

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Die Landzunge im Osten des Eilands
Die Landzunge im Osten des Eilands

* * *

Wir starteten in nordöstliche Richtung. Die Maschine stieg schnell in die Lüfte und nach einigen Sekunden öffnete sich links ein Panorama, das ich schon seit meinem Individualflug kannte. Dennoch blieb ich die Ruhe selbst. Die Insel hatte ihre Macht über meine Sinne verloren, sobald wir durch die Flugzeugtür gegangen waren. Die Frau von elf Uhr hatte uns zum Schluss noch einen guten Dienst erwiesen, sie hatte uns Sitzplätze auf der linken Seite zugeteilt. Ich saß am Fenster, Geli beugte sich vor über meine Knie und machte die letzten Urlaubsfotos aus der Luft. Ein Teil meiner Flugroute in der mysteriösen Nacht wurde verewigt und die Bilder hätten mich noch lange erinnert an die Insel und ihre kleinen Geheimnisse.

Der goldfarbene Sandstrand von Machico stach unten wie eine Perle aus der graugrünen Umgebung hervor. Das Meer leuchtete nicht mehr azurblau in den Sonnenstrahlen, es spiegelte nur die tiefhängende graue Wolkendecke, die der Nordwind inzwischen über die Insel gelegt hatte. Vorne schimmerte Caniçal in der diesigen Luft, das Flugzeug war aber schon viel zu hoch, um noch irgendwelche Details zu erkennen, die geziegelten Dächer verschmolzen zu einem roten Fleck am Anfang der Landzunge. Der Pilot korrigierte etwas den Kurs und flog eine leichte Rechtskurve, während er den östlichsten Punkt des Eilands überflog. Ich erhaschte noch einen kurzen Blick auf die Nordküste und entsann mich meines Wechsels der Flugrichtung über dieser Stelle. Seinerzeit hatte ich nach Westen abgedreht, um auf der Insel zu bleiben, heute hielt der Kapitän den Kurs geradeaus auf das portugiesische Festland im Nordosten, um die Insel zu verlassen. Wir hatten den Punkt überflogen, hinter dem es kein Zurück mehr gab. Madeira lag nun jenseits der Grenze, die die Gegenwart von der Vergangenheit trennte, dachte ich noch auf die Schnelle, ehe wir in die Bewölkung eintauchten und es nichts mehr zu sehen gab.

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Das Geheimnis des vernebelten Passes von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Ein Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 12.014
Online Seiten: 145
PDF Downloads: 54
PDF Seiten: 340
EPUB Downloads: 41
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 665482
Druckwörter: 122463
Buchseiten: 504
Erschienen: January 2021

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