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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 139

Sie musterte kurz den Gitarrenkoffer, den ich leicht angehoben hatte, und zeigte mit einer einladenden Handbewegung auf die Waage. Ohne Widerreden folgte ich der Aufforderung und mied mit den Augen die Anzeige, ich wusste, der Koffer überschritt um einiges das zulässige Gewicht. Stattdessen beobachtete ich den Gesichtsausdruck der Frau, um rechtzeitig zu intervenieren, falls sich ihre wohlwollende Gesinnung zu meinen Ungunsten änderte. Es erwies sich jedoch als nicht erforderlich, denn nach kurzem Zögern nickte die Frau zustimmend und druckte einen Aufkleber für die Gitarre aus, der die Zulässigkeit des Instruments an Bord belegen sollte.

Es ging doch! Ich meinte damit nicht nur meine Gitarre, die ich erfüllt von großer Freude mit einer schmucken Sondergepäckschlaufe zurückbekommen hatte. Vielmehr machte mich der Umstand glücklich, dass der mächtige Erlkönig seinen Würgegriff gelockert hatte. Seine Macht über mich schwand mit jeder Minute umso schneller, je näher der Zeitpunkt des Abfluges rückte. Ich hatte keine Furcht mehr vor der Frau am Schalter gehabt, ich hatte sie direkt angesehen und mich mit ihr unterhalten, wo mich doch noch vor einer Viertelstunde allein der bloße Gedanke in Angst und Schrecken versetzt hatte, dass sich unsere Blicke zufällig kreuzen konnten.

Die Mitarbeiterin ließ das Gepäckband laufen und schickte schon mal unsere Koffer auf Reisen. Sie machte noch einige Eingaben auf ihrer Tastatur, bevor sie unsere Bordkarten und die Pässe auf den Tresen legte, uns den Weg zu den Boarding Gates erklärte und einen guten Flug wünschte. Es war alles viel zu einfach gewesen! Ich beließ es aber bei dieser Erkenntnis und dachte nicht mehr darüber nach, um nicht das Schicksal unnötig herauszufordern.

»Komm, gehen wir noch mal nach draußen. Rauchen wir noch eine! Wer weiß, was für Sitten hier auf dem Flughafen herrschen. Vielleicht gibt es wieder keinen Raucherbereich!«, sagte ich, nachdem wir uns vom Getümmel am Schalter entfernt hatten.

»Kommen wir nicht zu spät zum Flugzeug?«, gab Geli zu bedenken.

»Auf gar keinen Fall!« Ich zuckte innerlich zusammen und sah nach der Zeit. »Wir haben noch über eine Stunde.«

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Der Brockenwicht

Der Brockenwicht

Novelle von Nikolaus Warkentin
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Ein leicht beleibter Mann mittleren Alters gesellte sich zu uns, nachdem wir auf einem Betonmäuerchen Platz genommen hatten, das sich an der Fassade des Flughafengebäudes entlangzog, und machte sich ebenfalls eine Zigarette an. Man merkte, dass ihm eine Frage auf den Lippen brannte, aber er traute sich nicht, sie zu stellen. Er warf permanent verstohlene Blicke auf den Gitarrenkoffer, der links neben mir an dem Mäuerchen lehnte, und wies ab und zu seine zwei halbwüchsige Jungen zurecht, die vor dem Eingang Schabernack trieben und die eintreffenden Fluggäste störten. Ich hatte diese Familie vorhin in unserer Schlange gesehen.

»Sagen Sie bitte«, brach er endlich das Schweigen. »Wie machen Sie es mit der Gitarre im Flugzeug?« Er fuhr sich mit der Hand durch sein dünnes rötliches Haar.

»Was denn?«, hinterfragte ich, obwohl ich schon ahnte, worauf er mit seiner Frage abzielte.

»Na ja …« Er nahm einen kräftigen Zug. »Ich spiel zu Hause auch mal gerne ein paar Akkorde. Ich hab mir schon vor Jahren überlegt, die Gitarre mit in den Urlaub zu nehmen. Aber … Dann müsste man sie als Sondergepäck aufgeben, habe ich gelesen … Und Sie nehmen sie mit ins Flugzeug! Das ist optimal.«

Es war wie Balsam für meine Seele! Die süßen Worte drangen in mein Gehirn, das eine warme Welle durch den Körper sandte, eine Welle der Genugtuung. Es gab Passagiere, die mich beneideten! Alle Mühsale, die ich wegen der Gitarre auf mich genommen hatte, waren nicht umsonst gewesen.

»Bis jetzt habe ich immer beim Einchecken höflich darum gebeten«, antwortete ich bescheiden.

»Ja?«, wunderte sich der Mann.

»Aber Sie haben recht. Auf dem Hinflug und auch schon beim letzten Urlaub musste ich äußerst höflich bitten! Ich glaube, dass es bei mir auch der letzte Urlaub mit der Gitarre war. Es wird zunehmend schwierig«, beeilte ich mich mit meiner Ergänzung zur aktuellen Lage, um bei ihm nicht zu viele Hoffnungen zu wecken.

»Aber ich werde es auch mal probieren. Sie haben mich auf eine Idee gebracht!«, gab er sich optimistisch. »Wissen Sie, manchmal braucht man auch im Urlaub eine Abwechslung! Die ganze Woche fiel mir die Decke auf den Kopf, wir waren sieben Tage fast nur im Hotel. Meine Frau wollte immer mal zum Strand, aber mir hat das eine Mal gereicht! Man kann es ja auch nicht einen Strand nennen.«

»Wo waren Sie denn?«, zeigte ich mich interessiert.

»Hier, nicht weit vom Flughafen. Ich habe die ganze Zeit landende Flugzeuge beobachtet. Und Sie?«

»Am Pass Encumeada!«, stieg Angelina in das Gespräch ein. »Dort gibt es ein Berghotel.«

»Ach! Ja, dort oben waren wir auch. Wir haben eine Rundreise mit dem Bus gemacht«, erinnerte er sich. »Zurück sind wir über den Pass gefahren, aber da war nur Nebel!«

»Wir haben aber ein paar schöne Tage erwischt und konnten ganz weit wandern«, bemerkte Geli stolz.

»Nee, das wäre nichts für mich gewesen.«

»Haben Sie wenigstens eine Levadawanderung gemacht?«, gab sie keine Ruhe.

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Das Geheimnis des vernebelten Passes von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Ein Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 12.014
Online Seiten: 145
PDF Downloads: 54
PDF Seiten: 340
EPUB Downloads: 41
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 665482
Druckwörter: 122463
Buchseiten: 504
Erschienen: January 2021

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