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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 138

Es wimmelte von Reisenden. Große Busse und kleinere Autos brachten ununterbrochen Nachschub, als ob alle Touristen auf der Insel heute ihre Rückreise antreten wollten. Ich hatte es fürs Erste überstanden, nahm ich an, denn hier gab es so viel Ablenkung, dass es einem vor lauter umherlaufenden Menschen schwindlig wurde.

»Dann wollen wir mal sehen, wie die Regeln zur Beförderung von Musikinstrumenten in Portugal lauten!«, kündigte ich die große Schlacht um meine Gitarre am Check-In-Schalter an.

»Vielleicht ist es hier anders«, mutmaßte Angelina.

»Vielleicht. Wir werden es gleich erfahren!«

Geli half mir, den Gitarrenkoffer auf den Rücken zu hieven, an dem ähnlich wie bei einem Rucksack Schultergurte angebracht waren. Das Gepäckstück hatte im Vergleich zu der Hinreise richtig Gewicht bekommen. Kein Wunder, wir hatten darin noch eine Vielzahl von kleineren Sachen verstauen müssen, weil die voluminöse Strickjacke aus dem Laden am Pass direkt einen halben Reisekoffer für sich beanspruchte. Ich bekam gewisse Bedenken, ob es mir gelang, die Gitarre als Handgepäck an Bord zu schmuggeln.

Ich wiegte mich in Sicherheit vor den Geistererscheinungen, die mich hartnäckig heimsuchten. Sie hätten im Flughafen keine Möglichkeit gehabt, sich aus meinen eigenen Gedanken zu entwickeln, denn mein Kopf war mit anderen Dingen beschäftigt. Und es war doch alles Einbildung, hoffte ich nach wie vor!

Im Innenbereich des Terminals gab es kaum weniger Volk als vor dem Eingang. Fluggäste standen dicht an dicht vor ihren Schaltern. Wir stellten uns an, nachdem wir das Ende der Warteschlange ausfindig gemacht hatten, die allem Anschein nach zu dem Counter gehörte, über dem auf der Tafel unsere Flugnummer stand und das korrekte Flugziel eingeblendet war. Hinter dem Tresen vorne gab es regen Geschäftsbetrieb, es waren sogar zwei Schalter geöffnet, denn die große Schlange teilte sich kurz davor in zwei kleinere, die zu verschiedenen Gepäckbändern führten. Die Wartereihe hätte sich auch etwas schneller bewegen können, aber im Übrigen lief alles bestens, eine Verspätung hatte die Maschine nach Frankfurt offenbar nicht.

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Der Brockenwicht

Der Brockenwicht

Novelle von Nikolaus Warkentin
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Wir waren bis zur Gabelung der Schlange vorgerückt und ich schätzte schon ab, an welchem Schalter es zügiger ging, als ein plötzlicher Verdacht wie ein heller Blitz in meinen Kopf einschlug. Ich sah noch einmal aufmerksam auf die Angestellte am linken Schalter. Es gab keinen Zweifel, sie war es. Es war die junge Frau in Flughafenuniform von elf Uhr. Ich hatte gerade nur mit Mühe und Not die Anwesenheit des Fahrers überstanden und jetzt tauchte noch die Frau auf. Es gab die beiden wohl nur im Doppelpack. Sie waren gestern beide auf elf Uhr gewesen, also sollte ich sie heute beide treffen. Wir reihten uns zum rechten Schalter ein und obwohl ich keine Anstrengung scheute, um es zu unterdrückten, schielte ich unentwegt nach links und flehte die Frau gedanklich an, nicht von ihrem Stuhl aufzustehen, um irgendwelche Koffer auf dem Band auszurichten. Ich war nach dem Erlebnis mit dem jungen Mann vor dem Hotel absolut sicher, dass bei ihrer Uniform der Rock fehlte und ich wie ein heimlicher Voyeur gleich den rosafarbenen Slip zu Gesicht bekam, der ihre wohlgeformten Rundungen knapp bedeckte. Es musste nicht sein, ich hatte ohnehin schon ein schlechtes Gewissen, sie ungewollt bei sexuellen Handlungen beobachtet zu haben, ohne dass sie auch nur die leiseste Ahnung davon hatte.

An diesem Tag war es mir nicht gegönnt, der ahnungslosen Frau genauso geschickt auszuweichen wie ihrem Liebhaber vor dem Flughafen. Kaum standen wir an der gelben Wartelinie vor dem Tresen und wären mit unseren Koffern als Nächste dran gewesen, schloss die Mitarbeiterin den rechten Schalter und verwies alle auf die linke Seite.

»Was soll das jetzt wieder?«, brummte ich enttäuscht, während wir uns in die linke Schlange eingliederten und unzufriedene Blicke der übrigen Passagiere ernteten.

»Ist doch egal, wir haben ja noch genug Zeit!«, versuchte Geli meine Verdrossenheit mit besänftigender Stimme zu minimieren.

Wenn Sie bloß gewusst hätte, dass nicht die Verzögerung der Grund für meinen Unmut war, sondern die Frau dort am Check-In-Counter, mit der ich gleich Verhandlungen wegen meiner Gitarre führen musste.

»Hier, nimm mal die Pässe! Ich stell die Koffer auf die Waage«, fand ich spontan eine Möglichkeit, dem direkten Kontakt vorerst aus dem Weg zu gehen, als wir aufgefordert wurden, an den Schalter zu treten.

Es kam aber anders, als ich es mir vorhin ausgemalt hatte. Kein einziges Körperteil und kein Kleidungsstück, das man nicht vor einem Flughafenschalter zu erblicken erwartete, kam zum Vorschein, als die Dame von elf Uhr aufstand und sich über dem Gepäckband vorbeugte, um die Gepäckschlaufe am Koffer anzubringen. Der Rock saß perfekt. Ich konnte mich entspannen. Wahrscheinlich hatte ich recht gehabt: Je näher man dem Flugzeug kam, umso weniger plagten einen die unliebsamen Visionen. Hinter der verriegelten Tür des Silbervogels war eine ganz andere Welt, es war ein Stückchen Heimat, ein Hauch von Normalität. In der Kabine konnten mich keine Madeirageister mehr verfolgen. Ich atmete tief durch und nahm all meinen Mut zusammen, bevor ich der Angestellten direkt in die Augen sah.

»Could I take my Guitar into the cabin please?«, fragte ich sie ganz einfach wegen meiner Gitarre.

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Das Geheimnis des vernebelten Passes von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Ein Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 12.014
Online Seiten: 145
PDF Downloads: 54
PDF Seiten: 340
EPUB Downloads: 41
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 665482
Druckwörter: 122463
Buchseiten: 504
Erschienen: January 2021

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