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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 135

* * *

Ich wurde sehr früh wach, sogar für meine Verhältnisse. Es dauerte eine Zeit lang, bis ich in der Dunkelheit all meine Kaffeeutensilien beisammenhatte. Ich stolperte ein paar Mal über die gepackten Koffer, die mitten im Zimmer auf dem Boden lagen, und fluchte laut, sodass Geli mich sogar von ihrem Bett anherrschte, ich sollte mich doch nicht wie ein Elefant im Porzellanladen aufführen und den Hotelgästen ihre Ruhe lassen. Das frühe Aufwachen war nicht falsch, denn ich musste vor der Abreise noch eine Menge Arbeit erledigen. Gestern war ich nicht dazu gekommen. Als wir vom Pass ins Hotel zurückgekehrt waren und die Wirkung des Bieres nachgelassen hatte, plagten mich wieder ungebetene Visionen von dem Engel, von der Uhr und vom nebeligen Tunnel. Ich ließ mich regelrecht volllaufen mit dem restlichen Whisky und den zwei übrigen Flaschen Madeirawein. Ob Angelina mitgetrunken hatte, wusste ich nicht mehr. Wahrscheinlich. Ich war aber heilfroh, dass ich in Ribeira Brava im letzten Moment noch die dritte Flasche Wein gekauft hatte. Der Alkohol drängte die dummen Gedanken in die weiteste Ecke des Gehirns, sodass ich noch einigermaßen unbekümmert durch den Abend kam, der für mich allerdings schon direkt nach dem Abendessen im Bett sein Ende fand. Aber es hatte funktioniert! Ich war mir sicher, dass heute Nacht keine Flugübung stattgefunden und ich keine Abschiedspartys gefeiert hatte. Dafür war ich einfach zu betrunken gewesen.

Der Schädel brummte ein wenig, aber die Halluzinationen waren Gott sei Dank bis jetzt ausgeblieben. Ich trank meinen Kaffee und rauchte die Aufwachzigarette auf dem Balkon, als ich nach der Zeit sah und feststellte, dass die Uhr mittlerweile auf fünf zuging. Warum beklagte sich eigentlich meine Frau? Sie musste ohnehin schon bald aufstehen. Um halb acht mussten wir abholbereit am Eingang stehen. Bis dahin gab es noch jede Menge zu tun: duschen, sich schönmachen, packen und frühstücken. Zugegeben, gepackt hatte sie schon gestern nach meinem Abtreten, ich erinnerte mich an die Koffer, an denen ich mir zuvor schmerzhaft die Zehen gestoßen hatte. Aber nicht meine Sachen! Ich sah im schwachen Licht, das aus dem Bad ins Zimmer fiel, meine Notenblätter auf dem Nachttisch liegen und die Gitarre lehnte in der Ecke an der Wand neben dem Gitarrenkoffer noch so, wie ich sie schon vor Tagen abgestellt hatte. Ich nahm mein Notebook und begab mich in die Empfangshalle, nachdem ich mit dem Kaffee fertig gewesen war. Ich ließ Geli noch eine halbe Stunde schlafen.

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Der Brockenwicht

Der Brockenwicht

Novelle von Nikolaus Warkentin
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Meine Sachen musste ich zügig erledigen. Ich wollte auf keinen Fall den Oberrezeptionisten zu Gesicht bekommen, der gewöhnlich um halb sechs verschlafen aus seinem Kämmerlein kam. Meine Befürchtung war, er hätte mich zu sehr an die gestrigen Ereignisse erinnert, und wer wusste, womit die Erinnerungen dann endeten. Ich beeilte mich und war schon so gut wie fertig, als mir plötzlich einfiel, dass wir noch irgendwie auschecken mussten. Ohne persönlich am Tresen zu stehen, ging es ganz schlecht. Man konnte nicht einfach den Schlüssel hinlegen und weglaufen, die angeschriebenen Getränke mussten auch noch bezahlt werden. Und das Frühstück … Gestern war ich einfach zu betrunken gewesen, um darauf beim Abendessen zu achten, aber heute wären im Restaurant wieder dieselben Gesichter aufgetaucht, die ich gestern auf dem Bauhof gesehen hatte! Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Hätte ich auf das Frühstück lieber verzichten sollen? Besser wäre es gewesen. Aber wie sollte ich es meiner Frau erklären? Es war ein Teufelskreis. Es blieb mir wohl nur eins übrig, mich zusammenzureißen und die wenigen Stunden irgendwie durchzustehen, bis das Flugzeug endlich abhob.

Im Bad plätscherte das Wasser, als ich wieder die Zimmertür hinter mir schloss. Inzwischen war Angelina ohne fremde Hilfe aufgestanden und duschte. Die nervenaufreibende Prozedur war mir erspart geblieben und ich schaltete leichten Herzens den Wasserkocher ein, um noch einen Kaffee zu trinken. Meinen Laptop fuhr ich komplett herunter und sah mich mit einem suchenden Blick im Zimmer um nach Zubehörteilen wie Ladekabel und USB-Stickts, die alle in die Notebooktasche mit hineinmussten. Ich verpackte alles endgültig für die lange Reise, unterwegs wollte ich nichts mehr davon wissen. Das Geschäft lief gut und wenn ich heute sogar einen Verlust eingefahren hätte, war es auch nicht von Bedeutung. Das Gesamtergebnis deckte ihn schon jetzt.

Ich ließ alles auf meinem Bett liegen, als ich das Geräusch des kochenden Wassers vom Schminktisch vernahm, auf dem der Wasserkocher gerade in Dampfschwaden aufging, und brühte mir einen besonders starken Kaffee an, bevor ich durch die Balkontür nach draußen ging. Ein paar Schönwetterwölkchen schmückten den Himmel und leuchteten purpurrot auf der dem Osten zugewandten Seite in den Strahlen der hinter dem Turmberg aufgehenden Sonne. Die Morgendämmerung machte sich breit an den Hängen des Talkessels, ein neuer Tag kündigte sich an auf Madeira, dessen Ende ich nicht mehr auf der Insel erlebt hätte. Ich fühlte zweierlei: Auf der einen Seite war es jammerschade, die Insel zu verlassen, denn es blieb noch so viel unentdeckt und unerforscht, auf der anderen wollte ich so schnell wie nur irgendwie möglich in das Flugzeug steigen, das mich tausende von Kilometern weit von hier bringen sollte, weg von diesen grauenhaften Obsessionen.

»Na? Was macht dein Köpfchen? Aua?« Geli tauchte auf in der Balkontür eingewickelt in ein Badetuch und machte Anspielungen auf meine gestrigen Ausschweifungen.

»Von wegen! Alles bestens! Meine Sachen hättest du aber auch schon packen können.«

»Woher soll ich wissen, wo dein ganzer Kram hingehört?«, erwiderte sie barsch. »Deine Kleidung ist im Koffer. An deine Gitarre gehe ich nicht dran! Sonst heißt es, ich habe etwas falsch oder kaputt gemacht.«

»Dann ist es ja was anderes! Gut mitgedacht!« Sie hatte recht, ich ging ins Zimmer, um meinen Kram zu packen.

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Das Geheimnis des vernebelten Passes von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Ein Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 12.014
Online Seiten: 145
PDF Downloads: 54
PDF Seiten: 340
EPUB Downloads: 41
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 665482
Druckwörter: 122463
Buchseiten: 504
Erschienen: January 2021

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