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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 134

Wir aßen so gut wie alles auf, was wir mitgenommen hatten. Der reichhaltige Imbiss und das Bier machten mich nach der anstrengenden Wanderung träge. Ich saß einfach weit zurückgelehnt am Tisch und wollte am besten gar nichts mehr machen. Geli erging es allem Anschein nach nicht viel anders. Wir mussten freilich noch irgendwie mit dem vollen Bauch zurück zum Hotel, aber dieser Weg versprach nicht, ein großer Kraftakt zu werden. Ich kannte ihn, es war nur ein viertelstündiger Spaziergang bergab. Ich sah mich noch einmal um, während wir das Bier zu Ende tranken. Alles sah noch so aus wie bei unserem allerersten Besuch: Die Luft war frisch und klar, die Vögel veranstalteten ihren Singwettbewerb, es war beinahe menschenleer und der Turmberg thronte stolz über dem Pass. Aber etwas war anders. In der Zwischenzeit hatte ich dieses Gebirge von einer anderen Seite kennengelernt. Es barg irgendein Geheimnis und der Schlüssel dazu befand sich hier am Pass von Encumeada. Ein Geheimnis, dass ich nicht einmal meiner Frau anvertrauen konnte. Jemand oder Etwas hatte mich zum Mitwisser und Mittäter gemacht. Ich wusste nicht, von was genau, aber ich empfand es so, als ob ich unverschuldet Mitglied eines Geheimbundes geworden wäre, wo Verschwiegenheit zu den größten Tugenden zählte und Indiskretion als peccatum mortiferum galt. Ich war jetzt zum letzten Mal an diesem Ort und es war gut so! Morgen früh ging es zurück nach Hause, es war höchste Zeit. Ich musste weg von dieser Insel. Mit den Geheimnissen des vernebelten Passes konnten sich die Insulaner selbst auseinandersetzen.

»Wollen wir?«, fragte ich Angelina, nachdem wir noch eine Verdauungszigarette geraucht hatten. »Vielleicht kann ich noch ein Stündchen schlafen, bevor wir packen müssen?«

»Fang jetzt bloß nicht mit dem Packen an!«, ereiferte sie sich. »Du packst gar nichts. Ich mache das! Du kannst dein Nickerchen machen.«

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Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Roman von Nikolaus Warkentin
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Es kam mir sehr gelegen und ich unterließ jeden Protest. Wir sammelten unseren Müll ein und brachten die Krüge zurück ins Café, ehe wir die Straße zum Felsdurchbruch nahmen, um auf die andere Seite zu gelangen. Die Menschenmenge am Berghof hatte sich mittlerweile zerstreut, Polizisten bauten langsam die Straßensperre ab und die Männer von heute Morgen zerlegten das Siegertreppchen in Einzelteile. Nur eine kleine Gruppe von Anhängern verharrte noch an der Ziellinie und wartete auf das Eintreffen ihres Rennfahrers. Wir hielten noch kurz am Geländer des Parkplatzes. Ein letzter Abschiedsblick auf den Talkessel von Ribeira Brava durfte heute nicht fehlen. Wir hatten hier über zwei Wochen verbracht. Es hatte bessere und schlechtere Tage gegeben, aber alles in allem hätte ich den Aufenthalt hier, als den schönsten Urlaub bezeichnet, den ich je gehabt hatte, wenn nicht die Ereignisse der letzten Tage gewesen wären. Ich hoffte insgeheim, dass sie nur ein Hirngespinst waren und nichts davon in Wirklichkeit existierte. Der Alkohol von einem Liter Bier, den ich beim Essen zu mir genommen hatte, ließ alles in einem anderen Licht erscheinen. Geli warf eine Münze in den Abgrund, die entsprechend dem verbreiteten Volksglauben uns zu einer Wiederkehr an diesen Ort animieren sollte. Sie tat es immer und überall auf der Welt, aber der fromme Wunsch war noch nie in Erfüllung gegangen. Ich maß dem Ritual keine große Bedeutung bei, doch diesmal wollte ich, dass die Münze weit flog und tief fiel, damit sie kein Mensch fand, bevor ich sie bei meinem nächsten Besuch auflas. Ich hatte den sehnlichsten Wunsch und hoffte inständig, eines Tages wieder an diesem Geländer stehen zu dürfen und die überwältigende Aussicht in den Talkessel zu genießen. Aber vorerst musste ich weg von hier, zu viele merkwürdige Sachen waren in der letzten Zeit passiert. Doch ich war in diesem Moment guter Dinge: Der Spuk musste sich verflüchtigen, sobald ich diesen Ort verlassen hatte, auf jeden Fall.

In die Gruppe der Anhänger kam Bewegung, nachdem auf der Zielgeraden der letzte Teilnehmer des Radrennens von Madeira aufgetaucht war. Jubelschreie wurden laut, obwohl ich nicht ganz nachvollziehen konnte, was es da zum Jubeln gab. Was der arme Mann auf der Straße veranstaltete, konnte man nicht mehr als Radfahren bezeichnen. Er fuhr eine Schlangenlinie von einem Straßenrand zum anderen, um noch irgendwie die letzten Höhenmeter bis zum Ziel zu bewältigen. Er sah schrecklich aus. Es war mir ein Rätsel, wie er es bis hierhin überhaupt geschafft hatte. Er fuhr wie ein Betrunkener und berührte mit dem Vorderrad die Ziellinie, als die letzten Kräfte ihn auf einmal verließen und er in die ausgebreiteten Arme seiner Anhänger fiel. Der Schiedsrichter erbarmte sich des Zustandes des jungen Mannes und nickte nach einem kurzen Zögern. Er hatte den Versuch gelten lassen.

Es wurde wieder laut wie auf einer Baustelle. Die Arbeiter nahmen die errichteten Konstruktionen wieder auseinander und uns blieb nichts anderes übrig, als den Parkplatz zu verlassen, zumal auch die Passstraße anscheinend frei von Radfahrern war, denn dem Letztankömmling folgte ein Polizeiwagen mit Blaulicht, hinter dem sich eine Reihe von Autos die Straße nach oben schlängelte. Es war das Ende des Radrennens, es war das Ende des Ausfluges an unserem letzten Tag auf dieser Insel.

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Das Geheimnis des vernebelten Passes von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Ein Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 12.014
Online Seiten: 145
PDF Downloads: 54
PDF Seiten: 340
EPUB Downloads: 41
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 665482
Druckwörter: 122463
Buchseiten: 504
Erschienen: January 2021

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