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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 133
»Was ist?«, erkundigte ich mich, als Geli an dem Schaufenster des Shops hängen geblieben war. Sie schaute sich abermals die dicken Strickjacken an. »Nichts. Bringst du mir auch ein Bier? Ich guck hier noch ein bisschen«, gab sie zur Antwort. »Von mir aus!« Ich hatte nur das Bier im Sinn und ging einfach weiter. Es war ziemlich leer im Lokal, nur an zwei Tischen saßen Gäste bei ihrer Mahlzeit und unterhielten sich leise, sodass ich gleich mit meiner Bestellung an der Theke dran war. »Hi! Three large beers please!«, sagte ich der Kellnerin am Ausschank, die sofort bereitwillig ihre Hand nach den großen Bierkrügen ausstreckte. Ich bestellte gleich drei Bier, denn eins wollte ich direkt hier an der Theke genießen, solange sich die Schaumkrone bei den zwei restlichen zurückbildete. Ich hatte derart Durst, dass ich kaum abwarten konnte, bis es endlich auf dem Tresen stand und der überschüssige Schaum auf den Untersetzer tropfte. Ich trank es gierig in zwei Zügen. Der Alkohol wirkte schnell auf den leeren Magen. Leicht berauscht verließ ich das Café mit zwei Bierkrügen in den Händen und richtete meine Schritte zur Terrasse, als ich durch das Schaufenster merkte, dass sich meine Frau nunmehr im Laden mit den Strickjacken beschäftigte. Sie blickte auf, als sie mich bemerkt hatte, und gab mir ein Zeichen, dass sie gleich nachkam. »Mach jetzt aber schnell!«, sagte ich unzufrieden, eher um einfach etwas zu sagen, denn sie konnte mich hinter der Glasscheibe nicht hören. Der Rauch schmeckte wieder, nachdem ich am Tisch Platz genommen und mir eine Zigarette angezündet hatte. Ich wartete auf meine Frau und verspürte Hunger. Als Geli leicht aufgeregt vom Shop zurückkam, kramte ich in unseren Rucksäcken nach Essbarem. Sie fragte: »Hast du Geld dabei?« »Klar habe ich Geld dabei.« Ich sah sie mit einem Blick an, der Interesse an weiteren Informationen bekundete. »Ich brauche siebzig Euro. Ich will die Jacke kaufen!«, sagte sie schnell, als hätte sie Angst davor gehabt, dass der Mut sie gleich verließ, während sie es aussprach. »Oje!«, meinte ich ironisch. »Du hast dich endlich entschieden, dieses Prachtstück aus weicher, flauschiger Wolle zu erwerben, das dich ausnahmsweise mal nicht am Hals kratzt?« »Hör auf mit deiner Witzelei! Gib mir das Geld«, entgegnete sie fordernd.
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Ich drückte ihr das Portemonnaie in die Hand. Sie verschwand wieder und ich breitete eine Serviette auf dem Tisch aus, um unser Essen darauf abzulegen. Ich schnitt schon mal alles vor, schälte die Eier und bestreute die Tomatenhälften mit Salz. Ich hatte Hunger, es was letztendlich schon drei Uhr am Nachmittag und ich hatte noch keinen Krümel im Mund gehabt, wenn man dem Bericht von meiner Frau Glauben schenkte. So lange waren wir heute gar nicht unterwegs gewesen, stellte ich fest. Wir mussten die Wanderung tatsächlich abgebrochen haben. Warum war mir an der Levada plötzlich der Hunger vergangen? Ich traute mich nicht, Geli nach Einzelheiten zu fragen, zumindest wusste ich noch nicht, wie ich es anstellen sollte, ohne einen Verdacht zu erregen. Möglicherweise hatte sie unterwegs Fotos gemacht, sie konnten mir auf die Sprünge helfen. Ich musste abwarten. Angelina ließ mich auf die Folter spannen. Ich stellte mir bildhaft vor, wie sie gerade zwei oder drei Jacken in den Händen hielt und sich nicht für eine bestimmte entscheiden konnte. Es hätte durchaus so ausgehen können, dass sie gleich mit leeren Händen zurückkehrte und mit zitternder Stimme erklärte, sie hätte Bedenken gehabt, ob es richtig gewesen wäre, die Jacke zu kaufen. Ich nahm einen Schluck Bier und knabberte an einer Wurstscheibe, als Angelina strahlend vor Glück um die Ecke kam und eine prall gefüllte Einkaufstüte mit sich trug. Alles deutete darauf hin, dass die schwere Geburt der Entscheidung erfolgreich verlaufen war und wir nun in den Rang der stolzen Besitzer einer Strickjacke aus dicker portugiesischer Wolle erhoben worden waren. »Zeig!«, rief ich ihr neugierig entgegen und stellte das Bier beiseite. »Ja, hier!«, präsentierte sie ihren ganzen Stolz, nachdem sie den beigebraun gemusterten Wollklumpen aus der Tüte herausgeholt und ausgebreitet hatte. »Denkst du nicht, der Kragen ist zu kratzig?« »Wie soll ich das wissen? Du hast ja die Jacke anprobiert!« Ich musste lachen. »Egal«, setzte Geli ihr Selbstgespräch fort. »Ich kann ja dazu eine Bluse mit hohem Kragen tragen.« Sie stand noch eine Weile da, hielt ihr neues Kleidungsstück in den Händen hoch und begutachtete jede einzelne Masche im Strickmuster, bevor sie die Jacke wieder zusammenfaltete und zurück in die Tüte legte. »Willst du hier richtig Mittag machen?«, fragte sie verwundert, als sie den gedeckten Tisch bemerkt hatte. »Hast du jetzt wieder Hunger bekommen?« »Das Bier regt den Appetit an!«, parierte ich die gefährliche Frage. »Außerdem, es ist erst drei Uhr, bis zum Abendessen im Restaurant könnte ich nicht warten.« »Gut, dann essen wir hier«, sagte Angelina und trank von ihrem Bier.
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KurzinhaltEin Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.Über den Autor
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