Logo Leseecke
OPEN DIGITAL LITERATURE PROJECT
Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 132

Ihm folgte eine Frau, ein halbwüchsiges Mädchen und ein Junge im Alter von etwa zehn Jahren. Zu meiner Freude war es nur eine wanderfreudige französische Familie. Ausgestattet waren sie alle so, als hätten sie vorgehabt, den Mount Everest zu besteigen, nur dass die Sauerstoffflaschen hinter ihrem Rücken fehlten. Dafür hatte aber jeder einen glänzenden Schutzhelm an mit zwei großen Scheinwerfern an den Seiten. Jetzt verstand ich auch endlich, warum mir die vierköpfige Familie von Weitem wie eine große Wandergruppe vorkam. Etwas übertrieben für eine Levadawanderung fand ich die Ausrüstung schon, dafür wurde es aber richtig hell, während sie vorbeimarschierten. Vielleicht trug ihre Hochleistungsbeleuchtung auch entscheidend dazu bei, dass sie sich in einem unglaublichen Tempo in dem engen Tunnel bewegen konnten, sie sahen jeden Buckel und jeden überhängenden Stein. Unsere Augen mussten sich wieder an die Dunkelheit gewöhnen, während sich die Franzosen in Windeseile von uns entfernten. Schon bald waren sie nur als Schatten vor dem hellen Hintergrund des Ausgangs zu sehen, ehe sie den Tunnel verließen. Wir setzten die Wanderung fort.

Nichts erinnerte mehr an den unheimlichen Ausflug zum Gefallenen Engel in der Mitte einer geheimnisvollen Uhr. Es wurde allmählig voller auf dem Levadapfad, für Geister und Gespenster gab es jetzt keinen Platz. Der eine oder der andere Wanderer kam uns entgegen auf dem Weg zum letzten, breiten und trockenen Tunnel, der uns endlich auf die Südseite führen sollte. Sie riefen in mir keine Furchtgefühle hervor und ließen mich für einen Augenblick alles, was geschehen war, als einen bösen Traum betrachten. Doch etwas sagte mir hartnäckig, dass noch mehr dahintersteckte. Schließlich stand immer noch die Tatsache im Raum, dass ich mich an nichts von all dem erinnern konnte, was Angelina mir berichtet hatte. Es ließ sich nicht ignorieren. Was war das hier für ein mystischer Ort an diesem vernebelten Pass, wo ich beständig Visionen bekam, wenn ich in einen bestimmten Bereich eindrang. In welchen, wusste nicht mal der Briefträger, vermutete ich. Welche Rolle spielte er bei der ganzen Geschichte? Er war ein Teil der Fata Morgana, dessen war ich mir sicher! Erging es nur mir so an diesem Ort oder gab es noch Leute, die das Gleiche erlebt hatten? Meine Frau war offenbar nicht betroffen von den Wahnvorstellungen, die mich schon seit der Pico-Grande-Tour verfolgten. Ja, alles hatte dort angefangen, während ich entkräftet auf dem Hang gelegen und zu mir selbst gesprochen hatte. Oder war es der Postbote gewesen, der auf mich damals eingeredet hatte? War er die rätselhafte Gestalt, die mir ins Gesicht gesehen hatte und alsdann weitergegangen war? Sie war doch in einen dunklen Anzug gekleidet gewesen und etwas hatte auch an ihrer Schulter gehangen. Eine große Tasche?

(?)
Leseecke Schließen
Lesezeichen setzen
 
Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Roman von Nikolaus Warkentin
»Jetzt lesen

Ich war auch sonst für allerhand Mysterien und unerklärliche Phänomene leicht zu haben. Ein schwer definierbares Gefühl ergriff mich, wenn sich manch ein Rätsel nicht dem gesunden Menschenverstand erschloss und das Gehirn dazu zwang, immer weitere logische Ketten zu knüpfen, bis eine Erkenntnis geboren wurde oder alle Denkansätze kläglich scheiterten. In einer klaren Nacht konnte ich stundenlang den Sternenhimmel anstarren. Ich sah tief in den Kosmos hinein und versuchte, die Unendlichkeit zu ergründen und die Ewigkeit zu verstehen. Obgleich sich weder das eine noch das andere mit der Kraft der menschlichen Vernunft erklären ließ, sah ich fasziniert auf die in der Dunkelheit funkelnden Sterne. Aus gutem Grund: Schließlich war jeder einst ein Teil davon gewesen. Dazu, dass mein Verstand mit mir solche Spielchen veranstalten konnte, war ich in gewisser Weise veranlagt, dennoch hatte ich mir nicht in meinen abgründigsten Fantasien vorgestellt, dass es je solche Formen hätte annehmen können.

Unterdessen näherten wir uns dem Pass. Bereits von Weitem hörte ich, wie die Zuschauer am Berghof die Teilnehmer des Radrennens auf der Passstraße anfeuerten. Es stimmte, es gab ja noch das Rennen, erinnerte ich mich. Ein Rennfahrer überquerte gerade völlig erschöpft die Ziellinie, während wir oben an der Levada stehen blieben und mit Interesse das Geschehen beobachteten. Er erntete jubelnden Beifall von seinen Anhängern, dann wurde es wieder ruhig und alle schauten angespannt auf die Straße, ob nicht gleich der nächste Radfahrer um die Kurve auf die Zielgerade fuhr. Es passierte nichts. Vermutlich war das Hauptfeld schon längst über das Ziel gefahren und man wartete auf ein paar Nachzügler, die noch irgendwo mit dem Berg kämpften. Man sah nunmehr auch, was die Männer heute Morgen auf der Straße errichtet hatten. Es war eine Art Tor, das das Ziel des Rennens markierte, und etwas Ähnliches wie ein Siegertreppchen stand etwas abseits neben der Fahrbahn. Die Siegerehrung war ebenfalls vorüber, denn auf dem Treppchen konnte man keine mit Champagner umherspritzenden Sportler entdecken und das Schiedsrichterteam langweilte sich am Zieltor und warf ungeduldige Blicke die Passstraße hinunter.

»Ich will ein Bier«, gestand ich ehrlich, nachdem ich an das Café auf der anderen Seite des Passes gedacht hatte.

»Gut.« Geli nickte zustimmend und wir folgten dem staubigen Pfad auf die andere Seite des Grats, um uns den Weg durch die Menge zu sparen.

Das Wetter lud ein zu einem Aufenthalt im Freien, an einem der Tische auf der Terrasse der Rastanlage neben dem kleinen Supermarkt. Es war nicht allzu kühl und die Sonne stand noch hoch genug am Himmel, um sich in der klaren Bergluft von ihren sanften Strahlen zärtlich berühren zu lassen. Kein einziges Wölkchen trübte die Aussicht. Wir waren die Einzigen und konnten uns einen Platz aussuchen. Die Nachricht über die gesperrte Passstraße musste sich auf der ganzen Insel verbreitet haben, denn auch vor dem Café war nicht viel los. Auf dem Parkplatz standen einige Autos, aber sie gehörten vermutlich den Zuschauern am Berghof auf der anderen Seite und vielleicht den wenigen Wanderern, denen wir auf der Levadaschulter begegnet waren. Wir ließen unsere Sachen auf einem Tisch liegen und begaben uns zur Theke im Café, es gab nur Selbstbedienung im Außenbereich.

| Seite 132 von 145 |

Günstige Downloads für Ihr Gerät

Das Geheimnis des vernebelten Passes
PDF
Titel: Das Geheimnis des vernebelten Passes
PDF Dokument: Format A5, 340 Seiten, Dateigröße 2.461 KB, Ausgeführte Dowloads 54, PDF-Reader zum Lesen erforderlich! Auch zum Lesen im Ebook-Reader geeignet
6,99 € N/A
Das Geheimnis des vernebelten Passes
EPUB
Titel: Das Geheimnis des vernebelten Passes
E-Book im ePub-Format: Anzahl Seiten deviceabhängig, Dateigröße 1.033 KB, deviceübergreifend optimiert, Ausgeführte Dowloads 41, e-Book Reader zum Lesen erforderlich!
6,99 € »Epubli Verlag
Das Geheimnis des vernebelten Passes Titel: Das Geheimnis des vernebelten Passes
Jetzt eine Printausgabe bestellen! Sie werden gleich auf die Seite des Verlages weitergeleitet, wo Sie Ihr Exemplar bequem erwerben können.
15,99 € »Epubli Verlag

Diese Seite weiterempfehlen

»Link an Freunde senden
Das Geheimnis des vernebelten Passes von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Ein Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 12.014
Online Seiten: 145
PDF Downloads: 54
PDF Seiten: 340
EPUB Downloads: 41
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 665482
Druckwörter: 122463
Buchseiten: 504
Erschienen: January 2021

Ihre Spende ist willkommen!

Wir stellen Ihnen gerne alle Inhalte unserer Webseite kostenlos zur Verfügung. Sie können die Werke auch in der E-Book-Version jederzeit herunterladen und auf Ihren Geräten speichern. Gefallen Ihnen die Beiträge? Sie können sie alle auch weiterhin ohne Einschränkungen lesen, aber wir hätten auch nicht das Geringste dagegen, wenn Sie sich bei den Autoren und Autorinnen mit einer kleinen Zuwendung bedanken möchten. Rufen Sie ein Werk des Autors auf, an den Sie die Zuwendung senden wollen, damit Ihre Großzügigkeit ihm zugutekommt.
Tragen Sie einfach den gewünschten Betrag ein und drücken Sie auf "jetzt spenden". Sie werden anschließend auf die Seite von PayPal weitergeleitet, wo Sie das Geld an uns senden können. Vielen herzlichen Dank!

Diese Seite weiterempfehlen

»Link an Freunde senden
Kreisende Punkte
Leseecke Schließen