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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 131
»Du bist heute irgendwie komisch!«, redete Geli weiter. »Du sagst, wir müssen eine Pause machen, um zu Mittag zu essen und isst keinen Krümel, weil du keinen Hunger hast. Zuerst sagst du, wir sollen schneller gehen, um so weit wie möglich zu kommen, dann schreist du mich an: ›Ich will hier raus! Wir müssen zurück ins Hotel.‹ Jetzt weißt du nicht mehr, wo die Flasche ist, die du mir vor Kurzem weggenommen und in deinen Rucksack gesteckt hast. Was ist los?« Das hatte ich wirklich gesagt, soweit ich mich erinnerte! Der Schrei der Verzweiflung war aber nicht an sie gerichtet gewesen und ich hatte ihn zwar lautstark zur Geltung gebracht, aber an einem ganz anderen Ort! Wie hatte sie ihn hören können? Ja, meine liebe Frau, ich hätte auch gerne gewusst, was hier los war! »Keine Ahnung. Lass uns weitergehen«, wich ich der Frage aus. »Wolltest du nicht dringend etwas trinken?«, fragte sie. »Ja, doch. Warte«, antwortete ich, holte die Flasche aus dem Rucksack und trank gierig. »Ich sage doch: Komisch!« Sie sah mich mit einem prüfenden Blick an. Im Moment war ich eigentlich völlig normal, nur dass ich von Ereignissen, von denen Geli mir etwas erzählte, keinen blassen Schimmer hatte. Mich wurmten allerlei Gedanken zu dem mysteriösen Erlebnis, während wir zurück zum Pass wanderten. Ich hatte einen brennend heißen Wunsch, etwas darüber zu erfahren, wie weit wir auf der Levada gekommen waren, was wir gesehen hatten und ob wir zum Plateau hinaufgestiegen waren – einfach alles oder zumindest etwas, was sich irgendwie mit meinen Erinnerungen deckte. Es war ein Versuch, die Ereignisse an beiden Orten irgendwie in meinem Kopf miteinander zu verknüpfen, um mir selbst zu beweisen, dass alles eine einfache logische Erklärung hatte und ich nach unserer Rückkehr aus dem Urlaub nicht einen Psychiater aufsuchen musste. Ich hielt aber den Mund und stellte keine Fragen, sie hätten unweigerlich dazu geführt, dass ich meine irre Geschichte von einer Abschiedsparty auf der geheimnisvollen Baustelle offenbaren musste. Ich glaubte sie selbst noch nicht so richtig. Was konnte ich denn von Geli erwarten? Sie hätte möglicherweise noch heute die örtliche Klinik angerufen, um ein Team von kräftig aussehenden Sanitätern anzufordern, die eine breit gefächerte Auswahl an Zwangsjacken im Gepäck hatten. »Sind sie noch nicht fertig?«, wunderte sich Angelina, während wir uns dem vorletzten Tunnel auf unserem Rückweg auf die Südseite näherten. Ich fuhr zusammen. Ich hatte sie auch gehört, die Stimmen, die aus einer unbestimmten Richtung kamen. Es waren auf keinen Fall die Arbeiter, die wir vorhin an der Levada gesehen hatten. Da irrte sich meine Frau. Es musste eine ganze Menschengruppe sein, denn es waren mehrere Stimmen.
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»Nein, es sind nicht die zwei Burschen! Keine Ahnung, wer das ist. Hauen wir ab, Blonde!«, sagte ich besorgt. Von unheimlichen Begegnungen der dritten Art hatte ich mehr als genug, ich wollte keine Klick-klack-Geräusche mehr hinter meinem Rücken hören. Was wenn die ganze Partygesellschaft hinter mir her war? Wir mussten den Tunnel so schnell wie möglich durchqueren, ohne von irgendwelchen Geistererscheinungen heimgesucht zu werden. Es war kein gut ausgebauter unterirdischer Gang und wir kamen nur langsam voran unter der tief hängenden Decke. Es tropfte von oben und schmatzte unter den Füßen. Ich kannte den Tunnel, am anderen Ende kam man zum Wasserfall der Engländer hinaus. Die Briten konnten jetzt nicht dort sein, sie vergnügten sich auf dem Bauhof und ich wollte von ihnen auch in keiner Weise behelligt werden. Kaum hatten wir die Tunnelmitte erreicht, da bekamen wir schon Gesellschaft. Die Stimmen die ich draußen vernommen hatte, hallten nun laut durch den Tunnel von einem Ende zum anderen. Ich wusste nicht, was es für Leute waren, aber ich hätte am besten jede Begegnung in der dunklen Röhre vermieden. Die Gruppe befand sich noch ganz am Anfang und unsere Chancen standen gut, den Ausgang zu erreichen, bevor sie uns einholte. »Lass uns schneller gehen«, schlug ich vor, nachdem ich zurückgeschaut und festgestellt hatte, dass sich der Abstand merklich verringerte. »Okay«, erklärte sich Geli mit meinem Vorschlag einverstanden, denn auch ihr leuchtete es vermutlich ein, dass dieser Tunnel nicht gerade der geeignetste war für Überholmanöver jeder Art. Man hätte in den Spagat über dem Wasserkanal gehen müssen, um jemanden durchzulassen, und es schien auch mittlerweile unvermeidbar zu werden, denn die Mannschaft hinter uns war unwahrscheinlich schnell und atmete uns schon bald in den Nacken! Wir brauchten keine Taschenlampe mehr, denn das helle Licht der vielen Scheinwerfer, mit denen die Gruppe ausgestattet war, machte die Nacht im Tunnel zum Tag. Es waren Franzosen, soweit ich beurteilen konnte. Nein, nicht die Wandergruppe von Jean-Luke, seine Stimme hätte ich inzwischen unter mehreren Hundert wiedererkannt. Die Gesichter der Leute konnte man nicht sehen, die Lampen an ihren Köpfen blendeten meine Augen, aber sie sprachen französisch. »Bonjour!«, sagte der große Mann, der die Gruppe anführte, nachdem ich mit einem Bein an der gegenüberliegenden Wand der Levada Halt gefunden hatte. »Bonjour«, antwortete ich, während ich Geli an den Schultern festhielt, die schräg über der Rinne hing, ihre Schrittlänge reichte nicht, um den Kanal zu überbrücken.
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KurzinhaltEin Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.Über den Autor
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