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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 129

Ich machte mich auf zum Tunnel. Ich ging hinter den Tischreihen im Uhrzeigersinn um die Uhr herum und war schon so weit, dass ich bald zum Brettertor abbiegen wollte, als ich hinter den aufeinander gestapelten Paletten mit Pflastersteinen das Pärchen von elf Uhr überraschte. Um ehrlich zu sein, blieb die Überraschung ganz auf meiner Seite, denn ich war für sie unsichtbar und sie machten einfach weiter, als wäre nichts gewesen. Es war die logische Fortsetzung dessen, was auf der Tanzfläche seinen Anfang gehabt hatte. Die Frau stand mit leidenschaftlichem Gesichtsausdruck leicht vorgebeugt mit dem Rücken zu dem jungen Mann, der Rock ihrer Uniform war bis zur Taille hochgezogen, ihre rosafarbene Unterwäsche lag daneben auf dem schlammigen Boden. Sie drückte ihre Gesäßhälften kräftig gegen die entblößten Lenden ihres Liebhabers, der hinter ihr mit bis zum Boden hinuntergerutschter Hose stand. Seine rechte Hand hielt sie fest an ihrem Becken und die linke lag auf ihrer Brust. Mit solcher Entwicklung hatte ich schon gerechnet, dass die ganze Veranstaltung zu einer Orgie ausartete, wenn noch ein paar Kisten Madeirawein auf den Tisch kamen. Die beiden waren nur die Vorboten. Ich überließ sie ihrer Wollust und schritt in Richtung Tor. Der nebelverhangene Tunneleingang schimmerte dahinter.

Ich nahm abermals aus den Augenwinkeln ein vages Zeichen der Bewegung wahr, als ich die seltsame Holzkonstruktion erreichte. Es kam mir vor, dass sich die Zweige der Farne leicht bewegten an der Stelle des Pfades, wo vor einigen Minuten der Mann im dunklen Sakko verschwunden war. Von Überraschungen hatte ich heute schon die Nase voll. Ich flehte innerlich das Schicksal an, mich mit keinen mysteriösen Erscheinungen mehr zu konfrontieren, als mein Verdacht sich bestätigte und eine Figur im Dickicht der Vegetation sichtbar wurde. Doch wen ich da sah, war keine böse Überraschung, sondern vielleicht sogar die Rettung! Es war Geli! Sie lief unbekümmert den Pfad entlang auf den Tunneleingang zu. Es war mir absolut egal, wie sie hierhergekommen war und warum, ich wollte einfach mit, raus aus dieser unwirklichen Welt mit ihrem grellen Licht und all den betrunkenen Menschen im Hintergrund. Ich sprang vor Freude in die Höhe und wollte schnell zum Pfad laufen, um sie endlich zu umarmen, aber etwas hinderte mich an meinem Vorhaben. Ich konnte das Tor nicht passieren, etwas versperrte mir den Weg wie eine unsichtbare Mauer. Vielleicht erfüllte es doch eine Aufgabe, von der ich nichts wusste?

Ich gestikulierte und schrie wie ein Irrsinniger: »Hallo, ich bin hier! Warte doch auf mich!«

Es war alles vergebens, sie konnte mich weder sehen noch hören. Nur ein einziges Mal blickte sie auf, als ob sie etwas Ungewöhnliches gehört hätte, und ging weiter. Sie erreichte den Tunnel und verschwand einfach hinter der Nebelwand. Die Blockade am Holztor löste sich im selben Moment auf.

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Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Roman von Nikolaus Warkentin
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Menschenskind! Wo ging sie denn hin? Sie hatte doch keine Taschenlampe! Ich lief schnell hinterher, aber ich konnte sie nicht im Tunnel finden. Ich hörte keine Schritte und keiner meldete sich auf meine Rufe, nachdem mich die milchige Nebelmasse hinter dem Eingang von allen Seiten umschlossen hatte. Mühevoll schlug ich mich durch die Dunkelheit, die Taschenlampe nützte nichts, solange sich die Nebelschwaden nicht lichteten. Es hätte eigentlich schon der Fall sein müssen. Soweit ich mich vom Hinweg her erinnerte, war es nur ein kurzer Tunnel. Trotzdem traf das Licht der Taschenlampe unverändert auf eine undurchdringliche weiße Oberfläche, obwohl ich schon eine ganze Weile unterwegs war. Vielleicht war der Luftzug an allem schuld, den ich schon vor meinem Bauhofabenteuer in der Tunnelröhre gespürt hatte und der mir auch jetzt das Haar am Hinterkopf kräuselte? Hatte er in der Zwischenzeit die Schwaden so weit vorangetrieben? Denn ich musste von der Zeit her nicht nur den nebeligen Abschnitt verlassen, sondern schon das Ende des Tunnels erreicht haben. Aber ich lief immer noch auf dem betonierten Pfad, obwohl der befestigte Weg irgendwo in der Mitte abreißen musste. Mich verließ nicht das Gefühl, dass es nicht derselbe Tunnel war. Ich tastete mich mit der linken Hand an der Felswand vor, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren und in dem Kanal zu meiner Rechten zu landen, in dem das Wasser leise vor sich hin rauschte und gluckerte. Das war zumindest ein gutes Zeichen dafür, dass ich auf dem richtigen Weg war. Die Levada war wieder da. Ich konnte ihr bedenkenlos folgen, um aus der skurrilen Welt hinauszufinden.

Erst eine halbe Stunde später bemerkte ich, dass der Lichtstrahl der Taschenlampe immer weiter reichte. Bald löste sich der Nebel auf und ich konnte schon fünf Meter weit sehen, als ich begriff, dass mich die Nebelwanderung kein Stückchen näher zum Ausgang gebracht hatte. Vor mir erstreckte sich eine schwarze Unendlichkeit, es gab kein einziges Anzeichen für einen Ausgang ins Freie. Nicht einmal ein winziger weißer Punkt in der Ferne gab Hoffnung auf ein baldiges Ende der Tortur. Ich war am Boden zerstört. Die Erkenntnis der Aussichtslosigkeit all meiner Anstrengungen brachte mich an den Rand der Verzweiflung, nachdem ich in Kürze abermals gegen ein unsichtbares Hindernis mitten auf dem Weg geprallt war. Das Wasser der Levada floss wie gewohnt weiter, die Lampe leuchtete vorne gut zehn Meter des Pfades aus, aber es gab kein Durchkommen! Wie an dem Brettertor stand ich an einer Grenze und kam keinen Millimeter voran. Und nun? Ich fragte mich, welche Alternativen ich noch hatte. Nein, es gab keinen Plan B! Zurück in den Nebel und zur Baustelle, wo mittlerweile bestimmt schon alle volltrunken auf dem Boden lagen und ihren Rausch ausschliefen, wollte ich auf gar keinen Fall. Die andere Richtung war versperrt. Sollte ich es vielleicht auf dem Wasserwege versuchen? Ja, wenn das Wasser im Kanal doch ungehindert weiterfloss, hätte es vielleicht auch mit mir funktioniert, wenn ich die Absperrung untertauchte.

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Das Geheimnis des vernebelten Passes von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Ein Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 12.014
Online Seiten: 145
PDF Downloads: 54
PDF Seiten: 340
EPUB Downloads: 41
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 665482
Druckwörter: 122463
Buchseiten: 504
Erschienen: January 2021

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