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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 127

Was stimmte mit mir nicht? Sie konnten mich hören, aber nicht sehen und ich konnte die Szene nur wie in einem Stummfilm ohne Ton verfolgen. War ich hier in irgendeiner Zeitschleife gefangen? Denkbar wäre es gewesen! Räumlich waren wir vereint und zeitlich waren wir getrennt. Nein, es war Blödsinn! Nicht einmal Stephen Hawking hatte sich getraut, solche Thesen aufzustellen. Obwohl … Noch kein einziger Mensch in der Welt hatte mir schlüssig und mit wenigen einfachen Worten erklären können, was Zeit oder was Raum war! An der Tatsache änderte sich nichts, wenn die Leute über eine geheimnisvolle Raumzeit sprachen, die sich krümmen und wieder gerade biegen ließ. Keiner von ihnen wusste, was es genau war! Weder Physiker noch Philosophen! Theologische Weisheiten interessierten mich weniger, man wusste schon von vornherein, mit welchen Schlussfolgerungen eine solche Ausarbeitung endete. Sich damit auseinanderzusetzen, machte keinen Sinn. Aber auch der gute alte Kant erläuterte auf weit mehr als zehn Buchseiten diese Begriffe von seiner transzendentalen Warte aus, doch man gewann den Eindruck, dass man am Ende noch weniger von alledem verstand als zuvor. Ich wusste es auch nicht. Vielleicht war es so eine raumzeitliche Anomalie, wie ich vermutete?

Ich überlegte, wo denn das Pärchen abgeblieben war, denn es ließ sich nicht mehr blicken. Auf der anderen Seite des Sandhaufens waren sie nicht aufgetaucht, demnach mussten sie noch dahinter stecken. Was machten sie da und warum waren sie überhaupt hierhergekommen? Waren sie uns nachgelaufen? Die Fragen blieben offen, denn auf dem Platz vor dem Tunnel kündigte sich schon die nächste Besuchergruppe an. Ein Dutzend Leute, die als Bergwanderer gekleidet waren, kamen einer nach dem anderen aus den Nebelschwaden und bildeten allmählig einen Halbkreis. Sie sahen sich interessiert um und warteten auf den Rest. Als Letzter kam ein Mann heraus, stellte sich in die Mitte und erklärte den Anwesenden die Umgebung unter Zuhilfenahme seiner ausgestreckten Hand. Er sprach viel und leidenschaftlich, ich konnte es an seinen Lippenbewegungen erkennen, und die Gruppe nickte verständnisvoll mit den Köpfen, wenn er eine Frage an die Runde richtete. Der Mann war mir bekannt. Nein, ich irrte mich nicht, es war Jean-Luke! Wo kam er jetzt plötzlich her? Man hätte denken können, dass er mit der Gegend hier bestens vertraut war und täglich eine Gruppe zur Besichtigung dieser Baustelle begleitete, denn er führte seine Wanderfreunde, ohne viel nachzudenken, direkt zu dem Lagerhäuschen auf ein Uhr. Sie legten dort ihre Rucksäcke ab und holten die Wasserflaschen heraus, während ihr Bergführer die Schuppentür öffnete und einige Klappstühle nach draußen stellte. Er sah bald auf seine Armbanduhr, bald auf die Scheune nebenan auf zwölf Uhr und anschließend zur Mitte des Platzes. Es schien, als wartete er auf jemanden. Sehen konnten sie mich allesamt nicht.

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Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Roman von Nikolaus Warkentin
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Was sollte es hier werden? Es war die Frage, die ich mir stellte, als am Tunnel der Grand-Maximum-Mann auftauchte in Begleitung seiner Madame, dicht gefolgt von dem Wir-sind-jetzt-hier-Ehepaar. War hier so eine Art Reunion mit geladenen Gästen geplant? Ich hatte diesbezüglich fast keine Zweifel mehr, nachdem seine Lordschaft mit der blumenbegeisterten Lady an mir vorbeidefiliert waren und ihre Position neben den französischen Wanderern eingenommen hatten. Nicht lange ließ auf sich auch der Funchal-Busfahrer warten. Er kam zusammen mit dem Förster den Weg entlang und sie unterhielten sich über wichtige Sachen, als wäre ihr Gespräch im Bus noch nicht beendet gewesen. Es wurde voll auf dem Platz und ich hörte auf, die Gäste zu zählen. Ich kam langsam durcheinander, alles drehte sich in meinem Kopf wie auf einem gigantischen Karussell: Menschen, Gesichter, Scheunen und Holzstapel. Alles vermischte sich zu einer bunten Masse, aus der mal der Portugiese mit der Landkarte hinausragte, mal der Akkordeonist vom Botanischen Garten mit seinem schweren Instrument auf den Vorderplan trat. Sogar das russische Mädchen aus der Snackbar im Hotel war geladen, sie kam mit einer Plastiktüte in der Hand in Begleitung ihres Freundes. Beinahe unbemerkt schlich sich das Liebespärchen vom Königspfad heran. Die Frau wich immer noch beschämt den Blicken aus und sah verlegen zu Boden, während sie sich am vorgesehenen Holzstapel positionierte. Die krankhaft dürr aussehende Französin mit ihrem Begleiter, mit denen sich Geli auf dem Pico Ruivo unterhalten hatte, bemerkte ich ebenfalls auf fünf Uhr.

Ich nahm an, dass wir nun komplett waren, als nach einer Weile keine neuen Gäste mehr auftauchten. Ich sah in die Runde. Sie waren alle hier, die Leute, die ich während des Madeiraurlaubs kennengelernt oder nur flüchtig gesehen hatte. Zum Teil hatte ich schon vergessen, wer in den zwei Wochen unseren Weg gekreuzt hatte, und hätte mich auch nie wieder an die Menschen erinnert, wenn es nicht die seltsam anmutende Veranstaltung gegeben hätte. So wusste ich nicht mehr, was genau wir in dem Lokal nicht weit von der Seilbahn in Funchal gegessen hatten. Wer konnte sich da noch an den Kellner erinnern? Doch er war hier, ich erkannte ihn wieder! Wer steckte hinter dem Ganzen? Wer war auf die Idee gekommen, die Leute zusammenzuführen an einem unwirklichen Ort, auf einer Baustelle für eine monumentale Uhr, die weiß Gott was darstellen sollte. Erstaunlicherweise war jeder der Anwesenden bestens über seinen Platz auf dem unsichtbaren Ziffernblatt informiert. Es gab so etwas wie eine Sitzordnung. Wer hatte sie festgelegt und nach welchem System waren die Plätze zugeteilt? Ich glaubte, dass ich zumindest eine Frage davon beantworten konnte. Es war nicht zu übersehen, mit fortschreitender Uhrzeit auf der Riesenuhr verringerte sich der Abstand zum Zeitpunkt des Kennenlernens. So fing die Runde auf ein Uhr mit Jean-Luke und seiner Lordschaft an, die wir so gut wie schon am ersten Tag getroffen hatten, und endete mit den drei Männern aus der Bar in Ribeira Brava, die wir erst gestern kennengelernt hatten. Gegen meine Theorie sprach nur ein einziger Umstand: Auf elf Uhr langweilten sich ein junger Mann und eine junge Frau in dunkler Uniform, an die ich mich nicht erinnerte. Ich musste die beiden erst vor Kurzem kennengelernt haben, vielleicht heute Morgen, aber ich erkannte sie nicht wieder. Es konnte dennoch gut möglich sein, dass sie uns im Hotel über den Weg gelaufen waren, ohne sich in mein Gedächtnis einzuprägen.

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Das Geheimnis des vernebelten Passes von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Ein Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 12.014
Online Seiten: 145
PDF Downloads: 54
PDF Seiten: 340
EPUB Downloads: 41
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 665482
Druckwörter: 122463
Buchseiten: 504
Erschienen: January 2021

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