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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 125

Ich musste sie irgendwie von dieser Kreuzung wegbekommen, damit sie nicht noch zufällig auf dumme Gedanken kam und auf dem Pfad nach oben lief oder noch schlimmer, wieder mit ihren bohrenden Fragen anfing. Viele Möglichkeiten mich herauszureden, ohne Verdacht zu erregen, hatte ich nicht.

»Komm, gehen wir jetzt weiter, bitte«, fügte ich hinzu.

Völlig unerwartet folgte Angelina meinem Aufruf ohne große Widerreden, nachdem ich die ersten Schritte in Richtung der Levadaquelle gemacht hatte. Ich hörte das gleichmäßige Stampfen ihrer Wanderschuhe hinter meinem Rücken.

Der Himmel fing an, milchig zu werden, als wir unseren ehemaligen Picknickplatz erreicht hatten. Einen großen Hunger hatte ich nicht, Angelina offenkundig ebenfalls, denn wir wanderten einfach weiter, an der Stelle vorbei, ohne ein einziges Wort zu verlieren. Es war kein Wunder, die Uhr zeigte erst Viertel nach elf an, stellte ich fest, als ich im Gehen einen flüchtigen Blick darauf warf. Wir hatten bis hierhin nur ein Drittel der Zeit gebraucht, die wir bei unserer ersten Erkundungstour aufgewendet hatten. Es lag auf der Hand, dass zwei Wochen Wanderurlaub in den Bergen sehr viel brachten, wenn es um Fitness und Ausdauer ging. Dabei waren wir noch nicht mal ultimativ viel gewandert. Vor zwei Wochen waren wir an diesem kleinen felsigen Platz mit dem fröhlich gluckernden Bach umgekehrt und hatten den Rückweg zum Hotel angetreten, hier hörten meine Kenntnisse über den Verlauf der Route auf, ich wusste nicht mehr, was uns auf dem Weg erwartete und welche Überraschungen der Anführer der Elfen für uns bereithielt. Wir begaben uns auf ein unerforschtes Terrain.

Die Gegend änderte sich allmählig. Nein, der Wald war noch immer so dicht, dass man nur selten einen Ausblick auf den Atlantik bekam, aber ein Tunnel folgte auf den anderen und ich hatte den Eindruck, dass mit jeder weiteren Schlucht, die sich hinter dem Ausgang öffnete, die Moosschicht auf den Bäumen ein wenig dünner wurde. Es wurde trockener. Anscheinend waren wir über das Folhadal hinweg gewandert und bewegten uns irgendwo auf dem Nordhang von Paul da Serra zwischen São Vicente und Seixal. Das Tal von São Vicente war bereits vor einer Stunde hinter einem Bergzug verschwunden und ich konnte beim besten Willen nicht mehr sagen, wie weit es noch bis zur nächsten weitläufigen Talenge war, die sich von Seixal an der Nordküste bis zur Inselmitte hinaufzog. Streng genommen endete an dieser Klamm auch die Hochebene, denn ab dort flachte das Gebirge nach Westen ab, bis es in Porto Moniz auf die Höhe des Meeresspiegels herabsank. Mit etwas Glück hätte der Ausgangspunkt der Levada do Norte auch in diesem Tal versteckt sein können.

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Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Roman von Nikolaus Warkentin
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Abgesehen von den Arbeitern an der Levada, waren wir noch keinem einzigen Menschen auf unserem Weg begegnet. Ringsherum war es gespenstisch still. Es wirkte irgendwie unheimlich. Intensiviert wurde das Gefühl durch ein merkwürdiges gelbliches Licht, in das alles getaucht war: die Levada, die Bäume, die Felsen … und der Nebel. Er war der Grund für die seltsame Naturerscheinung. Je weiter wir in westlicher Richtung vorankamen, desto mehr machte sich die milchige Nebelwolke bemerkbar, die den Hang langsam herunterkroch und den Himmel trübte. Der Nebel reichte noch nicht bis zur Levada, aber die Baumwipfel oberhalb des Wasserlaufs hatte er bereits verhüllt. Es waren keine dickflüssigen, dichten Schwaden, die sich wie eine Decke über die Gegend legten, sondern eher ein weißlicher Dunst, der eine undefinierbare amorphe Struktur hatte. Durch die rätselhafte Masse über unseren Köpfen blickte stellenweise sogar die Sonne durch, aber die Wolke absorbierte unerklärlicherweise alle Farben des Lichtspektrums bis auf rot und gelb. Der Dunst nahm zusehends einen giftig gelben Ton an und projizierte ihn auf die Umgebung. Was war das wieder für ein Wetterphänomen, fragte ich mich und strengte mein Gedächtnis an, ob ich schon etwas Ähnliches gesehen hatte. Nein. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen, was es war, aber ich war auch kein Meteorologe, der sich mit so etwas auskannte. Auf jeden Fall wirkte die Erscheinung äußerst befremdlich, um nicht zu sagen beängstigend. Außerdem wurde es mucksmäuschenstill. Kein Blatt raschelte in den Baumkronen und kein Vogel zwitscherte in den Sträuchern, nur dumpfe Geräusche unserer Schritte auf dem Beton waren vernehmbar.

Ich holte meine Taschenlampe heraus, wir näherten uns dem nächsten Tunneleingang. Ich betrat die Röhre mit einem unguten Gefühl, obwohl es ein verhältnismäßig kurzer Tunnel war und der weiße Fleck der Ausgangsöffnung am anderen Ende klar und deutlich zu sehen war, in höchstens hundert Metern Entfernung. Ich sah mich noch zum letzten Mal um und wollte wissen, wie Geli in dem etwas eng geratenen Eingang zurechtkam. Alles schien in bester Ordnung zu sein. Ich ging vor mit der Taschenlampe, Geli folgte mir auf den Fersen. Ich passte auf, dass sie nicht zurückfiel, denn eine Lichtquelle hatte sie nicht. Auch so hörte ich schon ab und zu das typische Geräusch, als wenn jemand mit voller Wucht in eine Pfütze trat. Es machte klatsch und ich wusste, dass sie ein Schlammloch erwischte, dem ich ausgewichen war, – die ersten Meter des Pfades waren nicht betoniert. Erst als wir die Hälfte der Strecke zurückgelegt hatten, bekamen wir festen Boden unter den Füßen und ich hörte, wie sie hinter mir mit ihren Wanderschuhen hart auf dem Beton auftrat. Aber etwas anderes beunruhigte mich! Auf einmal verspürte ich einen Durchzug, der vom Ausgang kam, und die Luft im Tunnel wurde sofort feucht und stickig. Im Lichtkegel der Taschenlampe schwebten tausende Partikel, die sich chaotisch hin- und herbewegten. Wie konnte sich so viel Staub in einem feuchten Tunnel bilden, wunderte ich mich, ehe ich begriff, dass es kein normaler Staub war! Es war der nebelige Dunst, der in die Öffnung im Fels hineingeweht und durch den Tunnel getrieben wurde. Der Ausgang war nicht mehr weit, aber der milchige Schleier machte das Bild verschwommen und das Vorankommen beinahe unmöglich, denn die Taschenlampe wurde nutzlos, das Licht wurde von der Nebelwand zurückgeworfen. Man konnte sich nur in dem knappen Licht orientieren, das durch die Öffnung in den Tunnel fiel.

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Das Geheimnis des vernebelten Passes von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Ein Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 12.013
Online Seiten: 145
PDF Downloads: 54
PDF Seiten: 340
EPUB Downloads: 41
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 665482
Druckwörter: 122463
Buchseiten: 504
Erschienen: January 2021

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