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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 118
Ich musste lächeln, während ich darüber nachdachte, dass wir nun seit zwei Stunden in der Stadt unterwegs waren, um dieses Centro Comercial zu finden. Aber was wollten wir dort eigentlich einkaufen? Mir kam nichts in den Sinn! Was gab es da, das wir so dringend benötigten und das wir beispielsweise nicht im Hotel hätten bekommen können? Einige Scheiben Wurst und Käse konnten beim besten Willen nicht der Grund dafür sein, warum wir so lange die Schuhsohlen auf dem Kopfsteinpflaster der engen Gassen strapaziert hatten. Ich kam eher zum Schluss, dass der Einkauf nur ein erdachtes, imaginäres Ziel war, um unsere wahre Absicht, ziellos durch die Straßen zu bummeln, irgendwie ansprechend zu verpacken. In Wirklichkeit war es doch nichts anderes, aber mit einem vermeintlichen Ziel bekam die Sinnlosigkeit einen Sinn! Obwohl …? Halt! So sinnlos war das Ganze nicht! Warum reiste man in ferne Länder, weit weg von der vertrauten heimischen Umgebung? Weshalb nahm man auf sich die Strapazen einer weiten Reise und hockte stundenlang bewegungslos in einem Flugzeug? Warum bekam man überhaupt Fernweh? Der Mensch brauchte aus unerfindlichen Gründen in gewissen Abständen einen Ortswechsel, um seine Abenteuerlust zu stillen. Ich wusste nicht, wie es Bade- oder Partyurlaubern erging, aber bei mir bestand mindestens einmal im Jahr ein unüberwindbarer innerer Drang nach Veränderungen. Ich wollte fremde Kulturen kennenlernen, ferne Länder bereisen und völlig unbekannte Menschen treffen, sich für eine kurze Zeit vom Alltag ablenken lassen und absolut neue Erkenntnisse über diese Welt gewinnen. All das war der eigentliche Sinn eines anstrengenden Spazierganges in einer unbekannten Stadt und nicht etwa der Besuch im örtlichen Centro Comercial. Meine perfekt ausgerichtete logische Pyramide mit dieser Schlussfolgerung an der Spitze bekam dennoch sofort ein wenig Schlagseite, nachdem mir plötzlich eingefallen war, dass wir unter anderem günstigen Madeirawein einkaufen wollten, um heute oder morgen eine Art Abschlussparty zu feiern! War das vielleicht das eigentliche Ziel? Im Supermarkt herrschte reger Betrieb und die Fischtheke, die eher ein großer Tisch ohne Kühlung war, verbreitete einen penetranten Geruch im ganzen Laden. »Warum kühlen sie nicht den Fisch?«, fragte Angelina. »War das eine rhetorische Frage?«, wollte ich meinerseits wissen. »Woher soll ich denn das wissen?« »Egal. Fisch wollen wir sowieso nicht kaufen!« »Und was wollen wir überhaupt kaufen?«, erkundigte ich mich bei ihr, um herauszufinden, ob die Gedanken zum Sinn der Sinnlosigkeit nur mich allein beschäftigten. »Ich weiß nicht«, bekam ich erwartungsgemäß zur Antwort. »Du wolltest in den Supermarkt!«
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Das stimmte so weit. Es war meine Idee gewesen. Wenn Madeirawein nun tatsächlich das Ziel der mehrstündigen Anstrengung war, musste man es auch konsequent bis zum Schluss verfolgen. »Okay, dann lass uns sehen, wie viel hier Madeirawein kostet«, schlug ich vor. »Du musst nicht weit gehen!«, Geli deutete auf einen Stand, der sich hinter mir am Kopf einer Regalreihe befand. Ich drehte mich um und sah eine Auswahl an Flaschen, die offenkundig einen Sonderpreis hatten, denn jede davon schmückte ein knallrotes Preisschild, das ziemlich angenehm aussehende Beträge präsentierte. »Das ist doch der Madeira, den wir immer am Pass gekauft haben!«, meinte ich überrascht. »Er ist hier zwei Euro günstiger!« »Und deswegen kaufst du jetzt eine ganze Kiste«, bemerkte Geli sarkastisch. »Oder was?« »Nicht direkt eine Kiste, aber ein paar Fläschchen schon!« Ich legte meinen Rucksack ab und nahm zwei Flaschen aus dem Regal. »Oder sollen wir drei nehmen?« »Wann willst du denn das Ganze trinken?« »Morgen! Wir haben morgen noch einen ganzen Tag!«, erinnerte ich meine Frau. »Und es ist noch nicht alles! Whisky wollte ich auch noch kaufen.« »Willst du denn den ganzen Tag auf dem Zimmer sitzen? Ich dachte, wir unternehmen noch etwas!«, ereiferte sie sich. »Was willst du unternehmen? Wir sitzen fest im Hotel, die Passstraße ist gesperrt. Weißt du noch?« »Aber wir müssen nicht mit dem Bus fahren!«, informierte sie mich. Das hörte sich nach einem konkreten Plan an, den sich Geli in den Kopf gesetzt hatte. Es war mir bewusst, dass meine Aussichten auf Erfolg verschwindend gering gewesen wären, falls ich einen Versuch unternommen hätte, ihr das Ganze auszutreiben. Man konnte nur noch versuchen, ihre wilden Pläne etwas menschenfreundlicher zu gestalten. »Was hast du vor?«, fragte ich geradewegs. »Wir können ja auf das Plateau gehen!«, antwortete meine Frau voller naiver Arglosigkeit, gegen die man keine Argumente hatte. Ich schaute sie mit gerundeten Augen an. »Bist du verrückt?«, erkundigte ich mich bei ihr mit einer ruhigen, müden Stimme, die zum Ausdruck bringen sollte, dass die Antwort schon in der Frage enthalten war. »Wir haben … Wir haben erst gestern einen riesigen Kraftakt vollbracht. Und morgen … Morgen willst du wieder etwas Ähnliches veranstalten? Direkt vor dem Abflug?«
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KurzinhaltEin Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.Über den Autor
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