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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 111
Ich flog landeinwärts über dem Tal und hielt rechts, entlang des Bergzuges, der mich, soweit ich mich noch erinnern konnte, zum Folhadal bringen sollte. Ich stieg höher und erblickte schon bald die Kannte der Hochebene. Am Hang war ein Wanderpfad zu sehen, der in wild gewundenen Serpentinen vom Plateau Paul da Serra hinunter ins Tal führte. Den Pfad hatte ich schon mal aus der Nähe gesehen, als wir unsere erste Wanderung gemacht hatten. Ich erinnerte mich noch deutlich an den Wegweiser, der neben der Wasserrinne stand und auf einen Pfad mit unzähligen Kehren zeigte. Levada do Norte kreuzte ihn irgendwo auf diesem Hang, aber ich konnte sie im Dickicht der Vegetation nicht ausmachen. Schade. Mein Plan, der Levada nach Westen zu folgen, war kläglich gescheitert. Er wäre aber vermutlich ohnehin nicht realisierbar gewesen, denn jemand hatte offenbar seine eigenen Pläne meinetwegen. Kaum hatte ich mich in eine leichte Rechtskurve gelegt, um ohne die wegweisende Levada gen Westen zu fliegen, da spürte ich mit aller Deutlichkeit einen Widerstand in der Luft. Es kam noch mehr: Ich nahm erneut einen starken Sog wahr, der mich rasant an Höhe verlieren ließ und unaufhaltsam nach unten zog, als wurde ich in einen Trichter hineingesaugt. Aber diesmal wusste ich, was als Nächstes geschah. Ich wäre gleich aus meinem Sturzflug sanft hinausgebracht worden und nach oben zu der Plateaukante katapultiert. Dort erwartete mich voraussichtlich wieder eine unsichtbare Mauer, die es zu durchbrechen galt, um in irgendeine neue Dimension zu gelangen. Welche es war, wusste ich nicht, aber ich hatte recht! Nachdem mich der geheimnisvolle zähflüssige Stoff, die durchsichtige viskose Masse, aus der die Luftmauer bestand, fast zum Stillstand gebracht hatte, schleuderte mich ein gewaltiger Energieschub abermals mit einem Knall in den Luftraum jenseits der Kante von Paul da Serra. Die Druckwelle beschäftigte noch eine Zeit lang mein Trommelfell, ehe ich mich umsah und feststellte, dass ich diese Gegend kannte. Ich hatte sie exakt so aus dem Hubschrauber in der Fernsehdokumentation gesehen, bevor ich mich auf meine Flugreise begab. Ja, dort standen die Windräder und ich bewegte mich langsam auf sie zu. Dahinter endete die Hochebene und ging in den Talkessel von Ribeira Brava über. Das hatte ich schon alles erlebt. Der Kreis hatte sich geschlossen. Gleich hätte ich mich selbst wieder auf dem Bett in unserem Hotelzimmer erlebt. Und dann? … dann passierte etwas, was sich schwer in Worte fassen ließ. In gleichem Moment, in dem ich das Hotel von oben sah, verspürte ich die Einwirkung noch einer anderen Gewalt. Sie wirkte anders als die, die ich schon kannte. Sie zerrte an mir und zog mich mit ungeheurer Kraft zum Hotel, als hätte ich einen Ereignishorizont überschritten. Die Anziehungskraft wuchs exponentiell mit jedem Zentimeter, je näher ich dem Hotel kam. Mein Körper streckte sich in die Länge, aber nicht als etwas Ganzes! Das Letzte, was ich noch wahrnehmen konnte, war der ungewöhnliche Umstand, dass meine nach vorn gerichteten Arme gut zwei Meter lang waren, während die Füße noch weitgehend normale Proportionen hatten. Meine Hände waren fast durchsichtig und die Fingerspitzen konnte man nicht mehr erkennen. Ich verlor mit einem Mal jedes Gefühl von Raum und Zeit und fiel kopfüber in ein dunkles, lautloses Nichts …
(?)
* * *Die Sonne schien direkt ins Fenster, als ich die Augen öffnete und mich auf meinem Bett wiederfand. Ich lag auf dem Bauch mit ausgebreiteten Armen, den Kopf nach rechts gedreht, und schaute mir eine Weile regungslos das helle Rechteck an, das das Sonnenlicht auf die Vorhänge projizierte. Ich empfand keine Schmerzen, fühlte mich aber wie gerädert, als ich versuchte, mich aufzurichten und nach der Uhr zu sehen. Ich hatte heute ungewöhnlich lange geschlafen, es war schon nach halb acht. Was war es überhaupt für eine merkwürdige Bauchlage, in der ich aufgewacht war? Ich konnte mich beim besten Willen nicht dessen entsinnen, jemals den Morgen in dieser Position begrüßt zu haben. Schließlich war es nicht von Belang, ich musste so oder so aufstehen. Die ganze Arbeit war gestern wegen der Wanderung liegen geblieben, es konnte viel sein und ich wollte sie noch vor dem Frühstück erledigen. Die Wanderung über den Pico Ruivo war an Ende ein voller Erfolg gewesen, hielt ich erst einmal fest, während ich auf der Bettkannte saß und mich nach meinen Hausschuhen umsah. Was wollte man noch mehr? Wir waren zwei Amateurwanderer und waren die ganze Strecke durchgewandert, ohne umzufallen und ohne im Berg zu verenden. Wir waren heil nach Hause gekommen und ich war zu meiner Überraschung kein körperliches Wrack wie nach der ersten Bergwanderung. Ich fühlte mich ausgezeichnet! Für heute war zwar ein Ruhetag eingeplant, aber es hätte mir nichts ausgemacht, gleich nach dem Frühstück noch etwas Großes zu unternehmen.
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KurzinhaltEin Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.Über den Autor
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