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Des Teufels Steg: Seite 6
Nichtsdestotrotz, die Jahre gingen ins Land und sie wurde nicht jünger. Hin und wieder plagten auch sie gewisse Bedenken, ob sie so schnell einen Ersatz für Wolfgang finden würde. Sie hatte schon eine Zeit lang als Single gelebt, bevor sie ihn kennengelernt hatte, es war kein gutes Gefühl gewesen. Langsam aber sicher kam Martha zu der Erkenntnis, sie konnte nur von Glück sagen, dass sie ihm damals auf der Weinprobe bei Gabi begegnet war. Und er tat ihr ein bisschen leid. Sie zögerte noch, denn sie konnte ihn jetzt nicht einfach so hinauswerfen. Martha hatte für sich entschieden, dass der bevorstehende Urlaub darüber bestimmen sollte, wie es mit ihnen weitergehen würde. Es war kurz nach fünf, als Martha die gepackten Koffer im Flur abstellte und sehnsüchtig auf die Eingangstür sah, in der Erwartung, dass sie gleich das Geräusch des Schlüssels im Schloss hören würde. Wolfgang musste jede Minute kommen. Stattdessen ging die Klingel. »Und?«, plapperte Gabi gleich los, als Martha die Tür aufgemacht hatte. »Haste schon gepackt?« »Ja«, sagte Martha etwas verwundert über Gabis Besuch. »Komm rein, Wolfgang ist noch nicht da, sonst hätte ich dich gleich wieder nach Hause geschickt, wir müssen noch das Zeug ins Auto kriegen.« »Verstehe«, antwortete Gabi einsichtig, während sie sich durch das Dickicht aus den an der Tür abgestellten Koffern und Reisetaschen kämpfte. »Oh, es ist aber ganz schön viel!« »Was denkst du denn? Es ist ’ne ganze Woche und ich muss mich ja jeden Tag in Schale werfen. Bars, Restaurants, Diskotheken. Jeden Tag ein anderes Kleid! »Da hätte ich auch Lust auf so was«, bemerkte Gabi mit trauriger Stimme. »Aber Peter sagt, dieses Jahr ist kein Urlaub drin.« Die Bergmanns lebten zwar nicht direkt von der Hand in den Mund, aber auch nicht besonders verschwenderisch. Gabi arbeitete nur halbtags als Bürokraft und Peter als Zustellfahrer bei einem Paketdienst, sodass für Vergnügungen oft keine Mittel übrigblieben, zumal ihr halbwüchsiger Sohn mit jedem Jahr immer höhere Ansprüche stellte. »Dann klappt es bestimmt im nächsten«, beruhigte sie Martha. »Ich war jetzt auch seit vier Jahren nicht mehr im Urlaub. Bei Wolfgang ging es auch die ganze Zeit nicht, aber Gott sei Dank scheint diesmal alles zu funktionieren.« »Ja, das habe ich Peter auch so gesagt: Nächstes Jahr auf jeden Fall, er soll mir dann nicht mit irgendwelchen Ausreden kommen. Ich will dann nach Mallorca! Da ist was los, habe ich gehört.« »Willst du was trinken?«, fragte Martha während sie die Flasche Wein aus dem Kühlschrank herausnahm. Er fühlte sich mittlerweile gut gekühlt an, sodass die Flasche sogar leicht beschlug.
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»Klar! Schenk nur ein. Ich habe im Moment auch nichts zu tun. Peter ist noch arbeiten und Joschua ist beim Training.« Die Frauen plauderten noch eine ganze Weile über unbedeutende Dinge und tranken ihren Wein, ehe Gabi eine Stunde später Anstalten zum Aufbruch machte. Peter musste gleich von der Arbeit zurück sein und sie wollte für ihn noch das Essen warm machen. Die Uhr ging langsam auf sieben zu und Wolfgang war nach wie vor nicht aufgetaucht. Es war mehr als seltsam. Martha fing an, sich Sorgen zu machen. Sie wählte die Telefonnummer von Wolfgangs Verkaufsbüro. »Hallöchen! Sie sind verbunden mit dem Vertrieb des französischen Weinhauses …«, spielte der Anrufbeantworter das Band mit dem dummen Spruch ab, den sie schon irgendwann zuvor gehört hatte. Sie legte wieder auf. Im Büro war also keiner mehr, dachte sie nach. Was sollte sie von dem Ganzen halten? Wo war Wolfgang abgeblieben? Sie verlor sich in wilden Spekulationen. Martha fragte sich: Vielleicht hatte er eine Panne? Sein alter Fiesta, der stellenweise schon dermaßen durchgerostet war, dass man bald durch die Löcher den Innenraum sehen konnte, flößte ihr keineswegs Vertrauen ein, im Gegenteil: Zuweilen ließ das äußere Erscheinungsbild des Autos befürchten, dass es bei der nächsten Fahrt in seine Einzelteile auseinanderfiel. Aber dann – sie versuchte, ihre These kritisch zu betrachten – hätte er sie schon längst von irgendwo angerufen, vom Büro bis zum Haus musste er schließlich nicht durch irgendeine Wildnis, sondern durch die Stadt fahren. Auf dem Weg gab es genug Telefonzellen. Es war noch eine weitere Stunde vergangen, in der Martha Mutmaßungen verschiedenster Art anstellte, die ihr allerdings alle schon im nächsten Augenblick vollkommen absurd vorkamen, während sie im Zimmer auf und ab lief und mitunter besorgt zum Fenster hinaussah, ob Wolfgangs Wagen nicht mittlerweile im Hof auf dem Parkplatz stand, als sie plötzlich aus dem Flur ein Kratzen und Schaben vernahm, das von der Wohnungstür zu kommen schien. Es hörte sich so an, als wenn im Treppenhaus ein Hund mit seiner Pfote an der Tür kratzte, um reingelassen zu werden. Irritiert schob sie das Reisegepäck im Flur beiseite, ging dicht an die Tür heran und lauschte angespannt. Sie hatte sich nicht geirrt, stellte sie fest, jemand machte sich an der Tür zu schaffen. Vielleicht war es ja wirklich der Hund aus dem Obergeschoss? Martha entschloss sich, dem rätselhaften Schaben auf den Grund zu gehen. Sie öffnete die Tür und es verschlug ihr die Sprache: Vor ihr stand Wolfgang, sturzbetrunken und mit Spuren einer handgreiflichen Auseinandersetzung im Gesicht. »Hallo …«, sagte der Weinvertreter mit lallender Stimme.
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KurzinhaltWolfgang Breitscheid, ein Handelsreisender in Sachen Wein aus Hannover, findet sich plötzlich in der Zeit des Spätmittelalters wieder, während er eine ungeplante Verkaufsreise in den Harz unternimmt. Sein neuer Bekannter, ein Schriftsteller namens Richard Knöpfle, besitzt diese Fähigkeit nicht, aber während er nach dem unerwartet verschwundenen Weinvertreter sucht, stößt er auf eine Zusammenkunft von Rechtsradikalen aus Jena, die im Harz ein Hexenfeuerfest feiern. Derweil sich Richard mit der arischen Vereinigung auseinandersetzt, macht Wolfgang Bekanntschaft mit der Heiligen Inquisition. Es kommt zu einer entscheidenden Schlacht zwischen Gut & Böse und das Edle gewinnt – vorerst, denn das Übel ist nur schwer zu besiegen.Über den Autor
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