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Des Teufels Steg: Seite 5
Es ging lustig zu während der Weinprobe, die zuweilen schon mehr an ein geselliges Trinkgelage erinnerte. Alle lachten, aßen belegte Baguette-Häppchen und Käsewürfel von den Spießen und spülten sie mit französischem Rotwein hinunter, welchen der Weinvertreter, der sich bei Martha als Wolfgang Breitscheid vorgestellt hatte, fleißig in die Gläser einschenkte – immer nur ein wenig, dafür aber oft und vorzugsweise jedes Mal aus einer anderen Flasche. Er hatte auf dem Esstisch neben sich ein Bestellformular ausgebreitet und notierte darin unaufhörlich die Namen der Weine, deren Geschmacksrichtung die allgemeine Zustimmung der Anwesenden fand. Bald bekam auch Martha einen leichten Schwips und war kaum zu halten, wenn sie lustige Geschichten aus ihrem Leben und von ihrer Arbeit erzählte sowie mit Gabi über die Bewohner ihres Mehrfamilienhauses lästerte. Ein paarmal traf sich ihr Blick mit dem des Verkäufers und sie glaubte, so was Ähnliches wie einen Hauch der inneren Begierde ihr gegenüber in seinen Augen erkannt zu haben. Sie war sich nicht sicher, vielleicht war es auch Einbildung. Abschließend wurde über die Liefermengen für die vom Weinhändler notierten Weine verhandelt. Die Bergmanns, Gabi und ihr Mann, bestellten insgesamt vier Kisten verschiedener Weine und der Verkäufer war sichtlich zufrieden mit dem Geschäft. Er holte ein sauberes Bestellformular heraus und wandte sich nunmehr Martha zu, um ihre Bestellung aufzunehmen, als Gabis Mann auf die Uhr sah. »Oh«, gab er verwundert von sich, »es ist aber ganz schön spät geworden! Dann geh ich schon mal die Zähne putzen, ich muss morgen früh raus.« Er stand auf und ging ins Bad. Gabi fing an, das Geschirr abzuräumen. Alles deutete auf das Ende der Veranstaltung hin, aber der Vertreter saß immer noch am Tisch und wartete geduldig darauf, dass Martha ihre Bestellung aufgab. Sie hätte in diesem Augenblick aufstehen und weggehen können, aber sie blieb. Dieser Wolfgang tat ihr leid, schließlich hatte er sie alle hier ein paar Stunden unterhalten und musste dafür irgendwie entlohnt werden. Er sollte seine Bestellung bekommen, entschied sie. »Ich würde gerne auch ein paar Fläschchen bestellen, aber ich will meine Nachbarn nicht stören, es ist wirklich spät geworden. Wir könnten ja kurz zu mir rübergehen.« Bereitwillig packte Wolfgang seine Sachen zusammen und folgte Martha in ihre Wohnung, wo anschließend in der Küche der zweite Teil der Weinprobe stattfand. Diesmal wurden die Weingläser nicht mehr schlückchenweise wie zuvor gefüllt, sondern fast bis zum Rand. Auch der Weinvertreter probierte nunmehr mit großem Vergnügen die mitgebrachten Getränke mit. Es wurde viel über sehr romantische Dinge gesprochen, unvergessliche Erinnerungen aus der Jugendzeit lösten sich ungezwungen von den Lippen. Immer lauter knisterte es zwischen den beiden und unversehens fanden sich die hoffnungslosen Romantiker wenig später völlig entkleidet in Marthas Bett wieder!
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Nun erinnerte sich Martha, während sie die Koffer und Reisetaschen mit Sachen füllte, die sie sich im Schlafzimmer auf dem Bett zurechtgelegt hatte, an den Abend, an dem sie Wolfgang zum erstem Mal getroffen hatte, und fragte sich, ob es richtig gewesen war, mit ihm eine Beziehung einzugehen. Irgendwas störte sie nach drei Jahren an ihrem Lebensgefährten. Nein, sie konnte nicht behaupten, dass er sie schlecht behandelte, eigentlich war Wolfgang ein liebevoller Kerl, der immer versuchte, sie zu umgarnen und zu bezirzen – das gefiel ihr. Das gefiel Martha sogar dermaßen, dass sie ihn vor zwei Jahren bei sich hatte einziehen lassen, hin und wieder wollte sie einen Mann an ihrer Seite haben, zuweilen war ihr einfach danach, dass es im Hause sozusagen nach einem männlichen Wesen roch. Zuvor hatte er in einer Bruchbude gehaust, weil er sich nicht Besseres leisten konnte, aber soviel sie wusste, war er auch dort ständig mit der Miete im Verzug gewesen. Und das war das Problem! Wolfgang beteiligte sich auch bei ihr mit keiner Mark an der Miete. Sie hatten es zwar bei seinem Einzug nicht explizit besprochen, aber für Martha war es eine Selbstverständlichkeit, dass man seinen Teil der Kosten tragen musste, wenn man eine Wohngemeinschaft einging. Wolfgang wurde immer nervös, wenn sie ihn darauf ansprach. Auch bei anderen Anlässen wie Restaurant oder Kino war immer sie diejenige, die das Portemonnaie aus ihrer Handtasche zücken musste, obwohl sie auch nicht allzu oft ausgingen. Sogar den Urlaub mit ihm hatte sie von ihren Ersparnissen bezahlt, er hatte angeblich kein Geld gehabt. Sie war doch schließlich keine Melkkuh, dachte sie aufgebracht! Sie hatte auch nur ein recht spärliches Gehalt einer Verkäuferin im Supermarkt, von dem sie ihren eigenen Lebensunterhalt gerade mal so bestreiten konnte, und nun sollte sie noch ihren Freund durchbringen? Oft stellte sie sich die Frage: War ihr Wolfgang nicht eine Art Heiratsschwindler, der sie ausnehmen wollte? Doch andererseits ging er doch fleißig arbeiten, und zwar jeden Tag, sodass sie sich kaum noch zu Gesicht bekamen, nur am Wochenende war es noch der Fall. Er musste doch schließlich etwas verdienen! War er so knauserig oder warum hatte er nie Geld? Sie kam immer öfter zu dem Gedanken, dass es vielleicht an der Zeit sei, dieses Liebesverhältnis zu beenden. Ja, warum eigentlich nicht? Das wäre für Martha nichts Außergewöhnliches gewesen. Mit ausnahmslos allen Männern, mit denen sie je zusammen gewesen war, hatte sie die Beziehung von sich aus beendet. Und es waren viele, wenn sie es sich recht überlegte. Alle drei, vier, manchmal auch fünf Jahre gab es in ihrem Leben einen neuen Liebhaber. Sie trennte sich leicht und bereute es kaum hinterher. Familie und ein Haus voller Kinder, das war nicht ihr Ding. Sie wechselte ihre Partner gerade deshalb, weil die Beziehung langweilig geworden war. Wie langweilig musste erst eine Beziehung nach vielen, vielen Jahren Ehe sein? Das wollte sie nicht herausfinden. Nur ein einziges Mal fehlte nicht mehr viel, dass es fast dazu gekommen war, als sie in einem Türkeiurlaub schwanger wurde. Aber damals war sie noch eine »dumme junge Gans« gewesen, die sich von einem Hotelpagen abfüllen und ins Bettchen bringen ließ, und sich dann später zu Hause wunderte, dass ihre Regel ausblieb! Die Geschichte mit diesem Ahmet vom Hotel hatte noch ein langes Nachspiel gehabt, sie eskalierte sogar so weit, dass er sie mit ihrem Sohn in die Türkei entführen und dort heiraten wollte. Zehn Jahre lang gab ihr Ahmet mit seiner Familie keine Ruhe. Dafür war aber Patrick, den sie nach der flüchtigen Bekanntschaft zur Welt gebracht hatte, ein »prächtiger Bursche« geworden. Er war schon über zwanzig, hatte seine Ausbildung abgeschlossen und lebte mit einem Mädchen Lisa zusammen. Sie besuchten Martha oft und auch Wolfgang war für die beiden kein Fremder mehr. Aber sich für viele Jahre zu binden, ging Martha wider die Natur.
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KurzinhaltWolfgang Breitscheid, ein Handelsreisender in Sachen Wein aus Hannover, findet sich plötzlich in der Zeit des Spätmittelalters wieder, während er eine ungeplante Verkaufsreise in den Harz unternimmt. Sein neuer Bekannter, ein Schriftsteller namens Richard Knöpfle, besitzt diese Fähigkeit nicht, aber während er nach dem unerwartet verschwundenen Weinvertreter sucht, stößt er auf eine Zusammenkunft von Rechtsradikalen aus Jena, die im Harz ein Hexenfeuerfest feiern. Derweil sich Richard mit der arischen Vereinigung auseinandersetzt, macht Wolfgang Bekanntschaft mit der Heiligen Inquisition. Es kommt zu einer entscheidenden Schlacht zwischen Gut & Böse und das Edle gewinnt – vorerst, denn das Übel ist nur schwer zu besiegen.Über den Autor
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