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Des Teufels Steg: Seite 13
»Na ja«, bemerkte Ruprecht bedenklich, »Hexen … ich weiß nicht … Es können ja höchstens Weiber aus dem Dorf zu der Lichtung kommen und dass sie Hexen sind, glaube ich irgendwie nicht …« »Es ist Häresie, wenn man die Meinung einer geistlichen Autorität anzweifelt«, fiel Hannes ihm ins Wort. »Du sollst auf deine Zunge aufpassen! Hexen tarnen sich als holde Weiber und führen dich ins Verderben. Dein Weib könnte eine davon sein!« »Was redest …?«, wollte Ruprecht die Behauptung von Hannes erwidern, ließ es aber sein. Hannes war wie besessen, seitdem er diesen Franziskaner aus Quedlinburg kennengelernt hatte. In vielen Glaubensfragen hatte er sicher recht, aber so etwas grundlos zu behaupten, dass seine Frau eine Hexe sei, obwohl Hannes sie gut kannte, ging für Ruprecht über alle Grenzen der Anständigkeit. Sie besorgte im Dorf schon mal eine Kräutermixtur, wenn jemand in der Familie krank wurde, aber sie war bei Gott keine Hexe! Ruprecht schwieg und verdaute die bittere Erkenntnis, dass die Freundschaftsbeziehung mit Hannes langsam aber sicher zur Neige ging. Er konnte seine Art, mit Freunden umzugehen, nicht mehr ertragen. Hannes merkte auch, dass er Ruprecht mit seinem Verdacht verletzt hatte. Aber was konnte er machen? So stand es im »Hexenhammer«, dem Buch, das ihm Vater Nicklas gegeben hatte. Er versuchte nur, logische Schlüsse aus der Lehre von Henricus Institoris zu ziehen. Es war doch offensichtlich: Jedes Weib hätte in Wahrheit eine Hexe sein können, oder? Aber etwas, oder vielmehr jemand, ließ auch ihn zweifeln. Nämlich seine Mutter. Sie war eine gottesfürchtige Frau gewesen, sie war jeden Sonntag zum Gottesdienst gegangen, bevor sie krank wurde und alsbald verstarb. Und dennoch, sie hatte auch Kräuter gesammelt, und zudem: Sie hatte sie auf dem Herde abgekocht und eine Medizin daraus gemacht. War sie dadurch eine Hexe? Das konnte sich Hannes beim besten Willen nicht vorstellen. Es war das erste Mal, dass er an dem Wahrheitsgehalt der Aussagen von Vater Nicklas zweifelte, und die Tatsache mutete in seltsam an. Nichtsdestotrotz wollte er nichts von seinen Gefühlen nach außen dringen lassen. »Ich sehe dort ein Licht im Wald«, meldete sich plötzlich Jobst aufgeregt zu Wort. »Sehet doch, da, zwischen den Bäumen.« Angespannt verfolgten die drei Kameraden aus ihrem Hinterhalt den flackernden Schein einer Laterne, der sich auf der gegenüberliegenden Seite der Lichtung hinter den Bäumen entlang der Wiese bewegte. Die Lichtquelle war zu schwach, um das Gesicht der Person erkennen zu können, die mit der Laterne durch den Wald wanderte. Es war jedenfalls eine weibliche Gestalt, so viel ließ sich sagen. Die Frau musste kurz angehalten haben, als sie ungefähr auf gleicher Höhe mit den Hexenjägern war, denn das Licht bewegte sich eine Zeit lang nicht mehr, während sie sich vermutlich die Lichtung ansah. Alsdann setzte sie ihren Weg fort und ließ die enttäuschten Männer zurück, die insgeheim gehofft hatten, dass die Frau sich auf die Lichtung begab und von ihnen identifiziert werden konnte. Doch die Gestalt tat nichts dergleichen. Seelenruhig wanderte die Figur an der Wiese vorbei und bald verschwand das Licht der Laterne in der Dunkelheit genauso schnell, wie es vorhin aufgetaucht war.
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»Wo ist sie denn nun hingegangen?«, fragte Jobst verblüfft. »Ich weiß nicht«, antwortete Hannes nicht weniger überrascht. »Da geht es zur Klamm. Aber ich verstehe nicht, was sie jetzt dort will. Kräuter pflücken offenbar nicht, denn sie wachsen hier auf der Wiese.« »Und wer war es überhaupt?«, rätselte auch Ruprecht. »Vielleicht haben die Hexen einen neuen Kräuterplatz entdeckt?«, mutmaßte Hannes. Dann erleuchtete ihn ein Gedanke: »Jobst, du bleibst hier und beobachtest die Lichtung, merk dir die Weiber, falls noch welche hierherkommen. Wir mit Ruprecht gehen dieser Hexe hinterher, ich bin gespannt, wohin sie des Weges. Komm, Ruprecht, wir gehen. Sonst verlieren wir sie aus den Augen.« Hannes hörte keine Proteste, dennoch spürte er, dass Ruprecht äußerst ungern seiner Aufforderung Folge leistete. Widerwillig und betont langsam zog er seine Schnabelschuhe am Fußgelenk hoch, als sie die Vorbereitungen für einen weiteren Fußmarsch trafen. Jobst hockte ratlos neben dem Baum, in seinen Augen spiegelte sich pure Angst – allein im dunklen Wald sitzen zu bleiben war nicht jedermanns Sache, seine auf jeden Fall nicht. Doch die Entscheidung war gefallen, schon im nächsten Augenblick jagte Hannes schnellen Schrittes über die Wiese zum anderen Ende der Waldlichtung, wo die geheimnisvolle Gestalt hinter den Bäumen verschwunden war, und Ruprecht folgte ihm in einiger Entfernung.
Cecilia hatte es eilig. Sie musste zurück sein, oder wenigstens die geheimnisvolle Brücke über die Bode auf ihrem Rückweg überquert haben, noch bevor der Mond unterging, sonst hätte sie noch einen ganzen Tag warten müssen, bis die gelbsilberne Halbkugel wieder ihr Licht in die Schlucht warf und die Brücke, die eher einem Trugbild im dichten Nebel glich, die enge Klamm überspannte. Denn der Überweg war nur vorhanden, solang der Mond schien. Sie wäre lieber schon früher losgegangen, um es unter allen Umständen rechtzeitig zu schaffen, aber im Sommer blieb es lange hell und sie hatte bis zur Dämmerung warten müssen, damit sie nicht noch unnötig die Aufmerksamkeit des ganzen Dorfes darauf lenkte, dass sie sich am späten Abend auf den Weg in den Wald machte. Man munkelte ohnehin schon allerhand dummes Zeug über sie und ihre Mutter in der Siedlung. Cecilia war heute unterwegs, um heimlich ihre Großmutter Gerlinde zum ersten Mal seit Wochen zu besuchen, denn heute war wieder Halbmond. Sieben Tage lang, bis es Vollmond wurde, konnte sie ihre Ahne jede Nacht sehen und mit ihr Dinge besprechen, die sie sich sonst mit keinem zu bereden traute. Das Mädchen trug einen kleinen prall gefüllten Beutel unter ihrem Umhang. Gewöhnlich brachte sie der schmächtigen, hageren alten Frau jeden Tag etwas Proviant mit – der Vorrat musste schließlich bis zum nächsten Vollmond reichen – und lagerte ihn in dem eingebrochenen Stollen ein, in dem sich ihre Großmutter schon jahrelang versteckte, seitdem sie aus dem Dorf geflohen war.
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KurzinhaltWolfgang Breitscheid, ein Handelsreisender in Sachen Wein aus Hannover, findet sich plötzlich in der Zeit des Spätmittelalters wieder, während er eine ungeplante Verkaufsreise in den Harz unternimmt. Sein neuer Bekannter, ein Schriftsteller namens Richard Knöpfle, besitzt diese Fähigkeit nicht, aber während er nach dem unerwartet verschwundenen Weinvertreter sucht, stößt er auf eine Zusammenkunft von Rechtsradikalen aus Jena, die im Harz ein Hexenfeuerfest feiern. Derweil sich Richard mit der arischen Vereinigung auseinandersetzt, macht Wolfgang Bekanntschaft mit der Heiligen Inquisition. Es kommt zu einer entscheidenden Schlacht zwischen Gut & Böse und das Edle gewinnt – vorerst, denn das Übel ist nur schwer zu besiegen.Über den Autor
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