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OPEN DIGITAL LITERATURE PROJECT
Der Brockenwicht: Seite 93

»Meinen Sie am Eisernen Tisch?«, fragte er. Offenbar wusste er über alles Bescheid, was mir widerfahren war.

»Nein, nein«, entgegnete ich, »da oben hinter der Kurve, vor einer halben Stunde etwa.« Sein Blick wurde immer düsterer und misstrauischer, während ich weitersprach: »Bei ihr in der Auslage habe ich auch einen braunen Lederhut gesehen. Er war genau wie Ihrer und innen war ebenfalls ein Name ins Leder gestanzt.«

Gelis Augen strahlten pure Verwunderung aus, aber zu meiner Erleichterung sagte sie kein Wort. Sie stand nur da und sah sich abwechselnd bald mich, bald den Regenmantelmann an, als wenn sie noch daran zweifelte, dass der Mann all das, was ich ihm erzählte, für bare Münze nehmen würde.

»Und wie lautete der Name?«, fragte der unheimliche Brockenführer, um seine letzten Zweifel zu zerstreuen.

»Lassen Sie mal überlegen …«, spannte ich ihn absichtlich auf die Folter, denn ich glaubte, den schlauen Plan des Brockenwichts durchschaut zu haben, und gab mein Bestes. »Moment … von Brock… Oder nein! Von … von … von …«

»Von Blocksberg?«, half er mir auf die Sprünge.

»Ja, genau! Der Vorname war aber etwas schwierig. Konnte ich mir nicht merken.«

»Ranulf?«

»Kann sein. Weiß ich jetzt nicht.« Ich sagte die reine Wahrheit, den ausgefallenen Vornamen hatte ich mir tatsächlich nicht gemerkt, als der Wicht ihn verlautet hatte.

»Doch. Da stand Ranulf«, stellte er enttäuscht fest.

»Sind Sie es?«, spielte ich den Ahnungslosen. »War es Ihr Hut?«

Eine Antwort auf meine Fragen bekam ich nicht. Herr von Blocksberg stürmte mit fliegenden Schößen die Straße hinauf, ohne sich zu verabschieden. Er warf großzügig mit wüsten Beschimpfungen um sich.

»Du verdammte alte Furie! Warte nur, bis ich dich in die Finger kriege!« Es war der letzte Fluch, den ich noch aus seiner Richtung vernehmen konnte, ehe er sich so weit entfernte, dass man seine Stimme nicht mehr hören konnte.

Es wurde still. Geli verharrte bewegungslos auf dem Platz, verblüfft bis aufs Äußerste sah sie mich mit weit aufgerissenen Augen an und schwieg.

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Das Geheimnis des vernebelten Passes

Das Geheimnis des vernebelten Passes

Reiseroman von Nikolaus Warkentin
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»Wenn du noch lange rumstehst, kommst du hier nicht lebend raus!«, krächzte der Wicht unzufrieden. »Lauft jetzt so schnell ihr könnt, Ranulf wird gleich zu sich kommen und die Zentrale anrufen.«

Ich stellte keine Fragen. Nachdem mir gerade klar geworden war, wie raffiniert der Brockenwicht alles eingefädelt hatte, um den Teufelsdiener zu vertreiben und uns eine Möglichkeit zur Flucht zu geben, vertraute ich ihm blind, obgleich es weiß Gott nicht meine Art war. Ich wollte nicht einmal wissen, wie weit es noch bis zum Scheideweg am Brockenbett war und ob wir ihn noch rechtzeitig erreichen konnten. Wenn der Kleine schon diesen Plan ausgeklügelt hatte, so wusste er definitiv, was wir tun mussten, um sich dem Einfluss der dunklen Mächte auf diesem Berg entziehen zu können. Und daher hätten wir seinem dringenden Appell unverzüglich Folge leisten sollen.

»Los!«, schrie ich beinahe meine Frau an, die nach wie vor wie im Traum dastand und dem Regenmantelmann hinterherschaute. »Lauf, was das Zeug hält! Die Straße hinunter. Jetzt!«

Entweder war ich mit meiner lauten Stimme zu ihrem Verstand durchgedrungen oder sie war von alleine darauf gekommen, wie ernst unsere Lage war und dass es jetzt mehr oder weniger um alles oder nichts ging, aber sie folgte mir, ohne irgendwelche Erklärungen zu verlangen oder etwas zu fragen, und zwar mit einer Geschwindigkeit, die ich von ihr nie erwartet hätte. Wahrlich, sie überholte mich zeitweise auf der abschüssigen Straße ohne Rücksicht auf ihre Knieschmerzen. Wir atmeten schwer und die Schuhe fühlten sich an wie zwei Betonklötze an den Beinen, aber die Motivation ließ keine Sekunde nach und gab uns immer wieder einen weiteren Schub an Kraft, um einen Fuß vor den anderen zu setzen. Oder war es eher die Angst, die uns antrieb? Vielleicht. Vielleicht auch ganz bestimmt die Angst. Denn wir liefen um unser Leben!

Die rettende Kreuzung tauchte nach nicht allzu langer Zeit auf. Auf der linken Seite der Brockenstraße sah ich einen waldfreien Abschnitt an der Stelle, wo die Straße einen Bogen nach rechts zog und weiter nach Schierke führte. Dass es der Rastplatz am Brockenbett sein musste, erkannte ich gleich, als ich an dem abzweigenden Weg aus der Ferne eine Schutzhütte bemerkt hatte. Wir waren schätzungsweise noch fünfhundert Meter von der magischen Grenze entfernt.

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Der Brockenwicht von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Die Welt des Guten und die Welt des Bösen. Wo liegt die Grenze, die dazwischen verläuft? Gibt es sie überhaupt oder ist es ein und dieselbe Welt, zwei Wirklichkeiten, die miteinander zu einer verschmolzen sind, wo sich die Realitäten überlagern und wie unsichtbare Zahnräder ineinandergreifen? Oder gibt es ein mysteriöses Portal, durch das man aus einer Welt in die andere gelangen kann? Wenn es wahr ist, so muss es irgendwo auf dem Blocksberg im Harzgebirge liegen, denn mindestens einmal im Jahr öffnet sich das geheimnisvolle Tor in die Unterwelt und der Fürst der Finsternis übernimmt die Macht auf dem sagenumwobenen Brocken. Ein Mann durchlebt während seiner Wanderung auf dem Heinrich-Heine-Weg im Harz die Walpurgisnacht aus Goethes Faust auf seine eigene Art. Ein seltsamer Kobold, ein durch seine Vorstellungskraft entstandenes Fabelwesen, begleitet ihn als treuer Beschützer auf seinem beschwerlichen Weg. Der Wanderer begegnet Leuten, die er nur flüchtig kannte oder schon seit Jahrzehnten nicht mehr sah. Sie scheinen aber alle nicht mehr von dieser Welt zu sein und sind aus irgendeinem Grund alle wieder da, um an der teuflischen Aufführung teilzunehmen. Er trifft auf bizarre Wesen, die nur der Hölle entsprungen sein können. Hexen kreisen in Scharen über seinem Kopf und schließlich bringt ihn der Höllenfürst dazu, einen Pakt mit ihm zu schließen, der noch ein langes Nachspiel haben wird, in das einige Unbeteiligte wie in einen Strudel des Verderbens mit hineingezogen werden. Es scheint zuweilen alles Fantasie zu sein, aber wer weiß: Vielleicht ist auch etwas Wahres dran?
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 9.859
Online Seiten: 130
PDF Downloads: 0
PDF Seiten: 298
EPUB Downloads: 0
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 495535
Druckwörter: 91448
Buchseiten: 384
Erschienen: July 2022

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